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Zeitgeschehen / Panorama

Von Spam bis Gott und die Welt
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Tambourine-Man
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Re: Zeitgeschehen / Panorama

Beitrag von Tambourine-Man » Fr 15. Nov 2019, 15:05

NeonGolden hat geschrieben:
Do 14. Nov 2019, 15:29
Seitdem mir solche Fragebögen bei meinen Wohnungssuchen begegnen, tue ich mich schwer damit. Rechtlich mag das einwandfrei sein und der Sinn und Zweck leuchtet mir auch durchaus ein. Moralisch betrachtet finde ich es trotzdem schwierig, insbesondere bei großen Wohnungsgesellschaften, sich auf diesem Wege die Rosinenmieter raus zu picken - und ja, auch die Problemmieter vom Halse zu halten. Im Sinne der Chancengleichheit für Personen die eben nicht den allerfeinsten Lebensweg vorzuweisen haben, sollte es andere Lösungswege geben, um die Vermieterseite gebührend abzusichern.
Auch Privatvermieter werden diese Art des Screenings betreiben. Nur erscheint das einem halt angenehmer, wenn das ältere Vermieterehepaar sich mit einem beim Kaffee über den Job und das allgemeine Befinden unterhält. Aber man sollte sich auch bei deren Auswahlkriterien nicht täuschen lassen. Ich hatte in Mannheim ein ebensolches Ehepaar mit ebendiesen nicht diskriminierungsfreien Auswahlkriterien. Gespräch mit meinem Vormieter: "Herr xy sagen Sie mal, Deutsch ist aber auch nicht ihre Muttersprache, oder?" "Nein, ich bin US-Amerikaner" "Achso, ja dann, das ist ja das gute Ausland". Bei uns im Mehrfamilienhaus fand man eigentlich nur deutschklingende Nachnamen am Klingelschild - und das in einem Viertel, wo sonst 60-80% der Namen auf einen Migrationshintergrund schließen lassen.

Die Wohnungsgesellschaften sichern sich eben auch entsprechend ab und es geht technisch nicht anders als über einen Fragebogen. Das Scoring-System der Schufa reicht denen schon längst nicht mehr aus und sie verfügen ja auch über entsprechend viele Datensätze, dass man da etwas draus basteln kann. Wie problematisch Scoring-Systeme für Einzelfallentscheidungen sein können, ist ja auch hinlänglich bekannt, aber: Das sind private Vermieter (s.o.) halt teilweise leider auch, nur anders.

Ich tue mich da auch wahnsinnig schwer mir eine gangbare Lösung vorzustellen. Ich verliere mich da immer in einem "Man hätte den staatlichen Wohnbesitz einfach nicht aus der Hand geben dürfen!" aber in die Zukunft gedacht, hilft das natürlich auch keinen Zentimeter weiter.
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tOmAtE
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Re: Zeitgeschehen / Panorama

Beitrag von tOmAtE » Fr 15. Nov 2019, 21:39

mattkru hat geschrieben:
Do 14. Nov 2019, 10:25
Tambourine-Man hat geschrieben:
Do 14. Nov 2019, 10:08
Ich sehe in dem Punkt auch noch ungeahnte Möglichkeiten der neoliberalen Selbstoptimierung.
Flat-Sharing?
Wenn man eh 18 Stunden am Tag im Büro ist, und die Wohnung in dieser Zeit nicht in Benutzung ist, kann man sie in dieser Zeit mit anderen Leuten teilen!
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Alles schon da gewesen: https://de.wikipedia.org/wiki/Schlafg%C3%A4nger
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dattelpalme
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Re: Zeitgeschehen / Panorama

Beitrag von dattelpalme » So 17. Nov 2019, 02:28

tOmAtE hat geschrieben:
Fr 15. Nov 2019, 21:39
mattkru hat geschrieben:
Do 14. Nov 2019, 10:25
Tambourine-Man hat geschrieben:
Do 14. Nov 2019, 10:08
Ich sehe in dem Punkt auch noch ungeahnte Möglichkeiten der neoliberalen Selbstoptimierung.
Flat-Sharing?
Wenn man eh 18 Stunden am Tag im Büro ist, und die Wohnung in dieser Zeit nicht in Benutzung ist, kann man sie in dieser Zeit mit anderen Leuten teilen!
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Quadrophobia
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Re: Zeitgeschehen / Panorama

