Ich war am Sonntag bei
Bring Me the Horizon in der Frankfurter Festhalle. Hatte mir nach Slipknot in 2020 eigentlich geschworen, diese Halle nicht mehr für Gitarrenbands zu betreten, weil der Sound damals wirklich nicht gut war. Hatte auch ursprünglich Tickets für Stuttgart, aber nachdem die Tour verschoben und der Frankfurt-Termin nachgeschoben und auf ein Wochenende gelegt wurde, war die Versuchung doch zu groß. Die ganze Tour verkauft sich ziemlich gut. Jede Stadt ist ausverkauft und Tickets auf dem Zweitmarkt zu ergattern scheint wohl gar nicht so einfach zu sein. Wenn die Entwicklung so weitergeht, dann muss hier eigentlich demnächst der Sprung zum Headliner auf den großen DE-Festivals folgen.
Ansonsten noch zwei positive Entwicklungen zur Festhalle: Es gibt mittlerweile die Option, Getränke in Mehrwegbechern zu erwerben, allerdings nur, wenn man explizit nachfragt. Weiß nicht, ob das Teil dieser neuen gesetzlichen Verpflichtung ist und besser wäre es natürlich andersrum (bzw. komplett auf Mehrwegbasis), aber besser als nix. Außerdem hat man jetzt einen Großteil der Garderobe in einen riesigen Lagerraum verfrachtet, sodass das bisherige Gequetsche der Vergangenheit angehört. Dort ist es zwar arschkalt, aber dank ausreichendem Platz und Personal ging Abgabe und Abholung der Jacken super zügig. Wenn man jetzt noch vernünftig kommunizieren würde, dass die Farben auf den Märkchen für die Schlange stehen, an der man sich nach dem Konzert anstellen muss und auch noch irgendwo hinschreiben würde, welche Schlange für welche Farbe steht, dann wäre es echt perfekt. So waren bei der Abholung alle ziemlich lost und mussten sich oft mehrfach neu anstellen.
Zur ersten Band
Static Dress kann ich nicht viel sagen. Die Spielzeit war mit gut 20 Minuten relativ kurz und durch das Anstehen vor der Halle haben wir nur noch den letzten Song mitbekommen. Ging in die Post-Hardcore-Richtung, Sound war Festhallen-typisch eher schlecht. Ich weiß auch nicht, was ich vom 3-Supports-Trend halten soll. Ist zwar schön, dass man was für sein Geld bekommt, aber zieht solche Abende auch ziemlich in die Länge. Klang aber nicht verkehrt.
Der Gig von
POORSTACY im Anschluss war locker in der Top 10 der schlechtesten Konzerte meines Lebens. Der Typ ist ein Soundcloud-Rapper, der in den letzten Jahren wohl einen Wandel zur rockigen Klängen vollzogen hat. Sound war dementsprechend ein bunter Mix aus Post-Hardcore, Dance-Punk, Emo Rap und Pop-Punk (Travis Barker-Affiliation ist natürlich auch vorhanden). Problem war nur, dass der Typ null Bühnenpräsenz hatte, mit seinem tief ins Gesicht gezogenen Hoodie ziemlich verloren auf der Bühne rumstand und wirkte, als hätte er sich vorher zu viele Pillen eingeschmissen. Wenn man den ersten Song nach ein paar Sekunden abbricht, weil einem die Leute, die offensichtlich nicht für ihn da waren, nicht genug abgehen, dann ist das einfach nur peinlich. Ansonsten gab es auch keine Worte ans Publikum, zwischen den Songs war entweder merkwürdige Stille oder vom Gitarristen wurden random irgendwelche Noten gespielt, was echt weird klang. Zudem hat die alles andere als tight gespielt. Dazu kam natürlich noch, dass der Sound auch absolut unterirdisch war. Der Gitarrist hat alles versucht, um den Gig zu retten und das Publikum regelmäßig zum Klatschen animiert. Erstaunlicherweise haben relativ viele Leute auch prompt mitgemacht und ich bin mir nicht sicher, ob ich das treudoofe "Befolgen" solcher Animationsversuche jetzt positiv und negativ bewerten soll. Ich habe exakt 3 Personen gesehen, die offensichtlich Fans waren und den Gig abgefeiert haben. Der Rest war einfach nur froh, dass es vorbei war.
Vor
A Day to Remember ist mir dann eines der dümmeren Missgeschicke der letzten Monate passiert. Nach einer Toilettenpause wollte ich wieder zu meiner Gruppe zurück, von der ich wusste, dass sie kurz vor dem Wellenbrecher stand. Irgendwann ging es nicht weiter, man konnte sich nicht weder vor noch zurück bewegen und es war super eng. Einige Mädels haben mir echt leid getan, hab seit Rock am Ring 2008 am Metallica-Tag nicht mehr so ein Gequetsche erlebt und damals wurde aufgrund dieser Situation immerhin das berüchtigte Ampel-System eingeführt.

Dass ich gefühlt etwas näher an der Bühne dran stand, kam mir zwar etwas komisch vor, die bahnbrechende Erkenntnis, dass es offensichtlich drei und nicht zwei Zuschauerbereiche gibt und meine Freunde nicht im ersten, sondern im zweiten Brecher stehen, kam mir aber erst im Laufe des ersten Songs
"The Downfall of Us All".

Habe es dann exakt für diesen Song vorne ausgehalten und mich dann versucht, wieder aus der Menge rauszukämpfen, was zwei weitere Songs beansprucht hat. Danach war ich ganz schön fertig mit den Nerven und hab erst mal 10 Minuten gebraucht, um wieder klar zu kommen. Keine Ahnung, wie man sich das vorne länger als ein paar Minuten geben kann. Hab mir den Auftritt dann mit meinen Freunden (die ebenfalls aus ihrem Bereich raus sind) von der Seite angesehen. War natürlich nicht so ein guter Spot, aber den Umständen entsprechend ging das schon klar. Der Gig hat viel Spaß gemacht, mit einer knappen Stunde war alles auch schön komprimiert und auf die Hits fokussiert, die natürlich immer noch zünden. Daher möchte ich an dieser Stelle vor allem den Song
"Resentment" von der 2021-Platte erwähnen, der live wirklich stark war. Überrascht hat mich auch die Marshmello-Kollaboration
"Rescue Me", der ich (wie allen Songs dieses Herren) sehr skeptisch gegenüberstehe, die live aber erstaunlich gut funktioniert hat. Von der zweiten Platte haben es dagegen gar keine Songs mehr ins Set geschafft, hat mich aber gar nicht gestört. War ein sehr Nostalgie-getriebener Gig, zu
"If It Means a Lot to You" hat das ganze Publikum mitgesungen. War ein schöner Gig!
Für
Bring Me the Horizon haben wir uns umpositioniert und einen schönen Spot gefunden. Was uns dann aber für eine Show erwartet hat, damit hatte ich nicht gerechnet (Spoilerwarnung an der Stelle, falls man sich die aktuelle Tour noch anschauen möchte). In Anlehnung an die aktuelle Platte "POST HUMAN: SURVIVAL HORROR" hat man ein komplett eigenständiges Show-Konzept entwickelt. Auf einem fetten Videoscreen als Backdrop wurde man u. a. von einem Roboter und diversen weiteren Kurz-Clips durch die Show geleitet. Für fast jeden Song gab es ein eigenes Video-Intro und natürlich zu jedem Song eigens zusammengestellte Visuals. Zum Teil waren da einige lustige Ideen dabei ("zero moshpits detected", eine Schritt-für-Schritt-Anleitung für Circle Pits, ein fingierter Virus-Angriff mit Windows-Absturz vor
"Parasite Eve" usw.). Vieles hat mich an eine klassische durchkonzipierte Pop-Show a la Dua Lipa erinnert. Abgesehen von der immensen Produktion wurde jedoch eine normale Metalcore-Show geboten. Wenn ich das Konzert aber mit dem letzten Frankfurt-Gig 2018 in der Jahrhunderthalle vergleiche, dann liegen dazwischen Welten. Gefällt vielleicht nicht jedem, einigen ist evtl. zu aufgeblasen, aber mMn haben sie genau die richtige Entscheidung getroffen, in so großen Hallen die Show auf das nächste Level zu heben.
