Ich war vergangene Woche beim
Roadburn Festival in Tilburg, NL.
Für mich war es das zweite Mal nach 2015 - und seitdem hat sich einiges verändert. Dabei meine ich nicht das Line-Up, das ist immer noch die europäische Speerspitze, was Post-everything, Doom, Extreme Metal in allen Facetten, etc. anbelangt. Oder einfach: Alles, was gerade hip ist in Heavy Music. Bands aus diesen Bereichen richten mitunter ihre Touren nach dem Festival aus, es gibt dort immer wieder Special Sets, wie komplette Alben oder Kollaborationen, die man sonst nirgends zu sehen bekommt oder Newcomer, denen der Durchbruch bald gelingen sollte. Vergleichbar:
Chat Pile haben dort vor 2 Jahren auf einer kleineren Bühne gespielt und waren dieses Jahr der vllt. größte Headliner. Besonders war zB dieses Jahr, dass die Sludgecore-Gött*innen
Kylesa ihr erstes Konzert seit Dezember 2015 überhaupt gespielt haben. Halt nicht in den Staaten, wo sie herkommen, sondern beim Roadburn. Wie etwa beim Reeperbah-Festival findet sich neben den "normalen" Besucher*innen dort auch immer die ganze Szene aus Musiker*innen, Labels, Musik-Journalist*innen, etc. zusammen und es gibt viele Panels und sowas. Habe ich jetzt nicht teilgenommen, Sänger Mo von der Stoner-Doom-Band Eremit aber zB meinte, dass es da die eine oder andere fruchtbare Diskussion gab. Jemand wie er, der selbst künstlerisch in dem Bereich aktiv ist, kann da natürlich auch super "netzwerken". Hörte sich an, als wäre das gut gelaufen. Auch vergleichbar mit dem RBF: Ich weiß nicht, ob das Roadburn bei dieser Gleichstellungs-Intiative mitmacht, aber das Line-Up war definitiv sehr durchmischt, was männliche und weibliche Acts anbelangt, aber auch in Sachen Herkunft ziemlich divers aufgestellt. Dafür, dass Heavy Music ja jahrelang zuercht oft vorgeworfen wurde, dass kaum Diversität stattfindet, ist das doch merklich besser geworden und wer sollte da Vorreiter sind, wenn nicht das Roadburn.
Was anders war, war die Aufteilung der Bühnen. 2015 gab es 3 Hauptbühnen, 2 in der großen lokalen Venue 013 mittem im Stadtzentrum an der Fußgängerzone, die hier auch immer mal wieder in Tourplänen zu finden ist. Die Hauptbühne würde ich von der Größe etwa mit der C-Halle in Berlin vergleichen und die kleine Bühne mit dem dazugehörigen Theater. Damals es direkt gegenüber das "Het Patronat", was ein leergeräumter Kirchenraum mit super Akustik war. In so etwas Eyehategod zu sehen, war zu dem Zeitpunkt mindestens unterhaltsam. Dazu wurde in 1-2 kleinereN Bars um die Ecke immer mal wieder gespielt. Heute ist die Kirche kein öffentlicher Teil des Festivals mehr. Das 013 ist immer noch die größte Bühne, die eigentliche Haupt-Anlaufstelle findet sich aber auf Höhe des Bahnhofs in alten Industriehallen, das Gelände hat mich sehr an das RAW in Berlin erinnert oder zB Metelkova in Ljubljana. Dort gab es 2 mittelgroße Bühnen, die parallel bespielt wurden (Terminal & Engine Room), die kleinste Bühne des Festivals, wo viele Newcomer aufgetreten sind (Hall of Fame) und eine Bühne in einer Skatehalle, in der Secret Gigs veranstaltet wurden und wo man echt nur reinkam, wenn man sehr frühzeitig da war. Merch und Essen/Getränke waren da auch aufgebaut. In der Stadt gibt es zudem noch das Paradox, ein Jazz-Cafe, wo eben auch die jazzigsten Artists aufgetreten sind. Einzige Bühne, auf der ich nicht war, wie mir gerade auffällt.