Beitrag von Quadrophobia » So 17. Nov 2019, 17:37

Suitemeister hat geschrieben:
Fr 15. Nov 2019, 13:46
Blackstar hat geschrieben:
Do 14. Nov 2019, 17:20
Zudem ist das glaube ich dank Föderalismus Ländersache. Ist auch okay so. Mecklenburg-Vorpommern hat ja z.b. ganz andere Sorgen, als Berlin. Wenn du hier zentralisiert von oben Gleichmacherei betreibst, läufst du in Gefahr, die durchaus unterschiedlichen Gegebenheiten zu vernachlässigen. Von daher: Lass den Staat bauen, verwalten, regeln. Allerdings nicht als Ersatz zum üblichen Markt (der auch seine Regeln braucht), sondern nebenher.
Danke. Genauso sehe ich das - als jemand mit viel weniger Einblick - eigentlich auch. Dem Wohnraummangel wird man nur Herr durch Schaffung von Wohnraum Dann greifen auch wieder Marktmechanismen, die das Verhältnis von Angebot und Nachfrage in erträgliche Bahnen lenken..

(Staatliche oder auch genossenschaftliche Verwaltung dürfte auch die Gefahr verringern, dass sich Vermieter oder Verwaltungen an wissentlich gefälschten Nebenkostenabrechnungen zusätzlich die Taschen füllen.)
Nur, dass das eben leider nicht so ist. Ich arbeite ja jetzt seit 1,5 Jahren als externer in der Stadtentwicklung und erst da wird dir das Ausmaß der Krise in den Metropolen so richtig bewusst. Der Markt hat da nicht nur teilweise versagt, er ist wenige Jahre davon entfernt vollständig zusammenzubrechen. Der Markt hat keinerlei Bedarfssensibilität mehr und baut stattdessen nur noch nach Verwertungslogik, sodass in den Preissegmenten, wo der Druck ab größten ist, kaum Wohnungen mehr entstehen oder das Agebot sogar geringer wird, weil Sozialer Wohnungsraum aus der Preisbindung fällt oder alte, meist günstige Wohnungen abgerissen werden.
In Hamburg bspw. wurden die letzten Jahre immer ca. 10.000 Wohnungen gebaut. Das ist an sich ein guter Wert. Damit gibt es aber wiederum zwei Probleme. Erstens, ist damit schon fast das Maximum an Baukapazitäten (Genehmigung, Planung, Ausführung) ausgereizt, mehr Bauen ist also einfach nicht möglich, was das Argument "Nur Bauen schafft Wohnraum" zwar nicht falsch, aber zu einer Art Worthülse in der Debatte macht, die nirgends hinführt. Dazu kommt, dass dieses Dynamik in den nächsten Jahren stärker werden wird, weil das ohnehin schon knappe Bauland weiter verknappt wird.
Zweitens greift hier zwar ein sog. Drittelmix (1/3 Eigentum, 1/3 soz. Wohnungsbau, 1/3 freie Mietwohnungen), allerdings sieht der in Realität deutlich anders aus: Überdimensionierte Eigentumswohnungen als Wertanlage vs. sehr wenig Fläche für Sozialwohnungen. Effektiv sind 18,4% (Zahlen wieder für Hamburg) des gebauten Raums sozialer Wohnungbau was eben grade über die Hälfte des anvisierten Drittels ist. Dazu fallen zur Zeit die letzten Sozialwohnungen der Bauintensiven 70er/80er aus der Preisbindung, effektiv werden Sozialwohnungen weniger. Die gesamte Baudynamik der letzten Jahre schwächt die Krise am Wohnungsmarkt nur ein ganz kleines Bisschen ab. Die aktuelle Form des Wohnungsbaus nach Verwertung statt Bedarf wird spätestens bei der nächsten Immobilienblase zum riesigen Problem, weil dann, mal wieder, jede Menge zu große, zu teure Immobilien am Markt sind.

