Quadrophobia hat geschrieben: ↑Di 30. Jun 2020, 10:44
Ich versteh das Problem einfach nicht. Es ist ein himmelschreiender Unterschied, ob Nazis auf das Büro von Karamba Diaby schießen, oder ob jemand demonstrativ Dieter Dehms Scheibe einschlägt, weil man Politiker*innen, die mit Nazis paktieren, nicht akzeptieren will.
Wo
genau ist denn der Unterschied für das Opfer? Im Subtext der Tat schwingt doch bei beiden mit, dass die nächste Eskalationsstufe körperliche Gewalt gegen den Inhaber wäre...oder?
Declan_de_Barra hat geschrieben: ↑Di 30. Jun 2020, 11:37
Wie stehst du denn zu dem Beispiel der Sklaventreiberstatuen? Es geht auch nicht um konsequentes Gutheißen, sondern primär um Einordnung der Gesamtsituation.
Edit: Es geht nicht um akademisieren. Aber dein Vorwurf, dass Leute Gewalt schlicht geil finden, wenn es in den Kram passt, ist viel zu einfach gedacht.
Das sind doch zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe. (hat NeonGolden glaube ich auch schon völlig richtig ausgeführt)
Die Statue eines Sklaventreibers gehört zum öffentlichen Raum und die Beschädigung einer solchen richtet sich eben nicht gegen eine natürliche Person, sondern viel mehr gegen ein System. Impliziert also eben nicht die o.g. körperliche Gewalt gegen das Opfer als nächste Stufe der Bedrohung.
Kann man demontieren, kann man im öffentlichen Raum in den richtigen Kontext rücken, bin mir da echt unsicher.
Was ich aber wirklich schwachsinnig - um mal noch weiter auszuholen - finde ist, bestimmte Folgen einiger Serien wegen Blackfacings von Streamingdiensten zu entfernen. Das löst ja das Problem nicht und sensibilisiert Menschen, die damit nichts anfangen können erst Recht nicht für solche abwertenden Verhaltensweisen.
Naja, aber genau diesen Eindruck machten die ersten Beiträge. Und daran habe ich mich massiv gestört - und tue das immer noch.
dattelpalme hat geschrieben: ↑Di 30. Jun 2020, 12:12
Suitemeister hat geschrieben: ↑Di 30. Jun 2020, 10:28
Im Endeffekt läuft's aber darauf hinaus, was ich oben schon geschrieben habe. Wenn's mir in den Kram passt, kann man schon mal 'ne Scheibe einschlagen.
Wenn man dann schonmal dabei ist, warum nicht gleich in Brand stecken? Hey, ist doch nur ein Haus. Da sollen sich die gutbürgerlichen Bedenkenträger mal zurückhalten.
Das ist jetzt erst einmal eine Unterstellung, für die ich keine Anhaltspunkte sehe. Es sei denn, für dich sind Brandanschläge auf Häuser auf der einen und Fahrzeuge auf der anderen Seite ein und dasselbe. Insofern empfinde ich solche trotzigen Aussagen als ziemlich haltlos.
Natürlich ist das eine Unterstellung, die erstmal jeglicher Anhaltspunkte entbehrt, klar.
Ich bin aber schon der Meinung, dass die Zerstörung von Büroräumen (leider) demokratisch legitimierter Volksvertreter eine Grenzüberschreitung darstellt und nicht unreflektiert abgefeiert werden sollte. Wir regen uns alle auf über die Morde in Halle, Hanau und Lübcke und über die Verohhung der Gesellschaft und über die AfD, die diesen Taten den moralischen Nährboden bereitet. Aber wenn's auf der eigenen Seite des politischen Spektrums geschieht, ist es vertretbar. Is' klar...
Deinen Vergleich zwischen Fahrzeugen und Häusern verstehe ich nicht?! Weiß auch nicht, was daran trotzig sein soll...
NeonGolden hat geschrieben: ↑Di 30. Jun 2020, 12:18
Stein des Anstoßes war hier nicht, dass sich jemand über die rohe Gewalt gegen die Fensterscheibe aufgeregt hat, sondern dass diese Form der Selbstjustiz völlig unreflektiert abgefeiert wurde.