Das Essensangebot war ziemlich gut, mMn komplett vegan, aber auch relativ teuer (12 Euro für Pommes Spezial sind schon doll). Wir haben ein wenig variiert zwischen diesen Foodtrucks, Restaurants in der Stadt und einfach Snacks ausm Supermarkt holen. Die haben in den Niederlanden ja auch an den Feiertagen komplett geöffnet. Also zumindest war es jetzt an Ostern so. Getränkepreise hätte ich sogar höher befürchtet, ein Bier (holländisches Lagar, das Bavaria hieß), kostete 5,50 für 0,4 (mit/ohne alkohol verfügbar). Noch ein Wort zu Unterkünften: Wenn man in Tilburg nächtigen und kein Vermögen ausgeben möchte, muss früh dran sein. Am besten jetzt schon was reservieren. Das hatten wir nicht gemacht und die im September 2024 übriggebliebenen Hotels und AirBnBs wären auch zu viert nur unter Zähneknirschen bezahlbar gewesen. Und ein kleines Zelt auf den Stadt-Campingplatz stellen, wollte ich bei nachts 5 Grad auch nicht unbedingt. Wir haben deshalb auf einem Hof mit Campinglatz etwas außerhalb übernachtet, in einer Blockhütte mit Zeltwänden, Küchenzeile, voll augestattetem Band und Heizdecken, weil es nachts doch kalt wurde.

Hatten Räder auf einem Hänger mitgenommen und sind dann tagsüber die rund 10km immer hin und nachts zurück. Ging grundsätzlich klar, wurde gerade durch wenig Schlaf an den letzte 2 Tagen doch anstrengend. Nächstes Jahr passt es in der Konstellation eh nicht, weil ein Kumpel (der mit dem Auto) Lehrer ist und das Festival 2026 nicht in die Frühjahrsferien fällt. Aber wir behalten die nächsten Jahre wieder im Auge, weil es doch ziemlich Spaß gemacht hat. Mit Ticket, Unterkunft, Verpflegung und An-/Abreise dürfte ich rund 750 Euro am Ende ausgegeben haben. Dazu noch 2 Shirts von
Oust und
The Ocean/Pelagic Records - mit 20 und 25 Euro echt human - und eine Platte (
Faetooth) gekauft.
Zu den gesehenen Bands:
Wie immer beim Roadburn gab es einige sehr schmerzhafte Überschneidungen, aber am Ende warich eigentlich mit so gut wie jeder Entscheidung glücklich.
Ging am
Mittwoch mit einem kostenlosen Warmup-Tag auf der Next Stage, der kleinen im 013, los. Das ist vielleicht der einzige Kritikpunkt, den ich habe. Wir konnten die Bands da zwar sehen, aber es war echt DICHT gedrängt. Vielleicht waren nicht alle Auswärtigen Mittwoch schon in der Stadt, aber auf jeden Fall genug Festival-Besucher*innen.
Gespielt haben:
Temple Fang: Psychedelic Rock/Heavy Psych aus Amsterdam. Sehr gniedelig und verspielt, aber mit ordentlich Druck. Glaube 5 oder 6 Songs in 60 Minuten. War ein mehr als solider Start ins Festival.
Rattenburcht, punkiger Black Metal aus NL, haben wir danach nicht gesehen, weil wir frische Luft brauchten.
Thou: Einer von vielen Auftritten der legendären Sludge-Band auf dem Festival. Die Hütte war komplett voll, es war gerade noch so möglich einen kleinen Bereich neben dem Mischer zu bekommen und von hinten zu lauschen. Extrem finster, drückend, brutal. Endlich mal von der Liste gehakt. Sehr umjubelter Gig.
Donnerstag ging es am frühen Nachmittag mit
Glassing los: Eine hypnotisierende Mischung aus Post-Metal, Screamo, Shoegaze und Black Metal, würde ich sagen. Sehr schnell und energetisch, teils dicke Soundwände, emotional. Würde ich mir wieder angucken, sehr solider Start in den Tag. Publikum war aber glaube ich in großer Zahl bei Oranssi Pazuzu, die zeitgleich im 013 gespielt haben. Dadurch war es auch vorn im Engine Room noch recht luftig. Nicht mein Verlust.
Buñuel: Noise-Projekt des ehemaligen Oxbow-Sängers Eugene S. Robinson. Sehr gute Stimme, Musik neben Noise mal jazzig, mal industrial-angehaucht. Konnte was, auch wenn ich jetzt nicht künftig regelmäßig motiviert zur Platte greifen werde.
Kylesa: Der Grund meines Ticketkaufs.