Das führt jetzt schon zu einem weiteren Problem. Mittelständler*innen können kein Wohneigentum mehr finanzieren, weil die Immobilien am Markt so stark überbewertet werden, dass Banken keine Kredite mehr dafür geben, weil die Immobilie im Falle des Kreditausfalls nicht tatsächlich dem Wert entspricht, den die Käufer*innen zahlen mussten.

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fipsi
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Re: Zeitgeschehen / Panorama

Beitrag von fipsi » Fr 22. Nov 2019, 14:02

Rainer Wendt wird Staatssekretär im Innenministerium (Sachsen-Anhalt)

Hoffentlich wird das in Sachsen nicht durch die Personalie Maaßen getoppt.

rogerhealy
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Re: Zeitgeschehen / Panorama

Beitrag von rogerhealy » Fr 22. Nov 2019, 14:12

Wer sich nicht mehr an Rainer Wendt erinnern kann/mag, kriegt hier etwas Nachhilfe:

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Tambourine-Man
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Re: Zeitgeschehen / Panorama

Beitrag von Tambourine-Man » Fr 22. Nov 2019, 15:14

Daran sieht man irgendwie mal was aus demograpischer Sicht bei der Besetzung von politischen Posten so verkehrt läuft. Der Mann wurde kürzlich erst pensioniert, was so viel heißt wie "Du hat dein Leben lang gearbeitet, jetzt sollst du auch deine Zeit für Hobbys oder Familie haben". Und so einer bekommt jetzt einen neuen Vollzeitjob mit landespolitischer Verantwortung. Nicht falsch verstehen, ich begrüße es außerordentlich, wenn Menschen sich mit ihrer Lebenserfahrung einbringen und man kann natürlich auch mit über 60 noch ein politisches Amt bekleiden. Aber so wie es aktuell immer noch in Deutschland gängige Praxis ist, muss man sich über den Politikverdruss jüngerer Bürger wirklich nicht wundern, auch wenn inzwischen (gefühlt) doch mehr Leute unter 40 mal nen Posten bekommen.

Das schlimmste an Rainer Wendt ist doch, dass die Affäre um seinen Sold davon ablenkt, dass der Typ in erster Linie wegen seiner Art und Äußerungen unmöglich ist. Und dass es durch "die Medien" auch lange versäumt wurde klarzustellen, dass die Deutsche Polizeigewerkschaft eigentlich nur die kleinere der beiden Polizeigewerkschaften ist und Herr Wendt eben nicht die Stimme der Polizei ist.
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7Ostrich
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Re: Zeitgeschehen / Panorama

Beitrag von 7Ostrich » So 24. Nov 2019, 11:43

Eben in einem Taz-Artikel gelesen, dass Luisa Neubauer von FFF nur noch mit Polizeischutz demonstriert, da auch sie Morddrohungen bekommt. Warum bekommt man denn wegen sowas Morddrohungen, ich versteh es einfach nicht. Haben diese Männer Angst vor zu hohen Stromrechnungen? Mögen sie keine Frauen? Oder machen das wieder Leute einfach "aus Spaß"?
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Norakete
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Re: Zeitgeschehen / Panorama

Beitrag von Norakete » So 24. Nov 2019, 13:36

7Ostrich hat geschrieben:
So 24. Nov 2019, 11:43
Mögen sie keine Frauen?
Ja.
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smi
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Re: Zeitgeschehen / Panorama

Beitrag von smi » Di 26. Nov 2019, 09:32

7Ostrich hat geschrieben:
So 24. Nov 2019, 11:43
Eben in einem Taz-Artikel gelesen, dass Luisa Neubauer von FFF nur noch mit Polizeischutz demonstriert, da auch sie Morddrohungen bekommt. Warum bekommt man denn wegen sowas Morddrohungen, ich versteh es einfach nicht. Haben diese Männer Angst vor zu hohen Stromrechnungen? Mögen sie keine Frauen? Oder machen das wieder Leute einfach "aus Spaß"?
Das gleiche wie mit Scooter Braun/Taylor Swift Thematik... Unglaublich!

Da muss hart durchgegriffen werden, dass ist kein Kavaliersdelikt... Personen (und noch schlimmer deren Familie und Kinder... was zum Teufel...) mit Ermordung und Folter und was auch immer drohen. Absolutes unverständnis.

