Man muss erstmal ganz strikt zwischen Regional- und Fernverkehr trennen. Beides ist liberalisiert, aber sehr unterscheidlich. Im Regionalverkehr greift die Daseinsvorsorge. Der Staat schreibt ein Streckenpaket aus und Dienstleister bewerben sich. Da wird vorab genau kalkuliert, wie viele Gelder wohl durch die Fahrgastumsätze reinkommen und was für einen wirtschaftlichen Betrieb notwendig ist und der Staat muss eben je nachdem mehr oder weniger drauflegen. Da kann der Staat einfacher politisch steuern was angeboten werden soll, er zahlt im Zweifel die Zeche.defpro hat geschrieben: ↑Di 3. Nov 2020, 15:21Meinst du nicht, dass es auch zur Aufgabe der Bahn gehören sollte, für solche Leute eine vernünftige preisliche Alternative zum Auto zu bieten? Ich denke, das dürfte schon eine relativ große Bevölkerungsgruppe umschließen (mich eingeschlossen). Zumindest sehe ich hier ein größeres Potential, Leute zum Umsteigen zu bewegen als dem Berufspendler täglich einen 1,5 Stunden längeren Arbeitsweg zuzumuten. Die Hürden sind natürlich hoch, weil man sich an den Komfort und die Flexiblität des Autos gewöhnt hat. Da müsste die Bahn eigentlich mit Kampfpreisen a la Fernbusse antworten, um solche Leute auf die Schiene zu ziehen. Aktuell ist dagegen eher das Gegenteil der Fall und man merkt ja schon an diversen "trotzigen" Reaktionen hier im Thread, dass die fehlende Kulanz der Bahn im Rahmen der Pandemie nicht gerade förderlich für dieses Vorhaben ist.Tambourine-Man hat geschrieben: ↑Di 3. Nov 2020, 11:07Wer meint das Auto sei mit einer Tankfüllung bezahlt, disqualifiziert sich halt eigentlich schon instant für weitere Diskussionen.
Spannend ist halt wie der Faktor "das Auto ist ja schon da" reinspielt, wenn man die Fixkosten berücksichtigt, also welchen Effekt zusätzlich gefahrene Kilometer haben. Verschleiß ist natürlich analog zu Verbrauch variable. Bei der Vesicherung ist es abhängig von der Struktur, also den vereinbarten Kilometern. Zumindest bei den Posten Anschaffung, Kfz-Steuer oder TÜV kommt es zu einem sinken der durchschnittlichen Fixkosten pro km.
Berechnet halt in der Realität erst recht niemand, aber naja.
Deutlich konkurrenzfähiger ist die Bahn bei Betrachtung aller Kosten auf jeden Fall, aber trotzdem nicht direkt attraktiv genug für Wenigfahrer mit bis zu 5 Fernreisen im Jahr, wo ein Auto vorhanden und die Anschaffung einer Bahncard (sind ja auch erstmal Fixkosten) keine Option ist. Die Frage ist aber auch ob sie das jemals sein kann und sein sollte...
Bei der Lufthansa hat man z. B. einen Gutschein erhalten, den man bis zum 31.01.21 für eine Buchung jedes beliebigen Fluges seiner Wahl verwenden kann. Etwas Vergleichbares wäre doch bestimmt auch bei der Bahn möglich gewesen.
Zum Betrieb von nicht wirtschaftlichen Strecken wurde ja auch schon etwas gesagt. Da wurde in den letzten Jahrzehnten einfach so viel kaputtgespart und gestrichen, dass ich auf solche Behauptungen mittlerweile nicht mehr viel gebe, zumal die Fahrgastzahlen ja auch von Jahr zu Jahr stark ansteigen. Die Bahn als eigenständiges Unternehmen kann vor allem infrastrukturell gesehen vermutlich niemals wirtschaftlich handeln und muss immer staatlich subventioniert werden. Hier sollte durch kontinuierlichen Streckenausbau und höhere Frequenz (vor allem nachts) erst mal ein stärkeres Angebot geschaffen und die Entwicklung ein paar Jahrzehnte beobachtet werden. Ich bin mir sicher, dass dann auch die entsprechende Nachfrage aufkommen wird.
Konzerte bzw. Veranstaltungen mit ungewissem Ende sind ja eher ein Sonderfall. Hier könnte man evtl. einen separaten Tarif anbieten, mit dem man innerhalb eines bestimmten Abend/Nacht-Zeitfensters flexibel reisen kann. Zu diesen Zeiten sollten die Züge ja verhältnismäßig leer sein und der zeitlich abgesteckte Rahmen bietet zumindest noch gewisse Möglichkeiten zur logistischen Vorausplanung. Jetzt einfach mal als spontaner Vorschlag, ohne dass ich irgendwelche Kenntnisse in dieser Materie hätte.
Der Fernverkehr ist aber so liberalisiert, dass wir uns theoretisch für den nächsten Fahrplan auf einen Verbindungsslot bewerben und den FeCo-Train ins Leben rufen könnten. Klar kann die Bahn innerhalb ihres Angebots quersubventionieren und hat da als quasi-Monopolistin andere Möglichkeiten, aber im Prinzip dürfte es keine unrentablen Verbindungen geben.
Von staatlicher Seite ist es viel schwieriger da zu subventionieren, weil es eben nachfragegesteuerter ist als im Regionalverkehr. Freitag und Sonntag sind bei der Bahn die Hauptreisetage und das wird sich im privaten Bereich auch kaum ändern bzw. das ist ja genau die Zielgruppe, die ich grob umrissen habe. Wenn man aber die Kapazitäten dafür erhöht, muss man die Züge halt aber auch für 5 weitere Tage in der Woche bezahlen. Das ist alles schon verdammt fixkostenintensiv, da kannst du mit den Kampfpreisen, die man bräuchte kaum bestehen. Jedes Sparticket mit MyBahncard (Angebot für Personen unter 27) wird halt auch wieder von Geschäftsreisenden quersubventioniert.
Will sagen: Im Fernverkehr ist die staatliche Lenkung echt schwer, zumindest in der derzeitigen Organisationsform, aber um die kommen wir nicht drum herum, weil die Entscheidung zur Bahn-Liberalisierung vor über 30 Jahren auf EU-Ebene getroffen wurde und bestand hat.