Zunächst mal überblicksweise, was ich alles gesehen habe in chronologischer Reihenfolge:
Dinosaur Jr., Kacey Musgraves (teilweise), Charli XCX, 100 Gecs, Hannah Diamond, Otoboke Beaver (tlw.), DJ Shadow (tlw.), Beach Bunny, Weyes Blood (tlw.), Fontaines DC, Parquet Courts, The National (tlw.), Caribou, Jamie xx, Maricas & ISAbella, Die Katapult, Dreamcatcher (tlw.), Black Country New Road, Caroline Polachek, Gorillaz, Tyler the Creator, Kero Kero Bonito (Club-Show), Noga Erez (Club-Show), PC Music presents Acid Angel (mit Putochinamaricón, Easyfun, Namasenda, Hyd, Hannah Diamond, A.G. Cook, Kero Kero Bonito & 100 Gecs) (Club Show), Gilles Peterson (tlw.), Sofia Kourtesis, Ashnikko, Charli XCX, 2ManyDJs, Hurray for the Riff Raff (tlw.), Brittany Howard, Lorde, The Strokes, M.I.A. (tlw.), Run the Jewels, Genesis Owusu, Angel Bat Dawid, Sky Ferreira, Mogwai (tlw.), Courtesy (tlw.), Fred Again.. (tlw.), Jessie Ware
Zunächst mal zudem, was musikalisch eher negativ war. So Sachen wie Black Country New Road, Weyes Blood, Brittany Howard und einige andere zähle ich mal nicht dazu. Das waren sicher keine schlechten Konzerte, sondern einfach für mich musikalisch uninteressante Acts, bei denen ich zufällig vor der Bühne saß und gegessen habe oder wo mich die frühabendliche Gruppendynamik hin manövriert hat. Schlechte Konzerte, bei denen ich zumindest eine gewisse Erwartungshaltung hatte, gab es eigentlich nur zwei – und die hat Lewis mit „die Zeit der arroganten Indie-Macker ist vorbei“ schon ganz gut beschrieben. Zum einen die Gorillaz. Die habe ich – gefühlt entgegen der meisten hier – am ersten und nicht am zweiten Wochenende gesehen und hier war Damon Albarn noch nicht ganz so druff – immerhin. So richtig festmachen kann ich es nicht mal argumentativ, aber die ganze Show hat von A bis Z nach uninspirierter Midlife-Crisis geschrien für mich. Wenig tighte Band, gelangweilt wirkender Damon, Stimmung so lala. Nicht wirklich furchtbar, aber gerade im Vergleich zum darauffolgenden Tyler, the Creator-Gig schon verdammt blutleer. Reine Nostalgie-Befriedigung – und dann nichtmal wirklich gut. Der andere Gig war der von den Strokes. Die waren, wenn sie denn mal gespielt haben, musikalisch zwar ziemlich on Point und gut, aber alles, was zwischen den Songs passiert ist, war wirklich unerträglich. Klar, Julian Casablancas war jetzt nie ein großer Sympathienträger, aber die machohaften, unlustigen, bescheuerten Ansagen hier nach jedem einzelnen Song. Einfach schlimm. Gerade nachdem Lorde vorher gespielt hat, wünschte man sich umso mehr, dass dieser Typus Rockstar-Gehabe einfach nur noch im Klo der Popgeschichte runtergespült wird. Zu spät angefangen und dann ganze 13 ~3-Minuten-Songs geschafft in 75 Minuten, weil so viel Müll geredet wurde zwischendurch. Not good.