Dazu kommt noch in eine Gruppe die darüber redet, wen auch immer, zu "hängen" oder "ermorden" oder "an die Wand zu stellen" wird immer dazu führen, dass sich jemand berufen fühlt die Worte auch in Taten umzusetzen.

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NeonGolden
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Re: Zeitgeschehen / Panorama

Beitrag von NeonGolden » Di 26. Nov 2019, 12:44

Ich kann mir vorstellen, dass Morddrohungen für Personen des öffentlichen Lebens traurigerweise zum Alltag gehören und man in den meisten Fällen gar nichts davon mitbekommt. Ich will mir zum Beispiel gar nicht vorstellen, was da so bei Böhmermann seinerzeit eingegangen ist.

In den allermeisten Fällen dürfte es zwar tatsächlich bei einer Drohung bleiben, aber wer weiß schon, ob man nicht doch mal an einen geistig Verwirrten gerät? Sich mit Polizeischutz abzusichern ist dann schon verständlich, wobei ich mich persönlich damit kaum sicherer fühlen würde und mir zudem die ständige Begleitung und das damit verbundene Gefühl von Bedrohung wahnsinnig machen würde. Ich denke ich würde mich erst einmal zurückziehen in so einer Situation.

Gleichzeitig weiß man auch nichts über den Schweregrad der Drohungen, wie konkret die Ankündigungen sind, usw. usf.
Ist jemand tatsächlich so blöd und führt so eine Aktion via Social Media oder noch dümmer mit Klarnamen aus, dann muss das öffentlichkeitswirksam sanktioniert werden, auf jeden Fall.
Dass sich Leute aber immer wieder zu solchen Drohungen hinreißen lassen, das wird man kaum abstellen können.

Zum Motiv beim Fall Neubauer würde ich sagen, dass die Anzahl der Menschen, die sich von progressivem Gedankengut bedroht und ihre bisherige Lebensweise in Gefahr gebracht wähnen, zunimmt und mithin auch die Bereitschaft zur Gegenwehr mit Drohung und Gewalt steigt. Stark zusammengefasst würde ich die Befürchtung äußern, dass gewisse Leute mit der Geschwindigkeit der Veränderungen in vielen Lebensbereichen, seien sie noch so sinnvoll, nicht zurecht kommen und geistig auf die Bremse treten (müssen). Extrem progressive Strömungen bekommen dann die volle Breitseite der Gegenwehr ab. Soziale Wachstumsschmerzen sozusagen. Problematisch wird es, so kann ich es mir zumindest vorstellen, wenn dieser Teil der Gesellschaft sich komplett abnabelt und jegliches Verständnis für Entwicklung ablegt. Ein kleines gesellschaftliches Geschwür hier und da, ok, aber das, was da unter dem Schirm der AfD herangewachsen ist, finde ich auch besorgniserregend.

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slowdive
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Re: Zeitgeschehen / Panorama

Beitrag von slowdive » Di 26. Nov 2019, 23:37

Und währenddessen wird Julian Assange in den Maschinerien der politischen Macht langsam aber sicher zermürbt. Der Fall, der Umgang – ein (mitlerweile leider wenig überraschendes) Desaster auf allen Ebenen.

Ärzte sehen das Leben von Julian Assange in Gefahr

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Re: Zeitgeschehen / Panorama

Beitrag von Declan_de_Barra » Di 26. Nov 2019, 23:43

Über den Fall habe ich nur sehr wenig Halbwissen. Jemand einen Tipp für einen guten Überblick?

Gelöschter Benutzer 408

Re: Zeitgeschehen / Panorama

Beitrag von Gelöschter Benutzer 408 » Sa 30. Nov 2019, 23:22

Die SPD zuckt ja doch noch ein bisschen.

Spannende Sache. Wünsche den beiden viel Erfolg!

Gelöschter Benutzer 408

Re: Zeitgeschehen / Panorama

Beitrag von Gelöschter Benutzer 408 » Mo 2. Dez 2019, 20:07

Die neue Aktion vom ZPS ist so krass. Und so notwendig.

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Re: Zeitgeschehen / Panorama

Beitrag von Stebbie » Mo 2. Dez 2019, 20:35

Wenn es so ist, wie das ZPS es vorgibt getan zu haben, dann finde ich sie gnadenlos daneben - sehen übrigens auch die jüdische Community und Auschwitzüberlebende so.

Aber ich vermute, dass es am Ende doch anders war. So wenig Weitsicht können die nicht haben.
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Re: Zeitgeschehen / Panorama

Beitrag von Quadrophobia » Mo 2. Dez 2019, 21:07

Kann dieser Aktion auch echt nichts abgewinnen. Interventionistische Kunst hat ja gerade irgendwie sowieso das Problem, dass sie zwar massenweise Grenzen übertritt, um Aufmerksamkeit zu erzeugen, aber dann einen mittelmäßigen bis vernachlässigbaren Effekt erzielt. Wow, da steht jetzt eine Säule mit Asche vor dem Bundestag. Die Antisemit*innen in der AfD und den anderen Parteien sind sicher beeindruckt. Da ist mir zu selbstgerecht und gegenstandslos. Wenn Repräsentation jetzt das neue Dagegensein ist, dann können sich AfD und co. ja nett zurücklehnen. Denn erreichen tut man damit nichts. Die gleichen Leute, die die AfD vorher Kacke fanden, finden sie jetzt wieder kacke. Das ZPS darf sich als Kämpfer gegen den Antisemitismus feiern und heiligt seine höchst fragwürdigen Mittel mit einem Zweck, der keiner ist. Symbolismen verhindern keinen Faschismus.

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Re: Zeitgeschehen / Panorama

Beitrag von Gelöschter Benutzer 408 » Mo 2. Dez 2019, 21:22

Symbolismen verhindern keinen Faschismus.
Nein, die AFD fängst du damit nicht ein und wohl auch nicht ihre Wähler. Aber an die ist das auch nicht gerichtet. Sondern an die, die den Faschisten wieder in irgendwelche Parlamente helfen wollen - und da finde ich es gut, mal ein Statement zu setzen.

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Re: Zeitgeschehen / Panorama

Beitrag von Stebbie » Mo 2. Dez 2019, 21:32

Ein Statement auf Kosten Verstorbener. Die Aktion bedient einzig die Profilneurose einzelner, die unter dem Deckmantel der Kunstfreiheit ihr Anspruchsdenken performativ zur Geltung bringen.

Es ist halt, wie Robin sagt: Die ZPS spielt mit der Empörung und generiert immer viel Aufmerksamkeit, aber wirklich bezweckt hat es nie was. Da ist jede lokale Antifagruppe wichtiger.
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Re: Zeitgeschehen / Panorama

Beitrag von NeonGolden » Di 3. Dez 2019, 10:26

Stebbie hat geschrieben:
Mo 2. Dez 2019, 21:32
Es ist halt, wie Robin sagt: Die ZPS spielt mit der Empörung und generiert immer viel Aufmerksamkeit, aber wirklich bezweckt hat es nie was. Da ist jede lokale Antifagruppe wichtiger.
Wie lässt sich das denn bemessen, ob und wieviel so eine Aktion bezweckt hat? Mit deiner und Quadros Argumentation kann man dann ja die Kunst im Allgemeinen komplett infrage stellen. Nicht, dass das völlig illegitim wäre, aber schwierig finde ich das schon irgendwie. Und ist Aufmerksamkeit nicht das Wesentliche, worum es bei solchen Aktionen geht? Hm.

Ich kann mir ja tatsächlich vorstellen, dass da überhaupt keine echte Asche verwendet wurde. Gibt es da denn irgendwelche Belege? Wo haben sie die Asche her? Lässt sich sowas überhaupt zweifelsfrei nachweisen, wenn man in bzw. bei Auschwitz an der richtigen Stelle etwas Boden entnimmt? Oder ist allein die Behauptung schon Grenzüberschreitung genug? Ohne Absprache finde ich das auch mindestens schwierig und die Kritik und Empörung nachvollziehbar. Das wiederum müssten sie ja dann einkalkuliert haben. :?