Time Will Fuse Its Worth, Static Tensions und Spiral Shadows habe ich so dermaßen verschlungen jahrelang und waren auch so mein Einstieg in diesen gesamten Musikbereich, 10 Jahre Hiatus und nun eben die Rückkehr. Spielen auc noch eine exrem ausgedehnte Tour mit vielen Festival- und Soloauftritten. Trotzdem war es für mich direkt ein Grund zum Ticketkauf und ich wurde nicht enttäuscht. In kleinen Klubs wie dem Hafenklang kommt das natürlich noch besser, aber die große Bühne können sie auf jeden Fall auch füllen. Neben den Gitarren und Vocals von Laura Pleasants und Phillip Cope sind John John Jesse (Bass) und Carl McGinley (Drums) neu dabei, waren vorher zusammen u.a. bei Nausea. Früher hatte die Band für den Druck teilweise 2 Drummer, er hat das aber auch allein sehr gut hinbekommen. Publikum war von Beginn an gut drin, aber spätestens ab
Scapegoat gab's vorn kaum ein Halten mehr. Sehr gutes Set mit allen Klassikern, die man sehen wollte. Leider war das Verhältnis von Gitarren zu Rhythmus am Anfang nicht ideal, aber einen Gig mit extrem gutem Sound erwarte ich bei Kylesa auch nicht haha.
Faetooth: Stoner/Witchy Doom im Stile von Windhand oder Jex Thoth, neues Album kommt nächste Woche, habe ich vorbestellt. Frauen-Quartett aus LA. Werde ich auf jeden Fall am Ball bleiben, die Musik hat mich sofort in ihren Bann gezogen. Teilweise "ethereal", aber dann auch wieder super schwer und langsam. Guter Gesangsmix aus Clear und Growls.
Envy: Gleich am ersten Abend der wohl beste Auftritt des Festivals. Die japanischen Post-Rock/Metal-Legenden haben 2x gespielt und zuerst ihr 2003er-Album
A Dead Sinking Story dargeboten. Ich wusste schon lange, dass ich Envy mag, aber habe mich trotzdem nie eingehender mit der Diskographie auseinandergesetzt. Ein Fehler, wie ich feststellen musste. Dieser Mix aus brachialen Post-Soundwänden mit super emotionalen Vocals und ruhigen Spoken-Word-Passagen ist mMn ziemlich einmalig. Es wird eine emotionale Bandbreite sondergleichen dargeboten, mal auf den Boden schmetternd, traurig, wütend, aber auch aufbauend bis euphorisch. Ganz, ganz groß.
Danach erstmals eine Band nicht sehen können:
Black Curse, Death Metal-Supergroup mit Mitgliedern von Spectral Voice und Primitive Man. Schlange zur Hall of Fame ging fast bis zu den Bahngleisen/Unterführung. Sind daher ins Terminal und haben den Rest
Gilla Band geguckt. Noise/Post Punk aus Irland. War mir nach Envy zu chaotisch, habe ich nicht so gefühlt. Gleiches gilt für den Tagesabschluss
Concrete Winds. Death Metal aus Finnland - extrem schnell, rumpelig und grimy. Wäre für mich eher ein passender Opener gewesen, aber die Beine waren doch langsam schwer.
Freitag ging es am frühen Nachmittag mit
De Mannen Broeders auf der Next Stage los (übrigens statt Messa, oh je, ich werde die Band einfach nie sehen). Neues Projekt um Amenra-Sänger Colin van Eeckhout und den Folk-Musiker Tonnie „Broeder“ Dieleman. CHVE sitzt an der Drehleier, Broeder am Banjo (das er teils mit Geigenbogen spielt). Dazu gab es eine Pianistin und einen Frauenchor. Die Musik ist ruhiger Folk mit emotionalem Gesang. Die Lyrics sind auf niederländisch und wenn man sich mal die Musikvideos anguckt, schreit das alles komplett nach Amenra von Look&Feel her. Hat mir gefallen, auch wenn es nicht die komplett niederländischen Ansagen mich teils ratlos zurückgelassen haben, während viele im Publikum darüber lachen durften.