Das war’s aber auch schon. Bei allen anderen Konzerten, die ich mir ganz bewusst angeschaut habe, hatte ich mindestens eine gute, meist sogar eine sehr gute Zeit. Die Dichte an wirklich coolen, interessanten und kurzum guten Konzerten war (mal wieder) extrem hoch – wie eigentlich immer für mich. Egal, ob es jetzt der großartige Abriss bei Parquet Courts, der besten Gitarrenband, die wir aktuell haben, war, das unerwartet coole Club-Konzert von Noga Erez, von der ich vorher nur wenig kannte, ein smoothes Eingrooven direkt am Strand zu Sofia Kourtesis, das perfekte Popkonzert von Caroline Polachek oder der (für mich überraschend) tanzbare Rausschmeißer schlechthin: Jessie Ware, meine „Entdeckung“ des Wochenendes. Musikalisch geht über dieses Festival einfach absolut gar nichts für mich. Trotzdem will ich nochmal ein paar Gigs rauspicken, die mich aus unterschiedlichen Gründen – musikalisch, stimmungstechnisch, in bestimmten Kontexten oder einfach vom allgemeinen Vibe her – nochmal besonders gepackt haben. Lorde hat für mich den besten Auftritt des Festivals gespielt und war für mich eines der schönsten Konzerterlebnisse, das ich je hatte. Alles andere einfach ungeranked.
Lorde (Weekend 2)
Allein die Rahmenbedingen waren perfekt. Lorde hat den 21:30 Slot gespielt und auf dem Primavera heißt das, wenn du vor der Hauptbühne stehst: Links von dir siehst du das Meer über dem langsam der Mond aufgeht, rechts von dir geht die Sonne hinter der Skyline von Barcelona langsam unter. Atmosphärisch as fuck. Es war ein wet hot Summer-Day, ich saß früh mit lieben Menschen vor den Hauptbühnen, es gab kaltes Aperol und zur Einstimmung spielten Hurray for the Riff Raff ihre schönen Contemporary Folk-Songs im Hintergrund. Der Vibe war wundervoll, der Kontext perfekt. Das allein hätte schon gereicht, ist aber wohl doch nur die halbe Wahrheit, wenn ich darüber nachdenke, warum das alles am Ende so, soooo unendlich gut war.
Die andere Hälfte liegt in der Bedeutung, die die Musik von Lorde in den letzten zwölf plus ein wenig Monaten für mich gespielt hat. Zugegebenermaßen habe ich mich lange ein wenig schwer getan mit ihrer Musik. Klar, ich mochte immer, was ich da höre, aber mehr war dann irgendwie doch nicht da. Anfang des letzten Jahres lief dann im Privaten sehr vieles (eigentlich fast alles) ziemlich aus dem Ruder. Ultraschlimme Trennung, Krankheitsfälle in der Familie, Corona-Background-Blues. Alles überlappend, alles scheiße. Im Ergebnis war ich irgendwann ziemlich am Ende und es ist etwas passiert, was so noch nie da war: Ich habe aufgehört Musik zu hören. Quasi komplett und über mehrere Monate. Nicht als bewusste Entscheidung, sondern einfach so. Ich war nie in Stimmung, komplett leer. Aber dann, irgendwann und aus welchen Zufällen auch immer, habe ich „Solar Power“ gehört, die Vorabsingle vom aktuellen Lorde-Album – und war angepisst, weil ich den Song scheiße fand. Also wirklich. Damals dachte ich, es läge nur an den Akustik-Gitarren und der hippie-esken Attitüde, heute aber glaube ich, es hatte in einem nicht grade unerheblichen Maße damit zu tun, dass mich so rundum positive Musik damals nur noch kaputter gemacht hat. Aber hey, ich habe zum ersten Mal seit längerem überhaupt wieder etwas gespürt durch Musik. Es ging voran. Irgendwas daran hat mich jedoch direkt danach dazu bewogen zurückzukehren zu Melodrama, dem Vorgängeralbum, in dem Trennungen verarbeitet und neue Euphorien gesucht wurden. Und das war ein Match, denn genau in dieser Phase befand ich mich: Irgendwo noch immer komplett am Arsch, aber langsam auch wieder in der Lage ein Stück weit nach vorn zu schauen. Das alles hat bei mir eingeschlagen, wie kaum etwas zuvor. „Hard Feelings/Loveless“ und vor allem „Supercut“ als Vergangenheitskonfrontation, „Perfect Places“ und „Green Light“ für den Kick in die Zukunft. Über Monate ging das so und gab mir letztlich meine Leidenschaft für Popmusik zurück. Und noch viel mehr. Mittlerweile geht’s mir deutlich besser und sogar mit den Songs von Solar Power habe ich mittlerweile Frieden geschlossen. Durch den sommerlich warmen Frühling mögen wir uns teilweise sogar sehr inzwischen. Soweit zum mittelmäßigen Serienflashback, der auserzählt, was ihr vielleicht nie wissen wolltet.