Tendenziell würde ich wohl auch sagen, dass dort etwas ohne Zustimmung getan wurde, dessen Wirkung und Zweck den emotionalen Schaden am Opfer nicht rechtfertigen kann. Wenn etwas schon solch harte Grenzen sprengt, dann sollte es zumindest genügend Punch und eine Aussage haben, die über erzeugte Empörung hinausgeht. Letzteres erschließt sich auch mir nicht - bisher zumindest. Ich würde aber auch nicht soweit gehen und derartige Aktionen als selbstgerecht abtun.
Symbolismen verhindern keinen Faschismus
Nein, aber die Wahrnehmung der eigenen Verantwortung wird durch Symbole am Leben gehalten. Demonstrationen sind doch im Prinzip auch nur Symbol des Widerstandes, oder?

————————————————————————

Edit zur Herkunft der Asche:

"Woher kommt die Asche?
Wir haben Tausende Quellen ausgewertet und sind den Spuren gefolgt: nach Nordhausen, Auschwitz, Sobibór, Majdanek, Chelmno, Mauthausen, Belzec, Treblinka, Berdychiv, Plyskiv. Die Asche der Ermordeten wurde in Dämmen verbaut, auf Feldern verscharrt und in Flüssen verkippt. Wir haben an 23 Orten 248 Bodenproben genommen und in mehrere Labore außerhalb Deutschlands geschickt. In 175 der Proben fanden sich Hinweise auf menschliche Überreste.
Wir haben uns die Mühe gemacht, die wissenschaftlichen Recherchen zu den “Wegen der Asche” im Vorfeld allein für Auschwitz einmal exemplarisch aufzubereiten."

Quelle und weiter: https://sucht-uns.de/

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Monkeyson
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Re: Zeitgeschehen / Panorama

Beitrag von Monkeyson » Di 3. Dez 2019, 11:28

NeonGolden hat geschrieben:
Di 3. Dez 2019, 10:26
Stebbie hat geschrieben:
Mo 2. Dez 2019, 21:32
Es ist halt, wie Robin sagt: Die ZPS spielt mit der Empörung und generiert immer viel Aufmerksamkeit, aber wirklich bezweckt hat es nie was. Da ist jede lokale Antifagruppe wichtiger.
"Woher kommt die Asche?
Wir haben Tausende Quellen ausgewertet und sind den Spuren gefolgt: nach Nordhausen, Auschwitz, Sobibór, Majdanek, Chelmno, Mauthausen, Belzec, Treblinka, Berdychiv, Plyskiv. Die Asche der Ermordeten wurde in Dämmen verbaut, auf Feldern verscharrt und in Flüssen verkippt. Wir haben an 23 Orten 248 Bodenproben genommen und in mehrere Labore außerhalb Deutschlands geschickt. In 175 der Proben fanden sich Hinweise auf menschliche Überreste.
Wir haben uns die Mühe gemacht, die wissenschaftlichen Recherchen zu den “Wegen der Asche” im Vorfeld allein für Auschwitz einmal exemplarisch aufzubereiten."
Und diese Herangehensweise alleine bezweckt dann doch etwas, bei mir z.B. das Wissen um derartige Zeitzeugnisse. Hätte man jetzt rein wissenschaftlich betreiben können mit nullkommairgendwas Reichweite oder aber als provokative Kunst mit maximaler Aufmerksamkeit.

Gelöschter Benutzer 408

Re: Zeitgeschehen / Panorama

Beitrag von Gelöschter Benutzer 408 » Di 3. Dez 2019, 11:35

Monkeyson hat geschrieben:
Di 3. Dez 2019, 11:28
NeonGolden hat geschrieben:
Di 3. Dez 2019, 10:26

