Last Night in Soho
Schon seit Ankündigung war ich sehr gespannt auf den neuen Film von Edgar Wright. Ich bin großer Fan der Cornetto-Trilogie, die sich u.a. auch durch die exzellente Regie auszeichnet. Das gepaart mit gleich zwei der talentiertesten jungen Schauspielerinnen mit Thomasin Mackenzie und Anya Taylor-Joy war für mich im Vorfeld sehr, sehr vielversprechend.
Der Film dreht sich um eine junge Modedesignstudentin, die zum ersten Mal in der großen Stadt London lebt und dort erstmal einige Anpassungsschwierigkeiten hat. Einzig in ihren Träumen findet sie Geborgenheit, wenn sie ins Nachtleben der 60er zurücktransportiert wird. Dort erscheint ihr immer wieder eine Frau, mit der sie auf mysteriöse Weise verbunden zu sein scheint. Bald verschwimmen jedoch die Grenzen zwischen dem Traum und der Realität.
Ich habe jetzt schon mehrfach gelesen, dass dies Edgar Wrights erster Horrorfilm sei, was ich grundlegend anders sehe, weil eins der tollen Merkmale der Cornetto-Trilogie ist, dass sie nicht nur wahnsinnig witzig sind, sondern dass Shaun of the Dead eben auch lupenreine Horror-Elemente ohne jeglichen Parodiefilter aufweist (und Hot Fuzz Krimi/Action und The World's End Sci-Fi). Von daher ist wenig überraschend, dass Edgar Wright auch hier wieder Atmosphäre schafft. Dazu setzt er ein weiteres Trademark von ihm gelungen ein, nämlich das Sounddesign. Aus dem Off brechen sich verschiedenste Klänge und Stimmen immer wieder Bahn, was in seinen anderen Filmen gern humoristisch passiert, aber hier die Surrealität gut unterstreicht. A Propos Klang: Der Soundtrack ist wirklich granatenmäßig, klar inspiriert von Tarantino (ebenso wie eine Tanzszene), nur dass hier die Sixties Garagen-Rock und Soulnummern eben der Zeit entsprechen. Die anfangs so hoch gelobten Schauspielerinnen liefern ebenfalls klasse Performances, gerade im Zusammenspiel miteinander (ein paar Videos vom Blick hinter die Kulissen lohnt sich hier! Vor allem bei besagter Tanzsszene; dass das praktisch und in-camera gemacht wurde, fast ohne Effekte, ist abgefahren).
Jedoch hat der Film leider auch ein paar Probleme, die den Eindruck trüben. Wo ich Tarantino ansprach, fällt hier im Kontrast noch mal mehr auf, was für ein Wunderding "Once Upon a Time in Hollywood" ist, da man sich bei dem wirklich wie in einer Zeitmaschine fühlt, die einen ins LA von 1969 zurückkatapultiert. Das Setdesign und die Kostüme sind auch in "Last Night in Soho" gelungen, aber ich kann mir nicht helfen, dass doch alles irgendwie wie Theaterbühnen, etwas artifiziell aussieht. Durch die surrealen Elemente passt das auf seine Weise, aber die Ambition war schon, dass man so transportiert wird wie der Hauptcharakter. Und das ging mir nicht wirklich so.
Was beim Look auch stört sind ein paar CGI-Effekte, die leider ziemlich verpuffen, aber zum Ende hin viel benutzt werden. Das sieht ungewohnt schwach aus, gerade weil erneut die Cornetto-Trilogie auch auf der Ebene so überzeugt.
Als letztes offenbart dann auch die Story Schwächen. Wie sich am Ende alles aufdröselt, ging für mich nur bedingt auf und beruht vor allem auf einer ziemlich unglaubwürdigen Szene.
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Wie sieht denn Ellie bitte nicht, dass nicht Jack Sandy tötet, sondern umgekehrt? Das fand ich schon einen recht gezwungenen Misdirect. Dazu kann sich der Film am Ende auch nicht entscheiden, ob wir jetzt mit Sandy Empathie empfinden sollen oder ob sie der eigentliche Bösewicht der Story ist. Das kippt von einer Szene auf die andere.
Insgesamt auf jeden Fall sehenswert, aber nachdem ich Baby Driver schon nicht so klasse fand (wobei ich dem auch nochmal ne Chance geben will), hat der hier auch unerwartete Schwächen. Man bleibt ein wenig mit dem Gefühl zurück, dass mit dem Talent vor und hinter der Kamera noch mehr möglich gewesen wäre.