Da stehe ich nun also in Barcelona vor der Bühne, das Katapult-ähnliche Dings, das die einfach, aber stillvolle Bühnendeko ist, dreht sich, Lorde steht drauf und das Konzert geht los. Und ich bin sowas von drin von Sekunde eins an. „Homemade Dynamite“, das unwüstlich-schöne „Ribs“, „Mood Ring“, der beste Song des aktuellen Albums, „Cruel Summer“, ein Bananarama-Cover, hier zum ersten Mal überhaupt gespielt und passender nicht hätte sein können, und noch so viel mehr. Was für eine Künstlerin. Noch nie habe ich so viele Smartphone-Konzert-Videos von jungen Frauen ruiniert, wie durch meinen schrägen Gesang hier und jetzt. Aber ich weiß, es ihnen egal, denn um mich herum haben gerade alle in ihrem Singen, Tanzen und – es immernoch ein Popkonzert – Kreischen die absolute Zeit ihres Lebens. Was für einmalig tolle Vibrationen mich hier umgeben. Dann irgendwann kommt „Supercut“ und direkt danach „Perfect Places“ und ich kann ganz bestimmt sagen, dass ich noch so hemmungslos geheult habe inmitten von Menschen. Erst vor Melancholie, danach vor purer Glückseligkeit. Und ich bin nicht allein. Die Frau neben mir hatte es schon zwei Songs davor, zu „Liability“, zerrissen und sie ist mir – jemand völlig fremden – in die Arme gefallen. Irgendwann später „Green Lights“, um mich herum werden Lichter gezündet – Mini-Bengalos, Riesenwunderkerzen, I don’t know – und alles löst sich pünktlich zu Reinkicken von einem der besten Pop-Refrains aller Zeiten in pure Ekstase auf. Den Abschluss bildet dann „to calm a little down“, wie Lord selbst sagt, „Solar Power“. Der Song, den ich anfangs so furchtbar fand und der mich nun – ein Jahr später – auf die wohl allerbeste Art in eine der schönsten Sommernächste des Jahres entlässt. That’s it.
Klingt das nun etwas drüber und pathetisch? Vermutlich. Und der ein oder andere routinierte Berufszyniker hier wird das alles vermutlich „peinlich“ oder sonst irgendwas finden. I don’t care. Ich bin einfach froh, dass ich auch nach so vielen Jahren des Musikhörens und Konzertbesuchens noch immer solche Gefühle entwickeln kann, wenn es um Pop geht. Dass inmitten all der Routine, die sich – und gucke ich mir hier so um, bin ich sicher nicht allein damit – mit der Zeit entwickelt noch immer solche „ersten Male“ möglich sind. Solche life-changing Konzerterlebnisse. Liebe alles daran. Werde es hoffentlich immer tun.
Kero Kero Bonito (Ciutat)
Bevor ich über den eigentlichen Abend schreibe, möchte ich nochmal ein, zwei Gedanken zu den Club-Konzerten allgemein äußern, die ja anscheinend für nicht unerheblichen Frust gesorgt haben. Das soll jetzt kein Guide oder Tutorial sein, sondern einfach zeigen, warum es für mich und auch viele andere aus meiner Gruppe dennoch ein schönes Erlebnis war. Und das lag glaube ich an unserer Herangehensweise, die an diesem Abend exemplarisch war: Wir sitzen also in unserem Apartment nachdem wir den ganzen Abend am Strand von Badalona etwas außerhalb der Stadt damit verbracht haben, schwimmen zu gehen, Bier zu trinken, 5000 zu spielen und einfach eine gute Zeit zu haben. Sonnenbetankt zurück in die Wohnung kommen, zusammen kochen, weiter würfeln, von Bier auf Sekt umsteigen und plötzlich ist es fast 1 Uhr. Die meisten haben ihre Ausgehpläne schon begraben, aber ich und eine kleine Gruppe findet noch ein Quäntchen Restmotivation, zu versuchen Kero Kero Bonito im Razzmatazz zu sehen. Davor spielt Beck und die Publikumsüberschneidung könnte klein genug sein, um doch noch reinzukommen. So argumentieren wir zumindest, auch wenn wir so ganz selbst nicht dran glauben. Aber hey, für den Fall, dass wir nicht reinkommen, haben wir Bier dabei und setzen und bei nächtlichen 22 Grad an den Strand von Barcelona. Könnte schlimmer sein. Win-Win.
