Wishkah, Fipsi und ich haben mal unsere Gedanken zu Joanna Newsoms Auftritt zusammengetragen.
Datum 25.02.16
Ort: Kmapnagel, Hamburg
Häufig hat man das Glück Joanna Newsom auf einem ihrer Konzerte zu sehen nicht, insbesondere Hamburg war mit zwei krankheitsbedingten Absagen in der Vergangenheit vom Pech verfolgt. Nach ihren Auftritten in Köln und Berlin im letzten Jahr spielt die Harfenistin und Multiinstrumentalistin nun also nach fast sechs Jahren endlich auch wieder in der Hansestadt.
Das K6 auf Kampnagel ist gut gefüllt aber nicht ausverkauft, nur die Tribüne ist besetzt, der ebene Teil ist unbestuhlt, die Bühne ein wenig weiter vorn als bei anderen Konzerten. Die Breite der ebenerdigen Bühne ist für das Konzert ideal, stehen doch auf der Bühne an die 20 verschiedene Instrumente für Joanna Newsom, ihre vierköpfige Band und Support Robin Pecknold.
Dieser, seines Zeichens Frontmann der Folk Band Fleet Foxes, eröffnet den Abend Solo, nur mit Gitarre und Loop Maschine. Anders als es seine Position als Ikone des modernen amerikanischen Folks vermuten lässt, ähnelt er nicht mehr Justin Vernon oder Jeff Mangum, sondern viel mehr Chris Martin. Äußerlichkeiten sind hier aber sowieso Nebensache. Pecknold spielt seine neuen (und älteren) Solosongs, die im Vergleich zu den Songs seiner Band reduzierter und geradliniger sind und damit weiter in Richtung klassischer Singer/Songwriter Stücke gehen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten mit der Technik ist der Rest des Auftritts ein schönes, wenn auch kurzes, hauptsächlich von Gesang getragenes Konzerterlebnis, dass die üblichen Erwartungen an einen Support deutlich übertrifft. Der Einsatz der Loop Station erzeugt in manchen Momenten sogar das Gefühl eine ganze Band vor sich zu haben. Die ruhigeren Passagen erzeugen aber, in erster Linie dank Pecknolds einzigartiger Stimme, ein deutlich wohligeres Gefühl.
Nach kurzer Pause betreten dann Joanna Newsom und Band unter Applaus die Bühne. Sie trägt ein wallendes rot-weißes Kleid und Schuhe bei denen sofort die Frage aufkommt, wie man damit Klavier spielt. Ihr Bruder Pete, hauptsächlich verantwortlich für Schlagzeug und Keyboard muss sich mit solchen Fragen nicht herumschlagen. Er trägt gar keine Schuhe. Der erste Song „Bridges and Balloons“ beginnt noch verhalten und mit letzten Sound Korrekturen. Beim zweiten, und gleichzeitig ersten Stück des neuen Albums „Anecdotes“ wird das Spiel der fünf Musiker_innen deutlich intensiver. Joanna Newsom wechselt im Song zwei Mal zwischen Klavier und Harfe, Gitarrist Ryan Francesconi hat ein gutes Dutzend Instrumente um sich herum verteilt und spielt diese im ständigen Wechsel. Die beiden Violinistinnen spielen im Wechsel, dann gemeinsam und steigen später als Background Stimmen ein. Das Timing ist perfekt. Die Band ist deutlich besser eingespielt als noch bei den Konzerten im letzten Jahr, insbesondere die neuen Songs sind jetzt präziser gespielt und aufeinander abgestimmt. Die einzige, die mit dem Klang nicht völlig zufrieden ist, ist Joanna Newsom selbst. Mehrfach stimmt sie ihre Harfe nach, füllt die entstehenden Pausen allerdings mit fröhlichen Q&A Sessions mit dem Publikum. Dadurch erfährt man unter anderem, dass sie großer Fan der Komponistin Ruth Crawford Seeger ist.
Abgesehen von diesen Stimmpausen läuft der Auftritt ohne Pausen ab. Die Songs sind zwar klar abgetrennt, allein schon weil sie an Komplexität kaum zu überbieten sind und die Band insbesondere nach den längeren Stücken wie „Monkey & Bear“ oder „Have One on Me“ einfach eine kurze Pause braucht um sich zu sammeln. Scheinbar beherrschen alle in der Band nahezu alle Instrumente. Wiederkehrerin Veronique Serret und Ryan Francesconi spielen gemeinsam Blockflöte und Kalimba, ein nussschalenähnliches Tasteninstrument. Letzterer ist an manchen Stellen sichtbar nicht ganz sicher welches Instrument er als nächstes einsetzen muss. Bei der Menge die er um sich verteilt hat kann man das nur allzu gut nachvollziehen, Pete Nowsom wechselt zwischen Schlagzeug, Keyboard und Klavier, aber auch Violinistin Mirabai Peart beherrscht die Tasteninstrumente. Während der Single zum aktuellen Album „Sapokanikan“ spielt sie sogar insgesamt drei verschiedene Instrumente. Trotz der diversen Wechsel wirkt das Geschehen auf der Bühne zu keiner Zeit hektisch. Alle beteiligten beherrschen ihre Instrumente mit virtuoser Präzision, insbesondere wenn Pete Newsom Schlagzeug spielt, sticht sein klares Spiel heraus.
Die virtuoseste von allen ist aber die Protagonistin selbst, insbesondere, wenn sie an der Harfe spielt. Sie beherrscht sie, bis in die letzte Facette, kann jeden gewünschten Ton fehlerfrei herauskitzeln und stellt damit sogar ihre fantastische Band in den Schatten. Trotz der überragenden Fähigkeiten aller Beteiligten an ihren jeweiligen Instrumenten, ist das zentrale Organ des Konzerts Joanna Newsoms Gesang. Gepaart mit ihren mythisch-fabelhaften Texten, verworren und verschachtelt, trägt ihre Stimme die Songs noch über die Instrumente hinaus. Deutlich wird das vor allem im ersten Song der Zugabe „A Pin-Light Bent“, den sie allein mit ihrer Harfe spielt. Der Song steht den anderen in nichts nach und ist geradliniger statt in alle Richtungen auszubrechen. Beides passt perfekt in den Auftritt. Nach mehr als zwei Stunden Spielzeit ist Schluss und Joanna Newsom und ihre Band werden mit Standing Ovations verabschiedet. Das war kein Konzert wie jedes andere. Das war einzigartig.