Nachdem man vom Intro schon völlig geplättet war, ging es mit
"Can You Feel My Heart" (inkl. Konfetti) und
"Happy Song" direkt in die Vollen und ich hätte mir keinen besseren Beginn vorstellen können. Der Sound klang für Festhallen-Verhältnisse richtig gut, die Menge war direkt dabei und die Band bestens aufgelegt. Aus heutiger Sicht unvorstellbar, dass sich vor gar nicht so vielen Jahren noch viele über die schlechten Live-Qualitäten von BMTH und insb. Oli beschwert haben. Das war großes Kino. Das hohe Niveau des Beginns konnte man natürlich nicht über die komplette Laufzeit halten. Dafür ist die Diskographie der Band für mich auch von zu vielen Stilwechseln und Experimenten durchzogen. Vor allem die beiden neuesten Songs sind mir zu poppig-gefällig produziert, wogegen Songs der ebenfalls poppigeren, aber von spannenderen Ansätzen durchzogenen Platte "amo" leider fast komplett ausgespart wurden (
"mother tongue" oder
"wonderful life" hätte ich wirklich sehr gerne gehört). Insbesondere Fans der frühen Bandtage kamen erwartungsgemäß überhaupt nicht auf ihre Kosten, denn irgendwelche Alibi-Deathcore-Songs hat man sich im Set diesmal gespart. Auch wenn ich mich über den einen oder anderen Song von "Suicide Season" gefreut hätte, muss ich sagen, dass solche Lieder einfach nicht mehr zu einer solchen ausproduzierten Show passen. Vielleicht gibt's ja irgendwann nochmal eine Back-to-the-roots-Tour mit alten Songs in kleineren Locations, aber ich glaube eigentlich nicht, dass die Band da noch Bock drauf hat. Wenn man noch Kritikpunkte finden möchte, dann die etwas kurze Spielzeit mit knapp 90 Minuten, die nur für 15 Songs gereicht haben (die Videoclips fressen da einiges an Zeit auf). Auch die Tatsache, dass im Vergleich zur letzten Festivaltour keine neuen Songs ins Set gerutscht sind, haben vielleicht einige gestört, die sie zuletzt auf Festivals gesehen haben. Bei einigen wenigen "komplexeren" Songs wie
"Dear Diary," (inkl. Slayer-Gedächtnis-Solo) kam dann leider auch die Festhalle wieder an ihre Grenzen und der Sound wurde ziemlich matschig. Das waren die wenigen Momente, in denen man sich doch wieder die Jahrhunderthalle zurückgewünscht hat.
Emotionaler Höhepunkt war für mich natürlich wieder
"Drown", da brechen bei mir einfach alle Dämme.

Auch die Teenie-Mädels in den ersten Reihen kamen natürlich auf ihre Kosten, als Oli bei
"Follow You" auf Tuchfühlung ging. Bin stets aufs Neue überrascht, dass da Jahr für Jahr immer neue nachkommen, obwohl der gute Mann mittlerweile langsam schon auf die 40 zugeht. Auch ansonsten war das Publikum zwischen Fans der ersten Stunde und der neuesten TikTok-Generation gut durchmischt.
Ein Kumpel von mir hat es nach dem Konzert treffend beschrieben: "Ich glaube, selbst wenn mir das nächste Album gar nicht mehr gefällt, würde ich mir trotzdem wieder Tickets kaufen." Die Band hat ein Produktionsniveau erreicht, das in der Metal-Szene eine seltene Ausnahme darstellt. Ähnlich wie Parkway Drive bringen BMTH sich hier klar in Stellung als die nächsten großen Headliner auf deutschen Bühnen und ich finde es spannend, dass sie es mit ihren durchkonzipierten Videos und Visuals auf einem ganz anderen Weg versuchen als PWD, die ja mehr ein "Rammstein light"-Konzept mit beweglichen Bühnenkonstruktionen und viel Pyro umsetzen. Werde auf jeden Fall versuchen, die nächste Tour wieder mitzunehmen. Wenn möglich, dann aber bitte wieder in einer anderen Halle.