Beitrag
von Quadrophobia » Do 11. Mär 2021, 15:49
Anlässlich der CDU Kriese wollte ich hier mal einen kurzen Übersichtsbeitrag als Antwort auf die omnipräsente Frage "Warum werden die noch immer so viel gewählt" schreiben.
Die Antwort liegt - auch wenn das überraschend klingen mag - in der Wahlbeteiligung. Bei der letzten BTW haben nur etwa 3/4 aller Menschen gewählt, d.h. ca. 14,7 Millionen Menschen haben nicht gewählt. Diese Menschen verteilen sich aber nicht zufällig über die Bevölkerung, sondern weisen zum allergrößten Teil die gleichen Merkmale auf. Sie sind arm, haben eine niedrige formelle Bildung und eine schlechte Arbeitsmarktposition.
Das war nicht immer so. in den 1970ern hatten wir Beteiligungsraten von 90% (wobei da tatsächlich noch ein relevanter Teil der restlichtn 10 Prozentpunkte auf Karteileichen zurückgeht) und die Kluft zwischen verschiedenen Einkommens und Bildungsgruppen oder verschiedenen Klassen war sehr gering. Das lag daran, dass Deutschland in den 1970ern eine durchlässige Gesellschaft war, in der man auch mit einem niedrigen Schulabschluss und aus einfachen Verhältnissen einen sozialen Aufstieg erleben konnte.
Seitdem hat in Deutschland durch Marktausweitung, Sozialabbau, Steuerreformen, etc. die soziale Ungleichheit massiv zugenommen. Eine Aufstieg aus niedrigen Verhältnissen ist heute die absolute Ausnahme. Dieser Prozess ist so verfestigt, dass es inzwischen Bereiche gibt (zum Beispiel der Wohnungsmarkt) auf die die Politik keinen relevanten Zugriff mehr hat. Betroffene am unteren Ende der sozialen Schere erleben heutzutage keinerlei Verbesserung ihrer prekären Situation (im Gegenteil) und ziehen sich verständlicherweise aus der Politik zurück. Dadurch verschieben sich selbst ehemalige Mitte-Links Parteien zur Mittelschicht und die Repräsentation der Unterschicht nimmt noch weiter ab.
Hier kommt die CDU ins Spiel. Die Wahlbeteiligung der Mittel- und Oberschicht, die aus ökonomischen oder konfessionellen Gründen CDU wählen, nimmt nahezu nicht ab, weil sie von dieser Marktausweitung massiv profitiert haben. In oberen Schichten ist der Rückgang der Wahlbeteiligung minimal, während er in den untersten Schichten extrem sinkt. Das schadet vor allem der SPD und der LINKEN, die relativ gesehen massive Stimmenanteile verlieren.
Die CDU verliert also durchaus Wähler:innen (und zwar massiv), ihr Stimmenanteil bleibt aber gleich, weil vor allem die SPD Stimmen verliert, weil ihre potentiellen Wähler:innen einfach nicht mehr zur Wahl gehen. Während sich CDU-Wähler:innen sich aber möglicherweise jetzt von der CDU abwenden, kommen sie potentiell auch wieder zurück, wenn Gras über die Sache gewachsen ist. Wer dagegen aufgehört hat überhaupt zu wählen, nimmt noch in den seltensten Fällen wieder an einer Wahl teil.
Würde man auf irgendeine Art alle Nichtwähler:innen zwingen, wählen zu gehen, würde die CDU relativ gesehen deutlich verlieren, da sie unter den Nichtwähler:innen so gut wie keine potentiellen Wähler:innen hat.