Mit dieser Aussicht machen wir uns also halbbetrunken auf den Weg und wähnen uns gedanklich schon halb auf Kurs Strand, als wir die lange Schlange sehen. Aber trotzdem mal versuchen. Und zack, alles geht plötzlich superschnell aus irgendwelchen Gründen und wir stehen pünktlich zu Song 1, „Lipslap“, überglücklich direkt vor der Bühne. Klar, so wird es nicht immer laufen. Aber der Punkt bei uns war, dass wir das alles eher als Bonus gesehen haben und einen sehr schönen Alternativplan hatten. Auch wenn wir nicht reingekommen wären, gefrustet wären wir wohl nicht gewesen. Glaube mit so einer „Es ist ein netter Bonus“-Herangehensweise hatten wir ein gutes Festival – auch in der Woche.
Aber gut, Kero Kero Bonito. Eine meiner absoluten Lieblingsbands (mein Twitterhandle ist literally eine Anspielung auf die Band) und sicher auf eine meiner meistgehörtesten in den letzten Jahren. Und was kommt, ist ein absolutes Hit-Set. Die Crowd ist – wie für PC Music-Acts üblich (dazu später mehr) – komplett drin und involviert, dabei aber gleichzeitig auch total rücksichtsvoll. „Break“, einer meiner Lieblinge, das herrlich abseitige „Bugsnax“, Abriss bei „Only Acting“ und als Zugabe „Trampolin“ als dancigen Rausschmeißer, nachdem aber wie auf wunderbar freundlicher Watte landet, „Trampolin“.
Das Konzert war insbesondere durch unsere eigenen Umstände superschön, aber so richtig besonders und wunderlich wurde es erst danach. Wir kommen also supereuphorisch aus der Location, fahren 45 Minuten quer mit dem Nachtbus zurück zu unserem Apartment und beschließen vor dem Schlafengehen noch ein Eis am Späti zu essen und daher eine Station früher auszusteigen. Da steigen wir jetzt also aus und wer steht vor dem Späti quasi direkt vor uns: Die Band. Kero Kero Bonito. Konnte es selbst glauben und habe daher ein bisschen schüchtern und peinlich berührt nachgefragt, aber ja: There they are. Haben dann noch ein bisschen mit der Band über das Konzert geplaudert und die bevorstehende PC Music-Night und es war einfach nur total lieb und nett. Zum Schluss noch ein schönes Foto gemacht. Was für ein cooler Abend.

PC Music presents Acid Angel (Ciutat)
Möchte hier gar nicht so viel über die Schlangensituation und die – as usual – unfähige Kommunikation seitens des Festivals sprechen – das wurde schon hinreichend und völlig zurecht getan–, sondern eher über die PC Music-Crowd. Denn die ist wirklich besonders und ich hatte das große Glück, diverse Konzerte mit ihr gemeinsam zu erleben – auf der großen Hauptbühne bei Charli XCX, bei 100 Gecs und Caroline Polachek, im kleineren Rahmen bei Hannah Diamond oder eben hier bei der eigens kuratierten Label-Nacht. Ich habe, glaube ich, wirklich noch nie ein Publikum erlebt, dass einerseits so krass ekstatisch ist, aber gleichzeitig auch so offen und rücksichtsvoll miteinander umgeht. Jedes Mal eine ganz besondere Freude. Hier ist es wirklich komplett egal, ob und welchem Geschlecht du dich zugehörig fühlst, ob du lieber in Jeans und Shirt, komplett aufgebrezelt oder fast ganz ohne Kleidung du die Gegend läufst und was du sonst noch für Merkmale an und in dir trägst, für die du in der Mehrheitsgesellschaft leider noch immer sanktioniert werden würdest. Habe mich wirklich noch nie so frei gefühlt bei einem Konzert. Superschön.
