Ich selbst bin gar kein so großer MA-Fan, 3 Alben der Band habe ich sogar im Rahmen der Vorbereitung auf das Konzert zum ersten Mal gehört. Letztendlich war jedoch der Name der Tour wörtlich zu verstehen: Es wurde ausschließlich die "Mezzanine"-Platte gespielt, auf Klassiker wie "Safe From Harm" oder "Unfinished Sympathy" musste man dagegen verzichten. Mich hat es nicht gestört, ich liebe die Platte und war gespannt, wie diese live umgesetzt wird.
Die Songs wurden in nichtchronologischer Reihenfolge präsentiert, unterbrochen von Coverversionen einiger Songs, die auf "Mezzanine" gesamplet wurden. So begann das Konzert auch mit dem The Velvet Underground-Song "I Found A Reason", worauf der eigene"Risingson" folgte, der ein Sample dieses Lieds nutzt. Ich hatte im Vorfeld vermutet, dass die Coverversionen mit den eigenen Songs verwoben werden, um dem Zuschauer den Ursprung der einzelnen Samples näher zu bringen. Dies war leider nicht der Fall: Zwischen den Songs gab es jeweils eine Pause und alle Cover blieben sehr stark am Original, was nicht in allen Fällen zur Stimmung der "Mezzanine"-Songs gepasst hat und so hin und wieder den Flow des Konzerts etwas gestört hat. Die restlichen Cover waren "10:15 Saturday Night" von The Cure (gesamplet in "Man Next Door"), der Ultravox-Song "Rockwrok" (gesamplet in "Inertia Creeps") sowie der Pete Seeger-Klassiker Where Have All The Flowers Gone?" (zwar kein Sample, aber Textportionen des Songs werden in "Risingson" verwendet). Zudem wurde statt des Outros "(Exchange)", was im Prinzip nur eine Vocalversion des Interludes "Exchange" (ohne Klammern) darstellt, der Reggae-Song "See A Man's Face" gecovert, der die Grundlage für die Vocals von "(Exchange)" darstellt. Das einzige Cover ohne "Mezzanine"-Bezug war die Bauhaus-Debütsingle "Bela Lugosi's Dead", die sich von allen Covern auch am besten in das Set eingefügte.
Das eigentliche Konzert war eine Wucht: Massive Attack waren mit versammelter Live-Mannschaft vertreten. Zudem waren die Original-Sänger der Platte Horace Andy und Elizabeth Fraser mit am Start. Die beiden sind ja auch nicht mehr die Jüngsten, konnten aber mit tadellosen und berührenden Performances aufwarten. Die Vocals von 3D und Daddy G hätten dagegen teilweise etwas mehr Druck vertragen können. Bei Letzterem war ich auch sehr verwundert, dass er an der musikalischen Front überhaupt nicht beteiligt war und nur für seine 3 (?) Vocal-Parts auf die Bühne kam.
Der Bühnenhintergrund war mit Gitterstäben designt, die dem Ganzen einen Gefängnislook gaben. Zudem gab es 3 große Videoleinwände (hierzu gleich mehr). Seine Glanzmomente hatte das Konzert jedoch, wenn die Videoleinwände ausgeschaltet waren oder nur dezente Visuals zeigten und die Songs nur durch die Lichtshow begleitet wurden, die ihrem Namen wirklich alle Ehre machte. Alleine das Lichterfeuerwerk zu "Mezzanine" gehört zu dem Beeindruckendsten, was ich in dieser Hinsicht bisher bei Konzerten erleben durfte. Auf der anderen Seite konnten auch sparsamere Effekte die Magie von Jahrhundertsongs wie "Angels" und "Teardrops" sehr schön zur Geltung bringen. Das lag auch an dem Sound, der klar, druckvoll und vor allem ordentlich laut war. Lediglich bei "Risingson" hätte ich mir noch mehr Bässe gewünscht.
Bei dem visuellen Konzept scheideten sich dagegen wohl die Geister. Während bei einigen Stücken die Leinwand nur sehr subtil eingesetzt wurde, gab es bei anderen Liedern die volle Breitseite: Aufnahmen bekannter Persönlichkeiten wie Trump, Lady Di, Putin und Britney Spears wetteiferten mit Natur- und Kriegsaufnahmen, computergenerierten Landschafts- und anderen dokumentarischen Bildern. Dazwischen wurden in großen Buchstaben politische Statements (auf Englisch und Deutsch) auf die Bildschirme geworfen, die meistens irgendwas mit einem "change" zu tun hatten. Meistens wurden die Aufnahmen ohne einen erkennbaren Zusammenhang durcheinander geworfen, manchmal gab es jedoch auch einen thematischen Überbau, z.B. Bilder von Kriegsopfern ("Where Have All The Flowers Gone?"), Aufzählung verschiedener Medikamente/Drogen ("Inertia Creeps") oder Verschwörungstheorien. Als besonderes Schmankerl wurden kurz vor Ende gefakete Medikamentenwerbungen von Aviciis "Levels" untermalt... natürlich mit rechtzeitiger Ausblendung zu Beginn des Etta James-Samples, bevor noch jemand im Publikumauf die Idee kommt, hier mitzusingen, anstatt die geniale Ironie zu erkennen

Ich habe grundsätzlich nichts dagegen, politische Botschaften im Rahmen eines Konzerts zu verbreiten, sei es durch Ansagen oder durch die Songs selbst. Nun sind die Songs auf "Mezzanine" meist eher persönlicher Natur und nur wenig politisch, weshalb die Bilder thematisch überhaupt nicht zu den Songs passten. Zudem waren Botschaften inhaltlich zu platt bzw. pseudo-edgy und damit wenig überzeugend. In den negativsten Fällen lenkten diese sogar von der eigentlichen Musik ab: Den ersten Auftritt von Horace Andy zu "Man Next Door" verpasste man z.B. als Zuschauer fast, da man noch damit beschäftigt war, die eingeblendeten Botschaften zu lesen.
Eine positive Ausnahme gab es dann dennoch: Zu "Dissolve Girl" (dem einzigen Song mit Vocals vom Band) wurden Youtube-Aufnahmen von Hobby-Musikern gezeigt, die den Song abwechselnd an Bass, Drums und Vocals coverten... eine ganz schöne Idee, wie ich finde.
Letztendlich war es ein wunderbarer Konzertabend, was einfach an den tollen Songs und deren großartiger Darbietung liegt, die auch durch die teils unpassenden Einblendungen oder die zahlreichen Cover-Unterbrechungen nichts an ihrer Magie einbüßen konnten.