Niemand hat hier behauptet, dass so eine Aktion aufs Schärfste zu verurteilen sei oder mit anderen Gewalttaten vergleichen. Diese Unterstellungen wurden von Einigen hier einfach in den Raum gestellt.
Sooooo....!!
Quadrophobia hat geschrieben: ↑Di 30. Jun 2020, 12:20
Ich sehe zwar nicht wirklich, wo ich mich hier im Ton vergriffen hätte, aber ich zeichne noch mal kurz auf, warum ich diese Debatte nicht mehr hören kann. Die Gewalt, die von Strukturen ausgeht und vor allem Minderheiten betreffen, wird von Jahr zu Jahr extremer. In den letzten fünf Jahren gab es drei tödliche rechtsextreme Anschläge, es haben Dutzende Flüchtlingsunterkünfte gebrannt, Antisemitische Gewalt ist so hoch, wie seit Ewigkeiten nicht, Polizeigewalt wird nicht verfolgt, Kommunapolitiker*innen werden von Nazis angegriffen (...)
Ich zitiere der Übersicht wegen mal nicht alles, der Rest lässt sich ja über den Klick aufs Zitat aufrufen.
Du hast mich aber nicht verstanden: was mich stört, war die unreflektierte positive Resonanz.
Dass wir in Deutschland ein größeres Problem mit rechter Gewalt haben als mit linker, davon musst du mich nicht überzeugen.
Und deswegen habe ich auch explizit schon in meinem zweiten(?) Beitrag davon gesprochen, dass ich diese beiden eben NICHT(!) gleichsetzen will und auch darüber gar nicht diskutieren will. Wenn ich in einer späteren Gegenüberstellung davon gesprochen habe, war das eine Analogie.
slowdive hat geschrieben: ↑Di 30. Jun 2020, 13:04
Ich checks halt einfach nichts ganz. Wenn man weiß, wie ich hier poste – meinetwegen im Ton auch manchmal drüber oder inhaltlich kontrovers – weiß man doch, dass ich so einen One-Liner im Pöbel-Thread nicht als politische Theorie verstehe, sondern da evtl. noch mehr dahintersteht – egal, was man davon letztlich hält. Könnte man ja auch einfach mal ein "Wie meinen?" statt einem "Aha, Gewalt gegen die Richtigen findet er wohl supi" drauf antworten.
Wie lange diskutierst du schon in Internetforen?
Du hättest doch genauso die Möglichkeit gehabt das richtigzustellen, nachdem ich auch nur mit einer Zeile verdutzt drauf geantwortet hatte?! Aber ist klar, jetzt bin ich schuld, dass die Diskussion hier aus dem Ruder läuft...
slowdive hat geschrieben: ↑Di 30. Jun 2020, 15:19
Stimme dir mit allem zu. Ich hatte ja sogar weiter oben geschrieben, wann mich der Vorwurf der Akademisierung stört und wann eher nicht (und mich da auch ein wenig selbst kritisiert). Und so wie Suitmeister es geschrieben hatte, dachte ich eher, es ginge ihm um eine "unnötige" Verkomplizierung der Sache und nicht der Sprache/des Stils (die ich hier gar nicht so komplex wahrgenommen habe, aber dass heißt ja nicht viel). Gegen Ersteres würde ich gegenhalten, Zweiteres immer unterstützen. Dieser "Akademisierungsvorwurf" kommt halt auch immer wieder, wenn eigentlich gemeint ist: Ist stimme dir nicht zu, habe aber keine Möglichkeit/kein Bock dir mit guten Argumenten zu begegnen. Beim Arzt ist bei dem Vorwurf eigentlich immer die zu komplexe Sprache (sprich: das Geschenkpapier) gemeint, bei geisteswissenschaftlichen (politischen, sozialen, etc.) Diskussionen oft aber das Thema (sprich: das Geschenk) an sich. Und das halte ich – ich wiederhole mich – für falsch.
Mir ist es ernsthaft ein Rätsel was du mit diesem Absatz sagen willst.
slowdive hat geschrieben: ↑Di 30. Jun 2020, 15:19
Die Frage ist ja: Was ist passiert? Was ist die Motivation? Passiert ist, dass Dehms Scheibe zerschlagen wurde. Er wurde nicht bedroht, nicht physisch attackiert nichts. Ist das ein Einschüchterungsversuch? Was ist der Grund? Ich denke hier geht es eher darum, zu zeigen, dass seine antijüdischen Positionen hier keinen Platz haben. Er wurde nicht in seiner Funktion als demokratischer Vertreter (oder wahlweise als Schwarzer, als Muslim, als Frau, als Linker wasauchimmer) angegriffen, sondern als Depp, der jüdische Existenz negiert und damit auch undemokratisch im Sinne, wie der Begriff hier normalerweise definiert wird, agiert. Das ist auch der Unterschied auf den Quadro hinauswill, wenn er das Beispiel einer schwarzen Person zitiert, die angegriffen wird, weil sie schwarz IST. Würde Dehms Büro demoliert werden, weil er z.B. ein Politiker der Linkspartei ist, niemand hier würde feiern. Und deshalb ist auch Suitmeisters Anfangspost schon falsch. Es geht nicht darum, dass man sich freut, einfach weil die "Richtigen" angegriffen wurden, sondern um die komplexe Gesamtsituation.
Du tust ja gerade so als wären Täter und Tathintergründe schon hinreichend aufgeklärt um eine Beurteilung dieser Dimension vornehmen zu können. Wer sagt denn, dass er bzw. sein Büro als Antisemit und nicht als Linkenpolitiker attackiert worden ist?
Quadrophobia hat geschrieben: ↑Di 30. Jun 2020, 15:22
Es ist schon ziemlich absurd sich über den angeblich unpassenden Ton hier zu beschweren und dann jeglichen Versuche, die eigene Position zu erläutern mit solchen Kommentaren zu begegnen. Schön, dass du es für eine "sinnlose Meta-Diskussion" hälst, dass Gewalt nicht nur aus sichtbarer physischer Gewalt besteht, sondern kausale Ursprünge hat. Da schwingt so eine schöne Note mit, dass meine Position in der Realiät gar keine Relevanz hätte, sondern einfach nur Ausdruck einer selbstherrlichen Überheblichkeit als Akademiker ist.
Was bei mir ankommt, ist, dass ich mir schöne Worte ausdenke, und am Ende doch nur schadenfroh bin. Das tut so, als wäre meine Perspektive nur akademisches Geblubber. Und ich habe wirklich keine Lust mehr mich jedes mal, wenn hier eine komplexere Diskussion losbricht, für mein Studium, meine Wortwahl oder meine Haltungen rechtfertigen zu müssen, weil ich damit angeblich Leuten auf den Schlips trete, während ich in drei Zeilen zu hören kriege, dass ich ja
eigentlich nur ein schwarz-weiß Denken habe.
Gut gebrüllt, Löwe.
Ich verstehe ehrlich gesagt dein Problem nicht. Ich habe meine Position doch nun schon in meinen ersten drei Beiträgen hinlänglich und für jedermann - vor allem aber für Akademiker!

- verständlich dargestellt. Oder nicht?
Da schwingt auch überhaupt keine Note mit. Im Endeffekt habe ich nichts weiter getan, als meinen Unmut über unreflektierte positive Reaktionen zu Gewalt kundzutun.
Für die Grundschüler unter uns:
Suitemeister: Gewalt gegen Politiker ist doof!
slowdive, Quadro und Stebbie: Let's talk about subjektive, objektive und strukturelle Gewalt und warum das alles gerechtfertigt ist - ein Essay.
Sorry, aber wenn wirklich jede Diskussion dieser Art nach drei Posts ein politik- oder sozialwissenschaftliches Studium vorausetzt um ihr folgen zu können, dann ist und bleibt die Diskussion eben genau das, was ich oben geschrieben habe: ein akademischer Circle Jerk.
Du musst dich dafür auch nicht entschuldigen und ich habe auch niemandem schwarz-weiß-Denken vorgeworfen. Man kann aber - und das Tambourine Man gut ausgeführt - so eine Diskussion auch mit etwas weniger -für mich vagen - (Fach-)Begriffen führen. Dann ist diese Debatte auch weniger exklusiv.
(Und spätestens jetzt ärgere ich mich darüber, dass wir hier eben genau das machen, was ich oben noch bemängelt habe: ne Meta-Diskussion führen)