Der Abend an sich war musikalisch auch richtig toll, wenngleich ich mir fast gewünscht hätte, dass statt der relativ „normalen“ (was auch immer das bei einem 100 Gecs-Konzert heißen mag) Konzerte noch etwas mehr experimentiert und kollaboriert worden wäre. Kero Kero Bonito haben zum Bespiel genau das gemacht – und es war natürlich direkt das Set, dass in unserer Gruppe am schlechtesten wegkam. Ich fand es aber trotzdem super. Ist aber auch Kritik auf ganz hohem Niveau, denn es war richtig toll. Die Acts, die ich vorher nicht so richtig gut kannte, wie Namasenda und Hyd (inkl. tollen Nick Cave-„Into My Arms“-Cover) als auch Everybody’s Darlings A.G. Cook, Easyfun, Hannah Diamond, KKB und Co. Bonus Punkte für den Moment, als Charli beim A.G. Cook-Set plötzlich auf der Bühne stand, "Focus" und "Tears" gespielt wurde und das Publikum um mich herum fast komplett kollektiv kollabierte vor Freude.
Das alles war als Gesamtkonzert total cool, müsste ich aber etwas rauspicken, wären es die Gigs von Hannah Diamond und 100 Gecs. Erstere ist ja soetwas die das Postergirl des Labels, wenn es um Verbundenheit und Involviertheit geht, nicht um Größe (das wäre Charli). Und man hat es gemerkt. Ihr Festival-Gig war schon toll, aber was hier an Sing-Alongs, Tanzbarkeit und einfach permanent-überschäumender Stimmung los war, war schon etwas ganz Besonderes. An alle, die auch nur entfernt an moderner, interessanter Popmusik interessiert sind: Here you go. Die beiden Festival-Gigs haben ihre Oeuvre für mich auch noch einmal auf ganz neue Höhen emporgehoben. 100 Gecs dann einfach mit dem Komplettabriss. Was war das denn bitte? Punkiger als deine Lieblingspunkband, tanzbarer als dein Lieblingsdanceact, weirder als David Lynch-Filme und sympathischer als der Hund deiner Freundin (ok, unentschieden). Der Festivalgig war schon crazy mit crowdsurfenden Rolli-Fahrer*innen und Co., aber hier wurde der Siedepunkt trotzdem nochmal ein paar Grad nach oben verlegt – und die Crowd dennoch gekocht. Dorian Electra habe ich mir danach geklemmt und bin lieber heim, das High war einfach auf dem perfekten Level angekommen.
Genesis Owusu & Angel Bat Dawid (Weekend 2)
Die beiden habe ich mal rausgepickt, einfach weil sie ziemlich repräsentativ sind für eine ganze bestimmte Primaveraerfahrung, die ich dort immer wieder mache: Mit die schönste Zeit hat man oft zum Tageseinstieg, wenn die Sonne noch knallt und der Wegsekt ebenso und man dadurch mit genau dem richtigen Level an beschwipster Euphorie durchs Eingangstor schlendert. Das Festivalgelände ist noch leer, weil die meisten noch in ihren kühlen Appartements chillen (ich ja auch meistens um die Zeit), aber diejenigen, die schon da sind, haben meistens auch richtig Bock.
Dass dann mit Genesis Owusu einer der coolsten und sicher auch tanzbarsten Newcomer spielt, die wir aktuell so haben, ist dann natürlich zusätzlich hilfreich. Wenig Leute vor der Stage, aber alle haben Bock – wie auch der Künstler selbst. Das Debütalbum hatte ja im letzten ja gefühlt auch einen klitzekleinen Forumshype, sodass sich eine movierte Forumscrew eingefunden hat und der Moshpit – ja Moshpit – eröffnet wurde. „Don’t Need You“, „A Song About Fishing“, „Drown“. Hit an Hit und Musik, die vom Indie-Rocker, über den Post-Punker bis hin zu Hip-Hop-Head wirklich jeden abgeholt, ohne dabei jemals direkt wie eines dieser Genres zu klingen. Irgendwann turnten dann sogar noch die Performer von der Bühne herum und nach knapp 45 Minuten wurde man mit einem schönen High in den Rest des Tages entlassen.