"Woher kommt die Asche?
Wir haben Tausende Quellen ausgewertet und sind den Spuren gefolgt: nach Nordhausen, Auschwitz, Sobibór, Majdanek, Chelmno, Mauthausen, Belzec, Treblinka, Berdychiv, Plyskiv. Die Asche der Ermordeten wurde in Dämmen verbaut, auf Feldern verscharrt und in Flüssen verkippt. Wir haben an 23 Orten 248 Bodenproben genommen und in mehrere Labore außerhalb Deutschlands geschickt. In 175 der Proben fanden sich Hinweise auf menschliche Überreste.
Wir haben uns die Mühe gemacht, die wissenschaftlichen Recherchen zu den “Wegen der Asche” im Vorfeld allein für Auschwitz einmal exemplarisch aufzubereiten."
Und diese Herangehensweise alleine bezweckt dann doch etwas, bei mir z.B. das Wissen um derartige Zeitzeugnisse. Hätte man jetzt rein wissenschaftlich betreiben können mit nullkommairgendwas Reichweite oder aber als provokative Kunst mit maximaler Aufmerksamkeit.
Eben. Akademisches Historikergeschwafel interessiert doch außerhalb des Elfenbeinturmes niemanden. Vielfach auch eigenverschuldet und völlig zu Recht. Allerdings fand ich den Aspekt der Totenruhe bzw. Grabschändung auch wichtig. Dazu steht ja auch was in den FAQs. Was die Kritik angeht, so gibt es hier in viele Richtungen Stimmen. Zum einen Kritik von Juden bzgl. der religiösen Begräbnisvorgaben, welche man würdigen sollte. Zum anderen lobt z.b. Lea Rosh diese Aktion. Ansonsten habe ich noch nicht viel dazu gelesen, hier kann mir gern jemand Quellen liefern.

Nochmal hierzu:
Symbolismen verhindern keinen Faschismus
Die Antifa allerdings (leider) erst recht nicht.

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Re: Zeitgeschehen / Panorama

Beitrag von NeonGolden » Di 3. Dez 2019, 11:57

Da bin ich bei euch, allein der Fingerzeig auf diesen Sachverhalt verleiht der Aktion einen hohen Wert. Fraglich bleibt für mich trotzdem, ob man das nicht auch anders hätte lösen können - ohne die Opfer als Material zu verarbeiten. Rational betrachtet könnte man natürlich argumentieren, dass sie dort vermutlich besser aufgehoben sind, als als Schüttgut irgendwo im Nirgendwo, achtlos verstreut von den Tätern. Für mich persönlich würde ich mir das definitiv wünschen, aber es ist auch anmaßend, das ohne Zustimmung für einen Anderen einfach so zu machen. Die Argumentation mit den zwei genannten Zitaten geht ja in diese Richtung, finde ich aber nicht ausreichend.

Gelöschter Benutzer 408

Re: Zeitgeschehen / Panorama

Beitrag von Gelöschter Benutzer 408 » Di 3. Dez 2019, 12:17

Verstehe ich absolut. Bei mir ist es ein abwägen aus symbolischem Wert und Message gegenüber eben diesen Bedenken. Derzeit trendet ja #Baseballschlägerjahre und als jemand, der diese Zeiten leider miterleben musste, kann der Fingerzeig in die Wunde, dass man diesen Faschisten jetzt Regierungsoptionen bietet, nicht groß genug sein.

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Re: Zeitgeschehen / Panorama

Beitrag von Engholm » Di 3. Dez 2019, 12:29

Ich fand/finde in dem Zusammenhang der Aktion des ZPS die Aussage von Shahak Shapira sehr gut formuliert:


Ich helfe euch mal mit dieser Aktion vom Zentrum für Politische Schönheit aus: ihr werdet keine homogene Entscheidung unter den Angehörigen von Holocaustopfern dazu finden, ob man ihre Asche als Säule verewigen darf. Ich weiß nur folgendes: die Nazis haben den Menschen in den Lagern gesagt, dass die Welt niemals mitbekommen wird, was mit ihnen passiert. Deshalb wurden diese Menschen erst zu Asche. Mein Großvater hat nie über den Holocaust gesprochen, aber es war ihm und zehntausenden anderen Überlebenden trotzdem wichtig, ein Testament in Yad Vashem zu hinterlassen und ihre Geschichten vor der Vergessenheit zu retten. Es ist einfach, Instrumentalisierung vorzuwerfen. Ist ein leerer Vorwurf. Natürlich instrumentalisierst du die Geschichten der Opfer, damit sie nicht aussterben.
Im Kontext mit den "Spuren aus Tausenden Quellen" ist diese Aktion aus meiner Sicht eher ein "wir sorgen dafür, dass alle wissen werden, was mit euch passiert ist". Ich kann hier auch keine Profilierung im Namen der Kunst erkennen. Beim besten Willen nicht.

edit:
Diese kontroverse Art & Weise das Thema aufzurütteln, dürfte um einiges mehr Aufmerksamkeit und Hinterfragungen generieren, als wenn man nur irgendwo Plakate aufgestellt hätte.


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