Danach rüber zu
The HIRS Collective: Sehr chaotischer Screamo, ähnlich wie bei der Grindcore-Band Brat oftmals in Zusammenhang mit bekannten Popsongs, die dann verzerrt in Geballer übergehen. Die Betonung des Queerseins war dem Sänger gerade in Zeiten wie jenen in den USA extrem wichtig, das Publikum hat ihn komplett abgefeiert. Sehr unterhaltsam und kurzweilig. Und kurz: Halbe Stunde. War vollkommen ok so!
Es folgte der zweite Auftritt von
Envy, der dem ersten in nicht viel nachstand. Es war ein moderneres Set um das aktuelle Album
Eunoia. Es gab nicht ganz so viele Post-Metal-Ausbrüche, dafür mehr melidiöse post-rockigere Aufbauten, die teils an Explosions in the Sky erinnerten. Dazu aber die gleiche krasse Performances des Sängers. Da ich nicht so überraschend weggeblasen wurde, kam der Aufrtritt nicht an den ersten heran, war aber ebenfalls fantastisch.
Nach einer längeren Essenspause sind wir zu
New Age Doom feat. Tuvaband auf die Next Stage: Atmosphärischer Drone/Doom/Jazz-Hybrid, erinnert manchmal an Bohren & der Club of Gore, aber tatsächlich relativ tanzbar. War gut gefüttert auch extrem guter Laune und hatte super viel Spaß. Einer meiner Top-5-Gigs beim Festival. Kann da auch die Platten empfehlen, besonders die, die sie (komplett random, aber es klingt super) mit dem mittlerweile verstorbenen Dub-Pionier Lee „Scratch“ Perry aufgenommen haben. Davon kam auch der Closer des Sets. Richtig, richtig gut.
Zum Abschluss dann wieder
Thou gesehen, diesmal auf der großen Bühne im 013, dort haben sie ihr 2024 erschienenes Album
Umbilical komplett gespielt. Auftritt war wie der erste groß, nur war ich eben diesmal viel näher dran. Extrem wütend, atmosphärisch, drückend. Gern wieder in einem kleinen Klub in Deutschland, der nicht so voll ist wie die Next am Mittwoch.
Samstag startete sehr früh mit
Witch Club Satan. Leider gab es kein Parallel-Programm, weshalb es im Engine Room extrem voll war, zumindest für die erste Hälfte des Sets. Die 3 Damen aus Norwegen machen True Norwegian Black Metal, aber in der feministischen Variante. Das Album hat mir vorab sehr großen Spaß gemacht und entsprechend habe ich mich auf den Auftritt gefreut. Der stand aber nicht immer unbedingt im Zeichen der Musik, sondern wurde ein wenig vom theatralischen "überschattet" und ich glaube, dass die 3 einfach noch nicht SO viel Bühnenerfahrung zusammen haben und da auch nicht alles perfekt von ihrer Seite aus lief. Zuerst gab es Outfits mit gut aussehendem Corpsepaint, Masken und Hörnern, die extrem cool aussahen. Brüste raus war auch das Motto, weshalb der eine oder andere (mittel-)alte weiße Mann denke ich noch öfter zum Handy gegriffen hat, als er es sonst getan hätte. Bissi cringe, aber naja. Nach 2-3 Songs, die gut vorgetragen wurden, kam eine kurze Ansprache, die in "From the River..." mündete. Ich sag mal: andere Bands haben (mmn auch dann gute) politische Aussagen gemacht, die nicht danach aussahen, einfach billigen Applaus abzusahnen. Aber das Publikum hat es recht frenetisch aufgenommen. Es ist ja bekannt, dass das außerhalb Deutschlands noch mal etwas "größer" ist. Vergleichbar dazu war es bei den Idles ja recht sparsam, was die Reaktion anbelangte und das bei einer größeren Crowd. Danach haben sie sich hinter der Bühne um- bzw. ausgezogen, nur noch Unterwäsche und superlange verfilzte schwarze Perücken sowie ein Schwung Kunstblut über die Körper, um möglichst.. naja witchy satany rüberzukommen.

Das klingt erstmal so negativ, ich hab aber gegen so ein Schauspiel gar nichts, wenn es zu einer guten Show beiträgt, was aber hier aufgrund der teilweise Abstimmungsprobleme (wer sagt was, wer fängt welchen Song an, wer springt jetzt in die Menge und läuft einmal wild rum) eben nicht komplett gegeben war. Die Band spielt im September im Headcrash und ich denke, ich werde mir dort angucken, wie sie sich bis dahin eingegroovt haben.
Danach haben wir in der Hall of Fame
Haatdrager gesehen. Eine junge Band aus Eindhoven, die dort auf eine Musikakademie geht, wenn ich das richtig verstanden habe, und ihren ersten Gig überhaupt gespielt hat. Dafür war das definitiv vielversprechend! Sludge gemischt mit Hip Hop Beats und elektronischen Elementen. Hatte definitiv etwas Nu-Metaliges. Die Sängern konnte sowohl gut shouten als auch solide rappen auf jeden Fall. Hat Spaß gemacht, werde ich im Auge behalten. For Fans of LLNN/Backxwash.
Es folgte der erste von zwei Auftritten des Post-Metal-Legenden-Trios
Sumac (u. a. Russian Circles, Old Man Gloom), in diesem Fall mit der, wie es bei Wikipedia steht, Dichterin, Musikerin und Aktivistin
Moor Mother. Sie hat vorn elektronische Sounds generiert und Spoken Word gemacht, was auch, ich konnte nicht 100% folgen, recht politisch/gesellschaftskritisch in vielen Teilen klang und die Band hat hinter ihr rumgedröhnt. Es war... irgendwo beeindruckend aber auch anstrengend, sehr laut und eben Drone pur. Die Passagen, in denen sich die Band voll auslebte und auch mal so etwas wie Rhythmik aufkam, waren in dem Set auf jeden Fall die besten.
Danach folgte mit
Coilguns ein weiteres Highlight. Die Schweizer habe ich letztes Jahr durch ihre Split mit
Birds in Row kennengelernt, welche mir richtig gut gefallen hat. Im November erschien zudem das Album Odd Love, das mir - ebenfalls - richtig gut ins Ohr geht. Vorher war der Screamo der Band fast schon Richtung Extreme Metal, den Sound haben sie aber ziemlich verfeinert, hat nun mehr Emo-Anstrich, auch wenn die krachigen Ausbrüche nicht zu kurz kommen. Der Auftritt lieferte aus, ich sage mal beiden Schaffensphasen, genug Stoff. Das Publikum hat es auch, inklusive mir, sehr gefeiert. Es hat mich ein wenig an eine harte Version von At the Drive-In erinnert, auch was das Auftreten anbelangt. Der Sänger hat sich auf die Bühne und ins Publikum geschmissen und ist total mitgegangen. Bitte fix auch wieder in HH auf die Bühne.
Wiederum in der Hall of Fame haben wir danach
Denisa aus Indonesien gesehen. Mir wurde es als Dark Wave verkauft, was aber überhaupt nicht der Fall war, auch wenn Gitarrist und Bassist von ihren Frisuren und Outfit her easy bei Twin Tribes hätten mitmachen können.

Sound vielleicht ein wenig vergleichbar mit den rockigeren Chelsea-Wolfe-Sachen. Allerdings ohne diese Brillanz. Die Sängerin hat es aber gut gemacht und wirkte auch sympathisch. Da war schon viel Emotion/Herzschmerz mit in der Performance. Konnte man sich gut angucken, auch wenn es jetzt nicht mega nachhaltig im Gedächtnis bleiben wird.
Danach kurz was gegessen und ein wenig auf der Tribüne den Klängen von
Altin Gün gelauscht. Hatte mich schon überrascht, das die Band da gebucht wird, aber war auch nicht der einzige Psychedelic Rock dieser Art im Line-Up plus natürlich Lokalbonus. Klang gut, hat mich aber auch aus der Position heraus nicht so gecatcht wie 201...8? beim Reeperbahn Festival im Kaiserkeller. In Erinnerung daran, würde ich schon auch klar sagen, dass es ein Verlust ist, dass Merve Daşdemir nicht mehr dabei ist.
pg.99 bzw. pageninetynine haben danach den Chaos-Faktor wieder ordentlich hochgetrieben. Sehr schneller und intensiver Screamo aus den Staaten und da standen, glaube ich, zehn Leute auf der Bühne.

Warum, weiß ich nicht so genau, aber vermutlich hat es für mehr Druck gesorgt, dass die Instrumente (leider bis auf Drums, häää?) alle doppelt vertreten waren? Ich hatte auf jeden Fall eine halbe Stunde großen Spaß und die Sänger, die permanent in der Crowd waren sowie die vielen Leute im Pit ebenfalls.
Den Abschluss am Tag machten dann
Chat Pile. Die Band ist ja spätestens durch ihr Album Cool World extrem gehypt worden und das hat man hier auch gemerkt. DÜrfte der vollste Aufrtritt gewesen sein, den ich auf der Hauptbühne gesehen habe. Am Tag zuvor gab es offenbar auch einen Secret Gig in der Skate Halle, den wir leider verpennt haben. Der Auftritt ist auf jeden Fall extrem brachial, dieses Gewitter von Musik mit den düsteren Texten von Raygun Busch kommt live sehr atmosphärisch rüber. Ich dürfte durchgehend in Bewegung gewesen sein und das am Ende eines langen Tages. Der Sänger übrigens auch. Irre, was der auf der Bühne für ein Pensum abspult. Entweder Rastlosigkeit oder Speed, wer weiß. Zwischendurch hat er sehr viel über seine Lieblingsfilme und -bücher erzählt. Und Bezug auf Witze aus vergangenen SHows genommen, die so 200 Leute mitbekommen haben.

Generell hat mich der gesamte Habitus der Band sehr an Idles erinnert und musikalisch ist es irgendwo ja auch die härtere Variante der Band, gerade wenn man Crawler als Vergleich nimmt.
So, ein Tag noch... Sonntag haben wir es wesentlich ruhiger angehen lassen. Die ersten beiden möglichen Bands,
Insect Ark und
Bacht'n de Vulle Moane, haben wir verpasst, weil sie auf kleinen Bühnen spielten und die großen parallel leer waren. Najaa. Deshalb gingen wir nach einem Mittagessen erst zu
Sumac ins 013. Diesmal zu dritt, spielten sie das 2024 erschienene Album
The Healer komplett. Mit 80 Minuten war es einer der längsten Auftritte des Festivals. Und, wenn ich ehrlich bin, finde ich das für ein Album auch eine zu lange Dauer. Klar, sollen sie machen, wenn sie das gut finden, aber es gab doch ein paar Längen bei den Aufbauten der Songs. Das Album hat davon 4 (!) und 2 sind 25 Minuten lang. Die ausbrechenden, super brachialen Parts hatten es aber derart in sich, dass ich den Auftritt definitiv als "sehr gut" kategorisieren würde.
Danach gab es in der Skate Halle noch ein Highlight:
Oust aus Belgien. Hardcore/Punk, sehr politisch, sehr feministisch. Zwar gab es auch hier eine Palästina-Flagge, die Ansagen galten aber vor allem der Manosphere und dem Patriarchat, Tech Bros und Milliardären - damit kann ich doch mehr anfangen als plumpen Aussagen über den Nahost-Krieg, die kritiklos gegenüber der Hamas bleiben. Die Sängerin ist permanent durch die ganze Halle gerannt und das Publikum musste aufpassen, nicht vom Mikrofonkabel abgeräumt zu werden.

Auf der einen Rampe gab es auch einen ansehnlichen Pit. T-Shirt wurde danach für einen 20er mitgenommen. Sehr nice. Wird gleich zu Amenra angezogen, passt ja bestens.
Mit
Greet, dem
Violent Magic Orchestra und zum Abschluss
Pothamus und
Mong Tong noch ein Quartett der Gegensätze. Zuerst ein Ein-Mann-Folk-Projekt aus dem UK mit einem Harmonium und so schon beinahe Minne-artigem Gesang, hätte auch auf einen Mittelalter-Markt gepasst, hat mir aber getaugt. Danach der krasse Gegensatz mit 45 Minuten Hard Tech meets Black Metal-Geballer und krassen Visuals vom VMO. Das hat das niederländische Publikum natürlich gefeiert.

Ich aber auch. Würde ich mir eher nicht zuhause anhören, hat aber noch mal gut wach gemacht. Pothamus brachten auf der Next Stage wunderbaren Post Rock ohne die Brachialität von Sumac zum Besten. Fand ich richtig schön, ging bisschen so in die Isis-Panopticon-Richtung. Und Mong Tong aus Taiwan haben noch mal einen tanzbares Psychedelic-Rausch fabriziert. Fernöstliche Klänge vor elektronischem Hintergrund. Sehr lieb und ein guter Abschluss.
So, darf ich das jetzt bei VGWort einreichen?