Zum Runterkommen dann rüber zur amphitheater-haften und in meinen Augen besten Festivalbühne der Welt geschlendert, der ehemaligen Ray-Band-Stage, und Angel Bat Dawid gesehen. Das ist, wenn es schlecht läuft ganz anstrengender Free Jazz vom Internation Records Label und im besseren Fall irgendetwas Zugänglicheres. Hier war zum Glück zweiteres der Fall und so gab es afrofuturischen Jazz im Sun Ra-Style auf die Ohren mit richtig vielen, supercoolen Musiker*innen auf der Bühne und dazu leckeres Aperol auf Eis, das beständig an den noch komplett leeren Getränkeständen nachgefüllt werden konnte.
Danach war es dann also 19 Uhr und ich hatte schon zwei der in ihren jeweiligen Sujets interessantesten Künstler*innen der Gegenwart in richtig schönen Konzerten erleben können. Auch das ist Primavera – vorausgesetzt man ist schon aufgewacht um diese Zeit.
Charli XCX (Weekend 2)
Charl XCX ist wohl die Künstlerin, die ich den letzten Jahren am meisten gehört habe und die irgendwo auch sehr sinnbildlich ist für einen bestimmen Chance, den mein Musikgeschmack nach ca. 2018 gemacht hat. Weg von den Gitarren, hin zu für mein heutiges Ich wesentlich interessanteren Zugängen zu moderner Pop-Musik. Dementsprechend war ich natürlich voller Vorfreude, auch wenn ich das aktuelle Album sogar einen Tick uninteressanter finde, als die vielen Vorgänger. Aber die Messlatte liegt hier halt auch echt sky high.
Nachdem das Konzert am ersten Wochenende schon verdammt cool war (inkl. eines Gastauftritts von Rina Sawayama), war dieses dennoch noch einen Tick besonderer. Das lag zum Einen an der deutlich intimieren Bühne und zum Anderen daran, dass die parallel spielende Dua Lipa nahezu alle „casual“ Pop-Fans zu sich gezogen hat, wodurch hier vor der Stage tatsächlich nur der harte Kern zurückblieb. Dementsprechend war die Stimmung natürlich von Takt eins an absolut fantastisch. Und Jeeez, was ist Charli bitte für eine krass coole Performerin? Und ihre beiden sexy Dancer, die sie begleiten, erst. Hach.
Die Songs vom aktuellen Album dominieren die aktuellen Setlists (und kicken live alle noch einmal mehr rein), aber auch ihr sonstiger Katalog wurde wunderbar integriert. „Lightning“ funktioniert als Opener richtig gut mit dem Drop beim ersten Refrain, „Boys“ als der Ohrwurm mit dem ich meine WG seit ca. 2 Jahren alle paar Wochen erneut in den Wahnsinn treibe, „New Shapes“, das aus tausenden Kehlen gesungen die Luft auflädt und direkt danach „Vroom Vroom“, um sie schließlich komplett zu zerreißen. Letzter ist wohl einer der krassesten Live-Songs, die ich kenne. Völlig irre jedes Mal.
Wundervolles Konzert, wunderbare Show von der vielleicht interessantesten Popkünstlerin unserer Zeit. I love it.
Tyler, the Creator (Weekend 1)
Okok, dass das richtig gut wird, damit hatte ich gerechnet. Mit der Art, in der es gut wird, habe ich mich allerdings komplett vertan. Seit Flower Boy bin ich Tyler verfallen und dass er seitdem nochmal mit jedem Album eine Schippe drauf legt, ist halt schon fast unerhört gut. Aber der Punkt ist: Seitdem ist er ja eigentlich eher weg vom klassischen Odd Future-Sound gerückt und dazu übergegangen mehr laidback Soul-Elemente in seinen Sound zu integrieren. Dass hier also der größte Pit des ganzen Festivals entsteht, war für mich dann doch eher...überraschend. Da war er nun aber. Zu „New Magic Wand“, diesem absolut fantastischen Song von Igor. Und wirklich alle waren dabei. Von Reihe eins bis zum Soundturm. Komplette Eskalation, aber nie wirklich rücksichtslos. Eher einfach schön.
Tyler ist ganz sicher einer charismatischsten und auch besten Live-Performer, die man heute in dieser Größenordnung zu Gesicht bekommen kann. Das Set so facettenreich, wie die Filme von Stanley Kubrick, das Bühnenbild mit seiner Forrest-Ästhetik eines der stimmigsten des Festivals. „Boredom“, „Yonkers“, „Lumberjack“, „Earfquake“, „Who Dat Boy“. Ein Hit nach dem nächsten, einer völlig anders, als der Vorherige. Gerade nach dem doch sehr lauwarmen Gorillaz-Gig war das genau die Art von eskalativer Hitze, die ich gebraucht hatte.
Kurz habe ich sogar überlegt, am zweiten Wochenende nochmal zu seinem Konzert zu gehen. Am Ende habe ich mir aber gedacht: Was soll jetzt schon noch kommen? Und es schließlich bei dieser einen, ziemlich perfekten Erinnerung belassen.
Jamie xx (Weekend 1)
Auf Platte mag ich ihn schon sehr, aber live sind Jamie xx‘ Sets einfach nochmal auf einem komplett anderen Level unterwegs. Seit April habe bin ich zu dem Bootleg von seinem Coachella-Set vermutlich rund 1284 Mal durch meine kleines WG-Zimmer gedanced, die Vorfreude war also immens. Durch die Absage der Strokes ist an dem Abend zudem Caribou auf den Slot direkt davor gerutscht, was nicht nur eine der für mich blödesten Überschneidungen beseitige, sondern auch einen Abend garantierte, an dem man sich stundenlang in bewusstseinszersetzende Zustände tanzen konnte. Ungefähr das habe ich dann auch mit großer Freude getan.
Caribou war schon ziemlich cool (trotzdem eine Frage: Elektronische Musik mit analogen Instrumenten und als einzelne Songs spielen. Warum? Nimmt immer viel der Dringlichkeit und von dem hypnotischen Flow raus, wenn es zwischendurch sogar noch Ansagen gibt. Leute, das ist kein Indierock-Konzert. War bei Fred Again.. dann für mich ganz ähnlich unpassend), aber Jamie xx hat schließlich noch mal ein deutliches Tanzbarkeitspfund drauf gelegt und mich auf direktem Wege in die pure Daseinsfreude katapultiert. Wundervolle Mischung aus eigenen Songs („Do It Again“, „Gosh“, das crazy-gute „Idontknow“, das hier auf großartige Weise mit Ludacris‘ „What's Your Fantasy?“ gemixed wurde) und eingestreuten Tracks anderer Künstler*innen (von John Talabot, den Chambers Brothers und natürlich geremixten Songs von The xx). Nach keinem Auftritt habe ich meine Beine so sehr gespürt, wie nach diesem hier.
Jamie xx ist für mich vermutlich der große Künstler aus dem Spektrum elektronischer Tanzmusik, der es am besten hinbekommt, Musik und Sets zu kreieren, die sowohl experimentell und verfrickelt sind als auch extrem eingängig und tanzbar sind. Die meisten anderen Künstler*innen neigen meist mehr auf die eine oder die andere Seite, aber hier ist immer beides absolut präsent. Ich weiß auch nicht, wie er das schafft, aber ich hatte den Spaß meines Lebens.
Okok, soweit. Enough. Wunderbar war es. Bis zum nächsten Jahr.
Für alle die es interessiert: Ich habe bei allen Konzerten, die ich gesehen habe, ein paar kleinere Videoschnipsel hier und dort aufgenommen und diese nun zusammengeschnitten. Vermutlich nichts für die Masse, sondern eher für mich als Erinnerung und maximal noch für diejenigen, mit denen ich dort war, interessant. Aber maybe interessiert es ja doch irgendwen: