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Musikalische Rückblicke auf das Jahrzehnt

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Monkeyson
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Re: Musikalische Rückblicke auf das Jahrzehnt

Beitrag von Monkeyson » Di 12. Nov 2019, 11:24

slowdive hat geschrieben:
Di 12. Nov 2019, 09:30
[...] die These aufgestellt, dass die Zeit von ca. 2003 bis heute [...] schon bald als die schlimmste seit den 1950ern angesehen wird. Er begründet dies eben auch damit, dass sich besonders in der Musik eine absolute Visionslosigkeit, die innerhalb der Gesellschaft anzutreffen ist, wiederspiegelt.

[...]

Dazu natürlich noch Alben, die in ihrer Musik (und ggfs. auch ihren Texten) zeitlose menschliche Emotionen berühren (Sufjan Stevens' "Carrie & Lowell", Joanna Newsoms "Have One on Me", Mount Eeries Alben, Sun Kil Moons "Benji", etc.) – quasi die musikalischen Gegenstücke zu Filmen wie dem wunderschönen "Call Me By Your Name". :herzen2:
Wenn du solche Alben nennst, dann untergräbst du aber deinen eigenen Anspruch nach Neuartigkeit, oder was verstehe ich falsch? Hat ein Grundsockel "zeitloser" Alben seine Daseinsberechtigung, so lange es nur ausreichend Neues drumherum gibt?

Dann würden andere Hörer aber andere Beispiele für zeitlose menschliche Emotionen nennen, die von dir genannten Bands haben ja diesbezüglich kein Alleinstellungsmerkmal.

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slowdive
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Re: Musikalische Rückblicke auf das Jahrzehnt

Beitrag von slowdive » Di 12. Nov 2019, 12:08

Monkeyson hat geschrieben:
Di 12. Nov 2019, 11:24
slowdive hat geschrieben:
Di 12. Nov 2019, 09:30
[...] die These aufgestellt, dass die Zeit von ca. 2003 bis heute [...] schon bald als die schlimmste seit den 1950ern angesehen wird. Er begründet dies eben auch damit, dass sich besonders in der Musik eine absolute Visionslosigkeit, die innerhalb der Gesellschaft anzutreffen ist, wiederspiegelt.

[...]

Dazu natürlich noch Alben, die in ihrer Musik (und ggfs. auch ihren Texten) zeitlose menschliche Emotionen berühren (Sufjan Stevens' "Carrie & Lowell", Joanna Newsoms "Have One on Me", Mount Eeries Alben, Sun Kil Moons "Benji", etc.) – quasi die musikalischen Gegenstücke zu Filmen wie dem wunderschönen "Call Me By Your Name". :herzen2:
Wenn du solche Alben nennst, dann untergräbst du aber deinen eigenen Anspruch nach Neuartigkeit, oder was verstehe ich falsch? Hat ein Grundsockel "zeitloser" Alben seine Daseinsberechtigung, so lange es nur ausreichend Neues drumherum gibt?

Dann würden andere Hörer aber andere Beispiele für zeitlose menschliche Emotionen nennen, die von dir genannten Bands haben ja diesbezüglich kein Alleinstellungsmerkmal.
Jein. Es halt eher diese typische Gegenüberstellung von Hochkultur und Popkultur (die Begriffe schätze ich übrigens nicht, da sie eine qualitative Hierachie beschwören, die es so nicht gibt). Popkultur ist meines Erachtens im Gegensatz zur Hochkultur von kommerzielleren, zeitgeistigeren und auch gesellschaftlichen Einflüssen und Debatten durchzogen und taugt daher eher zur Analyse von Kultur und Gesellschaft. Letzere findet eher abgekapselt davon statt. Die Grenze ist dabei natürlich nicht klar gesteckt und muss immer wieder neu abgetastet werden. Im Film ist das Ganze noch etwas einfacher (wenngleich natürlich auch nicht trennscharf), da man zwischen großen Hollywood-Studio-Produktionen, die von etlichen (finanziellen) Interessen von Studios, Produzenten, etc. durchzogen sind und zielgruppenbasiert kreiiert werden (und somit auch immer eine bestimmte gesellschaftliche Stimmung/Ideologie abbilden) und eigenbrötlerischen Autorenfilmen, die diesen Einflüssen weniger ausgesetzt sind, unterscheiden kann (natürlich gibt es auch Grenzgänger; Villeneuve, Tarantino, Scorsese, etc.). Nach innen gerichte Alben, wie die genannten, sind für mich eher musikalische Pendants zu Zweiteren.

Wie gesagt, kein Qualitätsmerkmal. Janelle Monae oder Solange machen bessere Musik als die DIY-Band um die Ecke und Mission Impossible: Fallout ist sicher besser, als die meisten Indieproduktionen der letzten Jahre.

fipsi
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Re: Musikalische Rückblicke auf das Jahrzehnt

Beitrag von fipsi » Di 12. Nov 2019, 12:12

mattkru hat geschrieben:
Di 12. Nov 2019, 11:55
fipsi hat geschrieben:
Di 12. Nov 2019, 11:18
mattkru hat geschrieben:
Di 12. Nov 2019, 10:13
Free Jazz + Bubblegum Pop
Habe ich da 100 gecs gehört? :doof:
Gibt es das wirklich???

Ich hatte das einfach nur als völlig absurde Kombination in den Raum geworfen.
Also 100 gecs werfen zu ihrem Bubblegum Bass/Trap Pop so viele Genres hinzu (there is even a ska song!), dass da bestimmt auch Spuren von Free Jazz zu finden sind. Auf Struktur wird da nämlich nahezu komplett verzichtet. Daher geht es in diese absurde Richtung.

100 gecs - stupid horse
100 gecs - money machine

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Re: Musikalische Rückblicke auf das Jahrzehnt

Beitrag von Monkeyson » Di 12. Nov 2019, 12:30

slowdive hat geschrieben:
Di 12. Nov 2019, 12:08
Monkeyson hat geschrieben:
Di 12. Nov 2019, 11:24
slowdive hat geschrieben:
Di 12. Nov 2019, 09:30
[...] Alben, die in ihrer Musik (und ggfs. auch ihren Texten) zeitlose menschliche Emotionen berühren (Sufjan Stevens' "Carrie & Lowell", Joanna Newsoms "Have One on Me", Mount Eeries Alben, Sun Kil Moons "Benji", etc.) – quasi die musikalischen Gegenstücke zu Filmen wie dem wunderschönen "Call Me By Your Name". :herzen2:
Wenn du solche Alben nennst, dann untergräbst du aber deinen eigenen Anspruch nach Neuartigkeit, oder was verstehe ich falsch? Hat ein Grundsockel "zeitloser" Alben seine Daseinsberechtigung, so lange es nur ausreichend Neues drumherum gibt?

Dann würden andere Hörer aber andere Beispiele für zeitlose menschliche Emotionen nennen, die von dir genannten Bands haben ja diesbezüglich kein Alleinstellungsmerkmal.
Jein. Es halt eher diese typische Gegenüberstellung von Hochkultur und Popkultur (die Begriffe schätze ich übrigens nicht, da sie eine qualitative Hierachie beschwören, die es so nicht gibt). Popkultur ist meines Erachtens im Gegensatz zur Hochkultur von kommerzielleren, zeitgeistigeren und auch gesellschaftlichen Einflüssen und Debatten durchzogen und taugt daher eher zur Analyse von Kultur und Gesellschaft. Letzere findet eher abgekapselt davon statt. Die Grenze ist dabei natürlich nicht klar gesteckt und muss immer wieder neu abgetastet werden. Im Film ist das Ganze noch etwas einfacher (wenngleich natürlich auch nicht trennscharf), da man zwischen großen Hollywood-Studio-Produktionen, die von etlichen (finanziellen) Interessen von Studios, Produzenten, etc. durchzogen sind und zielgruppenbasiert kreiiert werden (und somit auch immer eine bestimmte gesellschaftliche Stimmung/Ideologie abbilden) und eigenbrötlerischen Autorenfilmen, die diesen Einflüssen weniger ausgesetzt sind, unterscheiden kann (natürlich gibt es auch Grenzgänger; Villeneuve, Tarantino, Scorsese, etc.). Nach innen gerichte Alben, wie die genannten, sind für mich eher musikalische Pendants zu Zweiteren.

Wie gesagt, kein Qualitätsmerkmal. Janelle Monae oder Solange machen bessere Musik als die DIY-Band um die Ecke und Mission Impossible: Fallout ist sicher besser, als die meisten Indieproduktionen der letzten Jahre.
Klingt klug, verstehe ich aber nicht. In Filmen gesprochen sind die Avengers Popkultur und Wes Anderson Hochkultur? Dann würde mich interessieren, warum letztere weniger zur Analyse von Kultur und Gesellschaft taugen. Rein quantitativ gesprochen, weil sie nur für eine Nische sprechen und nicht für den zahlenmäßig weit größeren Mainstream? Wenn man einen Mainstream allerdings für alle Zeiten als gegeben ansieht, könnte es für ein Bild der zeitgenössischen Gesellschaft sogar interessanter sein, sich die Nischenprodukte anzusehen. (These wäre dann, dass die Ausgestaltung des jeweiligen Mainstreams austauschbar ist und daher keiner so tiefgehenden Untersuchung bedarf wie die Ausfransungen an den Rändern.)

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Monkeyson
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Re: Musikalische Rückblicke auf das Jahrzehnt

Beitrag von Monkeyson » Di 12. Nov 2019, 12:56

fipsi hat geschrieben:
Do 7. Nov 2019, 17:21
Why Was Pop Music So Mild And Inoffensive In The 2010s?

Was mir im Bezug dazu auffällt, dass die Figuren im aktuellen Pop mit einem doch stärkeren Profil nahezu alle weiblich sind.

Passend dazu sind bei den diesjährigen AMA's alle bisher angekündigten Liveacts Frauen: Camilla Cabello, Billie Eilish, Dua Lipa, Lizzo und Taylor Swift. Diese Künstlerinnen stehen meiner Meinung nach inhaltlich für irgendetwas. Vielleicht haben sie deshalb so einen Erfolg und ihre männlichen Kollegen werden zu Randgestalten?
Ich würde aktuellen Erfolg nicht allzu sehr hervorheben, wenn die Gründe dafür, wie im Artikel genannt, dergestalt sind:
A lot has been written about how streaming platforms have transformed pop songwriting in the last several years. The phenomenon known as “lean back listening,” in which listeners allow themselves to be guided to the next song — either via a playlist or an algorithm — rather than choosing it themselves, has fundamentally changed the pop audience. Many people no longer listen to specific artists, they listen to Spotify, just as they tune into Netflix first, and then allow Netflix to show them their options for tonight’s entertainment.

Song lengths have shrunk along with attention spans, and the golden rule of “don’t bore us, get to the chorus” has taken on the stature of scripture. These platforms have also disincentivized provocation, whether it’s lyrical or musical. Now more than ever, we listen to music either via laptop speakers or headphones, which enhances intimate or quiet music and makes it harder to appreciate screaming, power chords, or any other musical gesture intended to be felt as much as heard. And this, in turn, has influenced what people value most from music.

In a 2019 column about the popularity of the Youtube channel for Chillhop Music, basically an extremely relaxed form of rap, the critic Amanda Petrusich mused that “the music wasn’t really for liking, in the traditional sense. The music wasn’t for anything. It merely existed to facilitate and sustain a mood, which in turn might enable a task: studying, folding laundry, making spreadsheets, idly browsing the Internet.”
Interessanter Aspekt, der in der hier geführten Debatte nicht fehlen darf! Bislang verlief die eher deskriptiv.

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slowdive
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Re: Musikalische Rückblicke auf das Jahrzehnt

Beitrag von slowdive » Di 12. Nov 2019, 13:18

Monkeyson hat geschrieben:
Di 12. Nov 2019, 12:30
slowdive hat geschrieben:
Di 12. Nov 2019, 12:08
Monkeyson hat geschrieben:
Di 12. Nov 2019, 11:24


Wenn du solche Alben nennst, dann untergräbst du aber deinen eigenen Anspruch nach Neuartigkeit, oder was verstehe ich falsch? Hat ein Grundsockel "zeitloser" Alben seine Daseinsberechtigung, so lange es nur ausreichend Neues drumherum gibt?

Dann würden andere Hörer aber andere Beispiele für zeitlose menschliche Emotionen nennen, die von dir genannten Bands haben ja diesbezüglich kein Alleinstellungsmerkmal.
Jein. Es halt eher diese typische Gegenüberstellung von Hochkultur und Popkultur (die Begriffe schätze ich übrigens nicht, da sie eine qualitative Hierachie beschwören, die es so nicht gibt). Popkultur ist meines Erachtens im Gegensatz zur Hochkultur von kommerzielleren, zeitgeistigeren und auch gesellschaftlichen Einflüssen und Debatten durchzogen und taugt daher eher zur Analyse von Kultur und Gesellschaft. Letzere findet eher abgekapselt davon statt. Die Grenze ist dabei natürlich nicht klar gesteckt und muss immer wieder neu abgetastet werden. Im Film ist das Ganze noch etwas einfacher (wenngleich natürlich auch nicht trennscharf), da man zwischen großen Hollywood-Studio-Produktionen, die von etlichen (finanziellen) Interessen von Studios, Produzenten, etc. durchzogen sind und zielgruppenbasiert kreiiert werden (und somit auch immer eine bestimmte gesellschaftliche Stimmung/Ideologie abbilden) und eigenbrötlerischen Autorenfilmen, die diesen Einflüssen weniger ausgesetzt sind, unterscheiden kann (natürlich gibt es auch Grenzgänger; Villeneuve, Tarantino, Scorsese, etc.). Nach innen gerichte Alben, wie die genannten, sind für mich eher musikalische Pendants zu Zweiteren.

Wie gesagt, kein Qualitätsmerkmal. Janelle Monae oder Solange machen bessere Musik als die DIY-Band um die Ecke und Mission Impossible: Fallout ist sicher besser, als die meisten Indieproduktionen der letzten Jahre.
Klingt klug, verstehe ich aber nicht. In Filmen gesprochen sind die Avengers Popkultur und Wes Anderson Hochkultur? Dann würde mich interessieren, warum letztere weniger zur Analyse von Kultur und Gesellschaft taugen. Rein quantitativ gesprochen, weil sie nur für eine Nische sprechen und nicht für den zahlenmäßig weit größeren Mainstream? Wenn man einen Mainstream allerdings für alle Zeiten als gegeben ansieht, könnte es für ein Bild der zeitgenössischen Gesellschaft sogar interessanter sein, sich die Nischenprodukte anzusehen. (These wäre dann, dass die Ausgestaltung des jeweiligen Mainstreams austauschbar ist und daher keiner so tiefgehenden Untersuchung bedarf wie die Ausfransungen an den Rändern.)
Beides ist interessant. Nur, um es mal etwas anders auszurücken: Um zu sehen, was die Masse (= Gesellschaft) bewegt/beschäftigt, muss man schauen was sie konsumiert bzw. welche Werke explizit so konzipiert werden, dass sie Massen erreichen. Deswegen meine ich, kann man aus einem Marvel-Film mehr über den Zeitgeist lernen, als aus einem Wes Anderson-Film (ein guter Vergleich). Der popkulturelle Mainstream ändert sich aber natürlich auch, weswegen eine Analyse immer für eine bestimmte Zeit interessant ist.

Gibt auch ein paar ganz gute Videos zum Phänomen, das auch mich umtreibt (zumindest so ungefähr).


Gelöschter Benutzer 408

Re: Musikalische Rückblicke auf das Jahrzehnt

Beitrag von Gelöschter Benutzer 408 » Di 12. Nov 2019, 13:23

Beides ist interessant. Nur, um es mal etwas anders auszurücken: Um zu sehen, was die Masse (= Gesellschaft) bewegt/beschäftigt, muss man schauen was sie konsumiert bzw. welche Werke explizit so konzipiert werden, dass sie Massen erreichen. Deswegen meine ich, kann man aus einem Marvel-Film mehr über den Zeitgeist lernen, als aus einem Wes Anderson-Film (ein guter Vergleich). Der popkulturelle Mainstream ändert sich aber natürlich auch, weswegen eine Analyse immer für eine bestimmte Zeit interessant ist.
Ganz ehrlich: Was popkulturell (insbesondere in Schland) derzeit so angesagt ist, war noch absolut kein Thema und das ist auch gut so. Oder erinnert sich noch jemand an die geforderte Deutsch-Quote fürs Radio? :lolol:

fipsi
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Re: Musikalische Rückblicke auf das Jahrzehnt

Beitrag von fipsi » Di 12. Nov 2019, 13:26

Ich habe mal für das Thema Popkultur (besonders auch Film und Fernsehen) einen eigenen Thread gestartet.

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Monkeyson
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Re: Musikalische Rückblicke auf das Jahrzehnt

Beitrag von Monkeyson » Di 12. Nov 2019, 14:07

mattkru hat geschrieben:
Di 12. Nov 2019, 13:28
Bei Blockbustern muss auch gesagt werden: die machen haufenweise Geld in China und die Menschen dort ticken bzgl. eines ‚reflektierten Konsumverhaltens’ ungefähr so wie ‚Der Deutsche‘ in den 50er Jahren.
Hierzu auch interessant: 6 Bizarre Ways Chinese Audiences Alter Movies You Watch, speziell #1 zu Chinas Liebe für u.a. Terminator Genisys.

Back to topic: Ich weiß jetzt nicht, was Chinesen aktuell für Musik hören oder ab wann das Poptrends hierzulande beeinflusst.

Gelöschter Benutzer 408

Re: Musikalische Rückblicke auf das Jahrzehnt

Beitrag von Gelöschter Benutzer 408 » Di 12. Nov 2019, 14:08

Monkeyson hat geschrieben:
Di 12. Nov 2019, 14:07
mattkru hat geschrieben:
Di 12. Nov 2019, 13:28
Bei Blockbustern muss auch gesagt werden: die machen haufenweise Geld in China und die Menschen dort ticken bzgl. eines ‚reflektierten Konsumverhaltens’ ungefähr so wie ‚Der Deutsche‘ in den 50er Jahren.
Hierzu auch interessant: 6 Bizarre Ways Chinese Audiences Alter Movies You Watch, speziell #1 zu Chinas Liebe für u.a. Terminator Genisys.

Back to topic: Ich weiß jetzt nicht, was Chinesen aktuell für Musik hören oder ab wann das Poptrends hierzulande beeinflusst.
Im besten Fall hören sie Wang Wen.

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Flecha
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Re: Musikalische Rückblicke auf das Jahrzehnt

Beitrag von Flecha » Di 12. Nov 2019, 16:00

Quadrophobia hat geschrieben:
Di 12. Nov 2019, 11:21
Heavy Metal ist übrigens das aktuell am schnellsten wachsende Genre. Mit Glück kann die Innovationsdynamik der von euch genannten Bands ( ich hab in dem Genre einfach keine Ahnung) ja etwas in die Popkultur einschreiben. Wenns schlecht läuft, lösen Five Finger Death Punch halt Taylor Swift ab.
Gojira werden ja z.B. auch immer größer und sind mit ihrem "Environmetal" recht nah am Zeitgeist. Und musikalisch ziemlich einzigartig.
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Re: Musikalische Rückblicke auf das Jahrzehnt

Beitrag von fipsi » Di 12. Nov 2019, 17:10

Flecha hat geschrieben:
Di 12. Nov 2019, 16:00
Quadrophobia hat geschrieben:
Di 12. Nov 2019, 11:21
Heavy Metal ist übrigens das aktuell am schnellsten wachsende Genre. Mit Glück kann die Innovationsdynamik der von euch genannten Bands ( ich hab in dem Genre einfach keine Ahnung) ja etwas in die Popkultur einschreiben. Wenns schlecht läuft, lösen Five Finger Death Punch halt Taylor Swift ab.
Gojira werden ja z.B. auch immer größer und sind mit ihrem "Environmetal" recht nah am Zeitgeist. Und musikalisch ziemlich einzigartig.
Passend dazu gab es letztens von CoS ihre Liste mit den besten Metal-Alben des Jahrzehnts. Die hinteren Plätze kann ich nicht ganz nachvollziehen, aber die Top5 ist schon ziemlich stark und abwechslungsreich besetzt mit Ghost, Power Trip, Deafheaven, Gojira und Behemoth. Die Bands schaffen es auch alle ziemlich gut alte Einflüsse in die aktuelle Zeit zu bringen und somit sich abzusetzen von anderen Metalprojekten. Ich bin dann gespannt auf Listen der genrenahen Magazine und Blogs.

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Re: Musikalische Rückblicke auf das Jahrzehnt

Beitrag von slowdive » Di 12. Nov 2019, 17:27

Flecha hat geschrieben:
Di 12. Nov 2019, 16:00
Quadrophobia hat geschrieben:
Di 12. Nov 2019, 11:21
Heavy Metal ist übrigens das aktuell am schnellsten wachsende Genre. Mit Glück kann die Innovationsdynamik der von euch genannten Bands ( ich hab in dem Genre einfach keine Ahnung) ja etwas in die Popkultur einschreiben. Wenns schlecht läuft, lösen Five Finger Death Punch halt Taylor Swift ab.
"Environmetal"
Was genau ist das bzw. wie zeigt es sich? Klingt interessant. Ohnehin finde ich Gojira durchaus cool. Ist ja auch eine der "aktuellen" Genre-Bands, die man auch außerhalb der Bubble immer wieder mal hört (ich muss es wissen :grin: ).

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Re: Musikalische Rückblicke auf das Jahrzehnt

Beitrag von Flecha » Di 12. Nov 2019, 17:39

slowdive hat geschrieben:
Di 12. Nov 2019, 17:27
Was genau ist das bzw. wie zeigt es sich? Klingt interessant. Ohnehin finde ich Gojira durchaus cool. Ist ja auch eine der "aktuellen" Genre-Bands, die man auch außerhalb der Bubble immer wieder mal hört (ich muss es wissen :grin: ).
Das ist natürlich kein Genre für sich, das man musikalisch irgendwo dran festmachen könnte. :mrgreen:
Und ja, dass sie 2018 beim Glastonbury gespielt haben, spricht ja z.B. auch für sich.

Aber Gojira haben von Anfang textlich sehr starke Umweltaspekte in ihren Songs, insbesondere zum Thema Ozeane - und arbeiten etwa mit Sea Shepherd recht eng zusammen. Beim letzten Hamburg-Gig hatten die z.B. einen Spendenstand dabei.

Etwas detaillierter hier: https://www.loudersound.com/features/we ... rtant-band
Though their roots lay in death metal, one internet commentator neatly encapsulated the band’s ethics and integrity when he christened Gojira ‘Life Metal’, a tag which speaks to both the quartet’s optimistic, humanistic outlook and their tireless, fearless and very vocal championing of environmental causes. Though Magma is less explicitly politicised in this respect, its key lyric, closing the pulverising Silvera, reads: ‘When you change yourself, you change the world’, an ethos Joe and Mario identify as their band’s key message.

“We’re no eco warriors,” insists Mario, “but we’re conscious human beings, and of course we think about life, and how we’d like to live. And those thoughts have resonance. It’s not only about the ecology of nature, it’s also the ecology of human beings. We all have a responsibility to think, and do, things that enrich our word. It’s a chaotic world, with an economy based on fraud, and politics based on corruption, but as ugly as the world is, we can change it.”
Anspieltipps von politischen Gojira-Songs alt nach jung:

Flying Whales
Global Warming
Toxic Garbage Island
Planned Obsolescence
Silvera
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Re: Musikalische Rückblicke auf das Jahrzehnt

Beitrag von Monkeyson » Mi 13. Nov 2019, 10:03

slowdive hat geschrieben:
Di 12. Nov 2019, 12:08
Monkeyson hat geschrieben:
Di 12. Nov 2019, 11:24
slowdive hat geschrieben:
Di 12. Nov 2019, 09:30
[...] die These aufgestellt, dass die Zeit von ca. 2003 bis heute [...] schon bald als die schlimmste seit den 1950ern angesehen wird. Er begründet dies eben auch damit, dass sich besonders in der Musik eine absolute Visionslosigkeit, die innerhalb der Gesellschaft anzutreffen ist, wiederspiegelt.

[...]

Dazu natürlich noch Alben, die in ihrer Musik (und ggfs. auch ihren Texten) zeitlose menschliche Emotionen berühren (Sufjan Stevens' "Carrie & Lowell", Joanna Newsoms "Have One on Me", Mount Eeries Alben, Sun Kil Moons "Benji", etc.) – quasi die musikalischen Gegenstücke zu Filmen wie dem wunderschönen "Call Me By Your Name". :herzen2:
Wenn du solche Alben nennst, dann untergräbst du aber deinen eigenen Anspruch nach Neuartigkeit, oder was verstehe ich falsch? Hat ein Grundsockel "zeitloser" Alben seine Daseinsberechtigung, so lange es nur ausreichend Neues drumherum gibt?

Dann würden andere Hörer aber andere Beispiele für zeitlose menschliche Emotionen nennen, die von dir genannten Bands haben ja diesbezüglich kein Alleinstellungsmerkmal.
Jein. Es halt eher diese typische Gegenüberstellung von Hochkultur und Popkultur (die Begriffe schätze ich übrigens nicht, da sie eine qualitative Hierachie beschwören, die es so nicht gibt). Popkultur ist meines Erachtens im Gegensatz zur Hochkultur von kommerzielleren, zeitgeistigeren und auch gesellschaftlichen Einflüssen und Debatten durchzogen und taugt daher eher zur Analyse von Kultur und Gesellschaft. Letzere findet eher abgekapselt davon statt. Die Grenze ist dabei natürlich nicht klar gesteckt und muss immer wieder neu abgetastet werden. Im Film ist das Ganze noch etwas einfacher (wenngleich natürlich auch nicht trennscharf), da man zwischen großen Hollywood-Studio-Produktionen, die von etlichen (finanziellen) Interessen von Studios, Produzenten, etc. durchzogen sind und zielgruppenbasiert kreiiert werden (und somit auch immer eine bestimmte gesellschaftliche Stimmung/Ideologie abbilden) und eigenbrötlerischen Autorenfilmen, die diesen Einflüssen weniger ausgesetzt sind, unterscheiden kann (natürlich gibt es auch Grenzgänger; Villeneuve, Tarantino, Scorsese, etc.). Nach innen gerichte Alben, wie die genannten, sind für mich eher musikalische Pendants zu Zweiteren.

Wie gesagt, kein Qualitätsmerkmal. Janelle Monae oder Solange machen bessere Musik als die DIY-Band um die Ecke und Mission Impossible: Fallout ist sicher besser, als die meisten Indieproduktionen der letzten Jahre.
Leider verstehe ich dein Ansinnen immer noch nicht. Dein ursprünglicher Vorwurf war doch, dass aktuelle Musik zu visionslos, zu apolitisch ist, sehe ich das richtig?

Nun schreibst du, dass "Hochkultur" (nicht dein Begriff, ich weiß) eher abgekapselt von "kommerzielleren, zeitgeistigeren und auch gesellschaftlichen Einflüssen und Debatten" stattfindet und daher "nach innen gerichteten Alben" von Künstlern, die "zeitlose menschliche Emotionen berühren (Sufjan Stevens' "Carrie & Lowell", Joanna Newsoms "Have One on Me", Mount Eeries Alben, Sun Kil Moons "Benji", etc.)", dieser Vorwurf nicht gemacht werden kann, wenn ich dich richtig verstehe?

Ich finde, du machst es dir damit zu einfach, gesellschaftliche Statements nur von der vermeintlichen Popkultur einzufordern. Wütende, die gesellschaftlichen Verhältnisse anprangernde Musik kam doch immer erst aus unpopulären Nischen, ist dann aber zu einem Zeitpunkt, wo die sperrigen Aussagen der Gründerväter (des Hiphop, des Punk, des Metal?) längst getätigt wurden, ohne deren Mitwirkung in den populären Kanon aufgenommen worden. Der Vorwurf wäre also höchstens allen danachfolgenden Generationen zu machen, aber mit welcher Rechtfertigung möchte man einem jungen Künstler verweigern, sich eher in der Hochkultur zu verorten, wo er/sie sich lieber apolitisch äußern möchte? Es hat sich ja niemand beim Amt für Genreeinstufungen zu melden, mit dem Ziel, herauszufinden, ob man nun eher der Pop- oder Hochkultur zuzurechnen sei.

Nun schreibst du, dass die Grenze ohnehin nicht trennscharf ist ggü zB dem Medium Film, wo das aufgrund des finanziellen Backgrounds schon einfacher einzuteilen ist. Aber auch dort verstehe ich deinen Appell nicht, warum gerade die Popkultur sich visionär äußern solle, die "eigenbrötlerischen Autorenfilme" sich jedoch auf den Standpunkt "zeitloser menschlicher Emotionen" ins Apolitische zurückziehen dürfen. Sind nicht gerade die finanziell unabhängigen Autoren, Regisseure und Produzenten gefordert, die gesellschaftlichen Missstände anzuprangern, ohne Beeinflussungen durch Geldgeber oder durch eine zu erwartende Publikumsmeinung befürchten zu müssen?

Musikalisch gesprochen: Kann man nicht gerade von Sufjan Stevens Visionärität und politische Positionierung einfordern, wo dies bei interessengeleiteten Marionetten irgendwelcher Majors schwer möglich ist?

Ich hingegen würde der gesamten Zunft hier gar keine Vorgaben machen. Wenn der aktuelle Querschnitt relativ apolitisch und unvisionär wirkt, dann sollte man sich eher Gedanken machen, ob sich der wahrgenommene Querschnitt aufgrund anderer Hörgewohnheiten / algorithmischer Einflüsse vielleicht verschoben hat (vgl hierzu den von fipsi verlinkten Artikel). Dass niemand mehr sperrige Musik mit einer Vision zu kreieren vermag, bezweifle ich einfach (vgl hierzu zB Blackstars Auflistung). Darüber, dass diese Subgruppe weniger wahrgenommen wird, sollten wir sprechen.

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Re: Musikalische Rückblicke auf das Jahrzehnt

Beitrag von slowdive » Mi 13. Nov 2019, 10:40

Monkeyson hat geschrieben:
Mi 13. Nov 2019, 10:03
slowdive hat geschrieben:
Di 12. Nov 2019, 12:08
Monkeyson hat geschrieben:
Di 12. Nov 2019, 11:24


Wenn du solche Alben nennst, dann untergräbst du aber deinen eigenen Anspruch nach Neuartigkeit, oder was verstehe ich falsch? Hat ein Grundsockel "zeitloser" Alben seine Daseinsberechtigung, so lange es nur ausreichend Neues drumherum gibt?

Dann würden andere Hörer aber andere Beispiele für zeitlose menschliche Emotionen nennen, die von dir genannten Bands haben ja diesbezüglich kein Alleinstellungsmerkmal.
Jein. Es halt eher diese typische Gegenüberstellung von Hochkultur und Popkultur (die Begriffe schätze ich übrigens nicht, da sie eine qualitative Hierachie beschwören, die es so nicht gibt). Popkultur ist meines Erachtens im Gegensatz zur Hochkultur von kommerzielleren, zeitgeistigeren und auch gesellschaftlichen Einflüssen und Debatten durchzogen und taugt daher eher zur Analyse von Kultur und Gesellschaft. Letzere findet eher abgekapselt davon statt. Die Grenze ist dabei natürlich nicht klar gesteckt und muss immer wieder neu abgetastet werden. Im Film ist das Ganze noch etwas einfacher (wenngleich natürlich auch nicht trennscharf), da man zwischen großen Hollywood-Studio-Produktionen, die von etlichen (finanziellen) Interessen von Studios, Produzenten, etc. durchzogen sind und zielgruppenbasiert kreiiert werden (und somit auch immer eine bestimmte gesellschaftliche Stimmung/Ideologie abbilden) und eigenbrötlerischen Autorenfilmen, die diesen Einflüssen weniger ausgesetzt sind, unterscheiden kann (natürlich gibt es auch Grenzgänger; Villeneuve, Tarantino, Scorsese, etc.). Nach innen gerichte Alben, wie die genannten, sind für mich eher musikalische Pendants zu Zweiteren.

Wie gesagt, kein Qualitätsmerkmal. Janelle Monae oder Solange machen bessere Musik als die DIY-Band um die Ecke und Mission Impossible: Fallout ist sicher besser, als die meisten Indieproduktionen der letzten Jahre.
Leider verstehe ich dein Ansinnen immer noch nicht. Dein ursprünglicher Vorwurf war doch, dass aktuelle Musik zu visionslos, zu apolitisch ist, sehe ich das richtig?

Nun schreibst du, dass "Hochkultur" (nicht dein Begriff, ich weiß) eher abgekapselt von "kommerzielleren, zeitgeistigeren und auch gesellschaftlichen Einflüssen und Debatten" stattfindet und daher "nach innen gerichteten Alben" von Künstlern, die "zeitlose menschliche Emotionen berühren (Sufjan Stevens' "Carrie & Lowell", Joanna Newsoms "Have One on Me", Mount Eeries Alben, Sun Kil Moons "Benji", etc.)", dieser Vorwurf nicht gemacht werden kann, wenn ich dich richtig verstehe?

Ich finde, du machst es dir damit zu einfach, gesellschaftliche Statements nur von der vermeintlichen Popkultur einzufordern. Wütende, die gesellschaftlichen Verhältnisse anprangernde Musik kam doch immer erst aus unpopulären Nischen, ist dann aber zu einem Zeitpunkt, wo die sperrigen Aussagen der Gründerväter (des Hiphop, des Punk, des Metal?) längst getätigt wurden, ohne deren Mitwirkung in den populären Kanon aufgenommen worden. Der Vorwurf wäre also höchstens allen danachfolgenden Generationen zu machen, aber mit welcher Rechtfertigung möchte man einem jungen Künstler verweigern, sich eher in der Hochkultur zu verorten, wo er/sie sich lieber apolitisch äußern möchte? Es hat sich ja niemand beim Amt für Genreeinstufungen zu melden, mit dem Ziel, herauszufinden, ob man nun eher der Pop- oder Hochkultur zuzurechnen sei.

Nun schreibst du, dass die Grenze ohnehin nicht trennscharf ist ggü zB dem Medium Film, wo das aufgrund des finanziellen Backgrounds schon einfacher einzuteilen ist. Aber auch dort verstehe ich deinen Appell nicht, warum gerade die Popkultur sich visionär äußern solle, die "eigenbrötlerischen Autorenfilme" sich jedoch auf den Standpunkt "zeitloser menschlicher Emotionen" ins Apolitische zurückziehen dürfen. Sind nicht gerade die finanziell unabhängigen Autoren, Regisseure und Produzenten gefordert, die gesellschaftlichen Missstände anzuprangern, ohne Beeinflussungen durch Geldgeber oder durch eine zu erwartende Publikumsmeinung befürchten zu müssen?

Musikalisch gesprochen: Kann man nicht gerade von Sufjan Stevens Visionärität und politische Positionierung einfordern, wo dies bei interessengeleiteten Marionetten irgendwelcher Majors schwer möglich ist?

Ich hingegen würde der gesamten Zunft hier gar keine Vorgaben machen. Wenn der aktuelle Querschnitt relativ apolitisch und unvisionär wirkt, dann sollte man sich eher Gedanken machen, ob sich der wahrgenommene Querschnitt aufgrund anderer Hörgewohnheiten / algorithmischer Einflüsse vielleicht verschoben hat (vgl hierzu den von fipsi verlinkten Artikel). Dass niemand mehr sperrige Musik mit einer Vision zu kreieren vermag, bezweifle ich einfach (vgl hierzu zB Blackstars Auflistung). Darüber, dass diese Subgruppe weniger wahrgenommen wird, sollten wir sprechen.
Da ich gerade nicht viel Zeit habe: Wie sind gar nicht allzuweit auseinander. Es geht mir nicht darum, zu sagen, dass niemand mehr radikale Musik machen kann, sondern diese popkulturell nicht mehr stattfindet – was eigentlich deinem letzten Satz beipflichtet.

Die Musik der Friedensbewegungen, das No Future des Punks, die neoliberale Depression des Postpunk, die politische Sprengkraft des Hip Hop, der konventionenbrechende Futurismus von Kraftwerk, die düstere, sterile Club-Szene (Jungle) des Großbritaniens der 90er-Jahre (nicht umsonst wurden hier die dystopischen Entwürfe großer Science-Fiction-Filme gesampled), das Betrauern einer vielleicht entgültig verloren gegangenen Zukunft in der Musik von Burial oder The Caretaker – all das sind (nur einige) Beispiele, die Teil der Popkultur einer Gesellchaft (≠ des State of the Art-Mainstreams einer Gesellschaft), ja teilweise ganze Bewegungen waren. Wo sind diese Beispiele heute? Wo ist die populäre, gesellschaftspolitisch relevante Musik unserer Zeit? Wo ist das Radikale, das Futuristische? Wo wenigstens etwas, das eben diesen visionslosen Zustand aufgreift – selbst in den Nischen? Und ja, natürlich gibt es noch Spuren, auf die ich ja selbst hingewiesen habe.

Es geht also nicht zwangsläufig darum, dass es nichts Neues mehr gibt (wobei meine Prognose auch hier nicht besonders optimistisch ist). Auch die Beispiele von Blackstar zielen nach seiner Auskunft eher darauf ab, dass sich einzelne Genres reformieren (hier: Metal). So sehr ich z.B. die Musik von Alcest schätze, ich sehe nicht wirklich, was dies mit meinem "Problem" zu tun hat (aber vielleicht hat Robin ja recht und die Subkultur rund um Metal kann tatsächlich etwas Neues, Radikales beisteuern?).

Gelöschter Benutzer 408

Re: Musikalische Rückblicke auf das Jahrzehnt

Beitrag von Gelöschter Benutzer 408 » Mi 13. Nov 2019, 13:06

Die Musik der Friedensbewegungen, das No Future des Punks, die neoliberale Depression des Postpunk, die politische Sprengkraft des Hip Hop, der konventionenbrechende Futurismus von Kraftwerk, die düstere, sterile Club-Szene (Jungle) des Großbritaniens der 90er-Jahre (nicht umsonst wurden hier die dystopischen Entwürfe großer Science-Fiction-Filme gesampled), das Betrauern einer vielleicht entgültig verloren gegangenen Zukunft in der Musik von Burial oder The Caretaker – all das sind (nur einige) Beispiele, die Teil der Popkultur einer Gesellchaft (≠ des State of the Art-Mainstreams einer Gesellschaft), ja teilweise ganze Bewegungen waren. Wo sind diese Beispiele heute? Wo ist die populäre, gesellschaftspolitisch relevante Musik unserer Zeit? Wo ist das Radikale, das Futuristische? Wo wenigstens etwas, das eben diesen visionslosen Zustand aufgreift – selbst in den Nischen? Und ja, natürlich gibt es noch Spuren, auf die ich ja selbst hingewiesen habe.
Wo sind sie heute? Frage mal Solange und andere "Black Music". Ansonsten stelle ich mal die Frage in den Raum, ob das wirklich popkulturell relevant hast, was du hier schreibst, oder nicht einfach eine Nische, die du kennst. Popmusik und das, was du hier Kultur nennst waren immer zwei paar Schuhe. Du kannst halt nicht einerseits sagen, Kultur findet nur in unrelevanten Nischen statt und dann aber ausblenden, dass du selbst (Burial z.b. kennt keine Sau) dich nur auf die Nischen beziehst. Klar wurden diese irgendwann größer, aber ich glaube hier finde ein großes Maß an historischer Verklärung statt. Popmusik war - populistisch gesprochen - immer unpopulärer Radiomüll. Dir werden genug beispiele gebracht, die du konsequent ignorierst, weil nicht bekannt genug, machst aber auf der anderen Seite genau das gleiche... Das verstehe ich nicht. Zumal der Pop so politisiert ist, wie lange nicht - siehe New Normal. Das ist die große musikalische Revolution unserer Zeit.

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Re: Musikalische Rückblicke auf das Jahrzehnt

Beitrag von fipsi » Mi 13. Nov 2019, 13:38

Blackstar hat geschrieben:
Mi 13. Nov 2019, 13:06
Die Musik der Friedensbewegungen, das No Future des Punks, die neoliberale Depression des Postpunk, die politische Sprengkraft des Hip Hop, der konventionenbrechende Futurismus von Kraftwerk, die düstere, sterile Club-Szene (Jungle) des Großbritaniens der 90er-Jahre (nicht umsonst wurden hier die dystopischen Entwürfe großer Science-Fiction-Filme gesampled), das Betrauern einer vielleicht entgültig verloren gegangenen Zukunft in der Musik von Burial oder The Caretaker – all das sind (nur einige) Beispiele, die Teil der Popkultur einer Gesellchaft (≠ des State of the Art-Mainstreams einer Gesellschaft), ja teilweise ganze Bewegungen waren. Wo sind diese Beispiele heute? Wo ist die populäre, gesellschaftspolitisch relevante Musik unserer Zeit? Wo ist das Radikale, das Futuristische? Wo wenigstens etwas, das eben diesen visionslosen Zustand aufgreift – selbst in den Nischen? Und ja, natürlich gibt es noch Spuren, auf die ich ja selbst hingewiesen habe.
Wo sind sie heute? Frage mal Solange und andere "Black Music". Ansonsten stelle ich mal die Frage in den Raum, ob das wirklich popkulturell relevant hast, was du hier schreibst, oder nicht einfach eine Nische, die du kennst. Popmusik und das, was du hier Kultur nennst waren immer zwei paar Schuhe. Du kannst halt nicht einerseits sagen, Kultur findet nur in unrelevanten Nischen statt und dann aber ausblenden, dass du selbst (Burial z.b. kennt keine Sau) dich nur auf die Nischen beziehst. Klar wurden diese irgendwann größer, aber ich glaube hier finde ein großes Maß an historischer Verklärung statt. Popmusik war - populistisch gesprochen - immer unpopulärer Radiomüll. Dir werden genug beispiele gebracht, die du konsequent ignorierst, weil nicht bekannt genug, machst aber auf der anderen Seite genau das gleiche... Das verstehe ich nicht. Zumal der Pop so politisiert ist, wie lange nicht - siehe New Normal. Das ist die große musikalische Revolution unserer Zeit.
Ich stimme dir zu bezüglich der Perspektiven. In bestimmten Bereichen stecken wir einfach nicht drin und können so zum Beispiel den Einfluss von Hip Hop und (Neo-)Soul auf die afroamerikanische Bevölkerung nur durch Erzählungen erahnen. Daher ist es denke ich wichtig, dass möglichst viele Sichtweisen aufgezeigt werden. Da liegt natürlich auch die Verantwortung bei den Musikmedien ein breites Spektrum aufzuzeigen. Dies geht aber nur gut, wenn es geeignete Projektionsflächen gibt.

Carly Rae Jepsen und Charli XCX sind zum Beispiel so wichtig geworden außerhalb ihres musikalischen Schaffens, weil sie besonders die LGBTQ-Szene erreichen. Sie haben es geschafft somit auch eine gesellschaftliche Rolle einzunehmen indem sie damit in Verbindung stehen. Ihr Erfolg und die öffentliche Wahrnehmung bekommt dadurch eine ganz andere Dimension, was Musikjournalisten in ihren Bestenlisten zu würdigen wissen. Ich finde durch diese gesellschaftliche Relevanz entsteht dann popkulturelle Relevanz.

Ich schätze so könnte man noch weitere Beispiele finden. Was einem dabei auffällt, dass immer mehr die gesellschaftliche Rolle von Bedeutung ist und nicht unbedingt die musikalische Radikalität. Aber wie es schon an einer anderen Stelle hieß: Wie will man Eltern noch schocken, die mit der Musik von Metallica oder Rage Against the Machine aufgewachsen sind?

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Re: Musikalische Rückblicke auf das Jahrzehnt

Beitrag von slowdive » Mi 13. Nov 2019, 13:52

Blackstar hat geschrieben:
Mi 13. Nov 2019, 13:06
Die Musik der Friedensbewegungen, das No Future des Punks, die neoliberale Depression des Postpunk, die politische Sprengkraft des Hip Hop, der konventionenbrechende Futurismus von Kraftwerk, die düstere, sterile Club-Szene (Jungle) des Großbritaniens der 90er-Jahre (nicht umsonst wurden hier die dystopischen Entwürfe großer Science-Fiction-Filme gesampled), das Betrauern einer vielleicht entgültig verloren gegangenen Zukunft in der Musik von Burial oder The Caretaker – all das sind (nur einige) Beispiele, die Teil der Popkultur einer Gesellchaft (≠ des State of the Art-Mainstreams einer Gesellschaft), ja teilweise ganze Bewegungen waren. Wo sind diese Beispiele heute? Wo ist die populäre, gesellschaftspolitisch relevante Musik unserer Zeit? Wo ist das Radikale, das Futuristische? Wo wenigstens etwas, das eben diesen visionslosen Zustand aufgreift – selbst in den Nischen? Und ja, natürlich gibt es noch Spuren, auf die ich ja selbst hingewiesen habe.
Wo sind sie heute? Frage mal Solange und andere "Black Music". Ansonsten stelle ich mal die Frage in den Raum, ob das wirklich popkulturell relevant hast, was du hier schreibst, oder nicht einfach eine Nische, die du kennst. Popmusik und das, was du hier Kultur nennst waren immer zwei paar Schuhe. Du kannst halt nicht einerseits sagen, Kultur findet nur in unrelevanten Nischen statt und dann aber ausblenden, dass du selbst (Burial z.b. kennt keine Sau) dich nur auf die Nischen beziehst. Klar wurden diese irgendwann größer, aber ich glaube hier finde ein großes Maß an historischer Verklärung statt. Popmusik war - populistisch gesprochen - immer unpopulärer Radiomüll. Dir werden genug beispiele gebracht, die du konsequent ignorierst, weil nicht bekannt genug, machst aber auf der anderen Seite genau das gleiche... Das verstehe ich nicht. Zumal der Pop so politisiert ist, wie lange nicht - siehe New Normal. Das ist die große musikalische Revolution unserer Zeit.
Ich schrieb:
slowdive hat geschrieben:
Di 12. Nov 2019, 10:25
Und emanzipatorische Kunst fordert oft "nur" (ich will die Relevanz für Betroffene nicht herunterspielen!) noch die Anerkennung in eben jenem bestehenden Set an Regeln.
Natürlich sehe ich, dass es noch gewisse Reformen und Anpassungen innerhalb der bestehenden Möglichkeiten gibt. Aber was große Teile der "Black Music" machen, ist auch nichts wirklich Radikales, da nicht mehr die systematischen Strukturen als solche betrauert werden, sondern nur noch der Platz, der zugewiesen wird. Abgesehen davon, habe ich Kendrick und Solange (bzw. hat Robin letztere genannt) sogar als "Spuren der Hoffnung" genannt, da ihre Vision (bei Kendrick bin ich noch weiter drin) über eine bloße Anpassung und Angleichung hinausgeht. Die Idee des New Normal, unter anderem getragen vom Primavera Sound, einem der mittlerweile kommerziellsten Tempel der Festivallandschaft, ist für die Betroffenen natürlich enorm wichtig, aber als fundamentale Gesellschaftskritik/-zustandsbeschreibung auch eher Bestätigung, denn Wiederlegung meiner These.

Burial (der an sich tatsächlich äußerst nischig ist, hätte ich in der Tat eher in einem anderen Kontext nennen sollen, da auch er nicht mehr verändert, sondern den Finger darauf legt, dass wir mittlerweile in einem Zustand der Änderungsunfähigkeit angekommen sind. Nicht zuletzt ist Burial aber – und das hast du glaube ich selbst schonmal erläutert – wohl einer der einflussreichsten Künstler dieses Jahrzehnts, was eine bestimmte Art von elektronsicher Musik angeht. Aber ohnehin ist Burial für mich eher interessant, da er es geschafft hat, ein gesellschaftliches (unterbewusstes) Gefühl zu vertonen, dass man auch kennt, ohne Burial zu hören.

Also nein, ich gehe mich dieser Art Relativismus nicht wirklich mit. Ich glaube tatsächlich, dass die Situation der letzten ~15 Jahre eine andere ist, als in den Jahrzehnten zuvor, was die Ödnis der popkulturellen Landschaft angeht. Nichts zuletzt auch deshalb, weil mit dem neoliberalen Turn in Infrastruktur und Gesellschaft eine Veränderung angestoßen wurde, die in den 2000ern ihren (vermutlich) Peak erreicht hat und in einem gefühl der Alternativ- und Zukunftslosigkeit mündete. Und dies spiegelt sich in der Kunst wieder.

Es geht mit nicht darum, die Vergangenheit auf ein Podest zu heben – vieles war damals viel schlechter und ich möchte nicht unbedingt mit den Menschen jener Zeit tauschen – aber bei diesem "Es war schon immer so und wer anderes behauptet verklärt die Vergangenheit" gehe ich nicht mit. Nuancierte Veränderungen in Subgenres sind etwas anderes, als popkulturell relevante Entwicklungen und Tendenzen.

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Re: Musikalische Rückblicke auf das Jahrzehnt

Beitrag von slowdive » Mi 13. Nov 2019, 14:04

fipsi hat geschrieben:
Mi 13. Nov 2019, 13:38
Carly Rae Jepsen und Charli XCX sind zum Beispiel so wichtig geworden außerhalb ihres musikalischen Schaffens, weil sie besonders die LGBTQ-Szene erreichen. Sie haben es geschafft somit auch eine gesellschaftliche Rolle einzunehmen indem sie damit in Verbindung stehen. Ihr Erfolg und die öffentliche Wahrnehmung bekommt dadurch eine ganz andere Dimension, was Musikjournalisten in ihren Bestenlisten zu würdigen wissen. Ich finde durch diese gesellschaftliche Relevanz entsteht dann popkulturelle Relevanz.
Charli XCXs Musik (seit ihrer Vroom Vroom EP) und allgemein das PC Music-Kollektiv (das ja allgemein eine große Nähe zur LGBT-Bewegung aufweist) sind meines Erachtens nicht nur aufgrund ihrer sexualpolitischen Dimensionen so interessant (ich habe sie ja auch schon vorher genannt), sondern vor allem aufgrund ihrers musikalischen Ansatzes. Dort wird in weiten Teilen herkömmliche Club/Dance/Pop-Musik imitiert, dann aber ganz entscheidend durch plötzliche, überhaupt nicht wohlklingende Brüche (noisige Elemente, etc.) und karrikatureske Übersteigerungen (z.B. in der Musik von 100recs) gebrochen und verändert. Musik, die die Schattenseiten des scheinbar reingewaschenden, puren Hedonismus hinter jener Musik aufdeckt.

Sophies "Oil of Every Pearl's Un-Insides" perfektioniert eben dies und stellt für mich daher auch eines intressantesten (und auch coolsten) Alben dieser Dekade dar. Nur, um mal wieder ganz greifbar zu werden bei all der Abstraktion. :grin:

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Re: Musikalische Rückblicke auf das Jahrzehnt

Beitrag von fipsi » Mi 13. Nov 2019, 14:13

slowdive hat geschrieben:
Mi 13. Nov 2019, 14:04
fipsi hat geschrieben:
Mi 13. Nov 2019, 13:38
Carly Rae Jepsen und Charli XCX sind zum Beispiel so wichtig geworden außerhalb ihres musikalischen Schaffens, weil sie besonders die LGBTQ-Szene erreichen. Sie haben es geschafft somit auch eine gesellschaftliche Rolle einzunehmen indem sie damit in Verbindung stehen. Ihr Erfolg und die öffentliche Wahrnehmung bekommt dadurch eine ganz andere Dimension, was Musikjournalisten in ihren Bestenlisten zu würdigen wissen. Ich finde durch diese gesellschaftliche Relevanz entsteht dann popkulturelle Relevanz.
Charli XCXs Musik (seit ihrer Vroom Vroom EP) und allgemein das PC Music-Kollektiv (das ja allgemein eine große Nähe zur LGBT-Bewegung aufweist) sind meines Erachtens nicht nur aufgrund ihrer sexualpolitischen Dimensionen so interessant (ich habe sie ja auch schon vorher genannt), sondern vor allem aufgrund ihrers musikalischen Ansatzes. Dort wird in weiten Teilen herkömmliche Club/Dance/Pop-Musik imitiert, dann aber ganz entscheidend durch plötzliche, überhaupt nicht wohlklingende Brüche (noisige Elemente, etc.) und karrikatureske Übersteigerungen (z.B. in der Musik von 100recs) gebrochen und verändert. Musik, die die Schattenseiten des scheinbar reingewaschenden, puren Hedonismus hinter jener Musik aufdeckt.

Sophies "Oil of Every Pearl's Un-Insides" perfektioniert eben dies und stellt für mich daher auch eines intressantesten (und auch coolsten) Alben dieser Dekade dar. Nur, um mal wieder ganz greifbar zu werden bei all der Abstraktion. :grin:
Diesbezüglich möchte ich noch auf einen der großartigsten Songs des Jahres verweisen: DJ Brexit - Shove Your Brexit Up Your Arse

Hier werden Politik, Meme-Culture und musikalischer Eskapismus zelebriert.

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Re: Musikalische Rückblicke auf das Jahrzehnt

Beitrag von Monkeyson » Mi 13. Nov 2019, 14:49

slowdive hat geschrieben:
Mi 13. Nov 2019, 10:40
Monkeyson hat geschrieben:
Mi 13. Nov 2019, 10:03
Ich hingegen würde der gesamten Zunft hier gar keine Vorgaben machen. Wenn der aktuelle Querschnitt relativ apolitisch und unvisionär wirkt, dann sollte man sich eher Gedanken machen, ob sich der wahrgenommene Querschnitt aufgrund anderer Hörgewohnheiten / algorithmischer Einflüsse vielleicht verschoben hat (vgl hierzu den von fipsi verlinkten Artikel). Dass niemand mehr sperrige Musik mit einer Vision zu kreieren vermag, bezweifle ich einfach (vgl hierzu zB Blackstars Auflistung). Darüber, dass diese Subgruppe weniger wahrgenommen wird, sollten wir sprechen.
Da ich gerade nicht viel Zeit habe: Wie sind gar nicht allzuweit auseinander. Es geht mir nicht darum, zu sagen, dass niemand mehr radikale Musik machen kann, sondern diese popkulturell nicht mehr stattfindet – was eigentlich deinem letzten Satz beipflichtet.
Dann definier mal bitte popkulturelles Stattfinden, damit ich dich besser verstehe. Heißt das, mit radikaler Musik breiten Erfolg zu haben? Mit radikaler Musik Anerkennung in den Feuilletons finden? Mit radikaler Musik andere Kulturschaffende (auch anderer Medien) zu beeinflussen? Oder nur: mit radikaler Musik zu dir persönlich vorzudringen? (Wäre ja legitim, den Wunsch teile ich.)

Manches Bahnbrechende erkennt man eben erst mit einigem Abstand zum Geschehen.

In deinen Jahrescharts von 2018 waren übrigens Autechre's NTS Sessions vertreten, wären die nicht auch ein prima Beispiel für kontemporäre Radikalität / Visionärität?


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Finn
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Re: Musikalische Rückblicke auf das Jahrzehnt

Beitrag von Finn » Mi 13. Nov 2019, 17:24

Ich sehe, ihr habt alle kein glass beach gehört dieses Jahr.

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Re: Musikalische Rückblicke auf das Jahrzehnt

Beitrag von MairzyDoats » Mi 13. Nov 2019, 17:53

Hm, joa. Ich sehe in dieser Diskussion recht viele Baustellen und komme eigentlich immer wieder zu dem Schluss: Alles nicht so wild.

Ich denke, dass die Parameter für eine bahnbrechende musikalische Entwicklung hier offen herumliegen und nicht so richtig ergründet werden. Viele musikalische Entwicklungen gingen mit technologischen Entwicklungen einher, wenn man sich die Musique Conrète und die Entwicklung über den Krautrock zu Kraftwerk anschaut; oder aus einer durchaus auch musikalisch motivierten Antithese des Punk als Gegenentwurf gegen die Verkopftheit des Progressive Rock; oder auch aus einer Not heraus, wie zum Beispiel im Hip Hop, der aus einer sozialen Schicht entstand, die sich weder Instrumente, noch musikalische Ausbildungen leisten konnte und somit über existierende Instrumentals mit Sprechgesang musikalisch entfaltete. So Sachen wie Punk, Metal und Hip-Hop hatten eben auch den angesprochenen Schock-Faktor, ein Auflehnen gegen die Vorgänger-Generation. Das haben wir überwiegend so direkt gar nicht miterlebt und können das jetzt retrospektiv ergründen, ohne dass das wahrscheinlich damals jemand allzu aktiv so verkopft mitverfolgt hat.
Heute zeigt sich dieser technologische Parameter vor allem in einer Sache: Accessibility. Freeware auf Geräten, die quasi zur Grundausstattung gehören, recht gutes sehr günstiges Equipment mit dem man aufnehmen kann, hat schon recht lange ein professionelles Studio abgelöst, ohne, dass das dann unter "Lo-Fi" oder "Garage" laufen muss - jeder hat theoretisch mit einer sehr niedrigen Schwelle die Möglichkeit, sich musikalisch zu verwirklichen und sogar zahlreiche Plattformen zur Auswahl, seine Werke kostenlos und vielleicht sogar gewinnbringend weltweit auszustellen. Man kann ja heutzutage sogar eine Band über mehrere Kontinente führen. (Kann die Musikgeschichte ja nichts für, dass Superorganism hier teils so verhasst sind) Also vielleicht schauen wir in zehn oder zwanzig Jahren zurück und denken: Ach ja, Soundcloud, wa.

Was den Schock-Value angeht ist es denke ich wirklich, dass wir diesen popkulturellen Konflikt ein Stück weit überwunden haben, uns also nicht mehr allzu viel schocken kann und es deshalb eben auch nicht mehr so plakativ nötig ist. Finde ich ganz gut so. Hätte ich irgendwie auch nicht so richtig Bock drauf, mich mit Konzertbesuchern rumzuschlagen, die jemanden als Judas bezeichnen, weil er statt einer akustischen, eine elektrische Gitarre auspackt. Ich finds super, dass Janelle Monáe einen lupenreinen Popsong veröffentlichen kann und dazu im Vulva-Kostüm durchs Musikvideo tanzen kann und die Leute denken sich 'ok cool', oder 'nice empowerment' oder 'ihr letztes Album war aber bahnbrechender'. Ich muss nicht geschockt oder aus den Socken gehauen werden, ich denke der Fortschritt liegt in den Nuancen und den Details und sehr oft eben in den Texten. Ich glaube auch, dass man sich musikalisch nicht mehr abgrenzen muss, wenn dann eher inhaltlich politisch, wo wir wieder bei den Inhalten wären. Da hat der Hip Hop seine gesellschaftliche Relevanz auch nicht unbedingt eingebüßt, sondern vielleicht eher weiter entwickelt, ist selbst verkopfter und musikalisch versierter geworden, wie man vielleicht an Alben wie "TPAB" oder dem Konzeptalbum "undun" von The Roots oder dem experimentellen, afrofuturistischen Album "Splendor & Misery" von clipping. sieht. Gleiches gilt für den R'n'B mit der oft genannten Solange oder auch FKA twigs, die hier gerade in aller Munde ist. (Siehe z.B. auch, wie sich Beyoncé auf "Lemonade" präsentiert)
In vielerlei Hinsicht habe ich das Gefühl, dass viele Künstler aus marginalisierten Schichten Früchte ernten, für die sie lange gekämpft haben und härter gearbeitet haben als so manch anderer, auch "New Normal" genannt. (natürlich ohne dass dieser Kampf vorbei wäre) Spätestens post-#metoo hat sich die Perspektive verschoben, dem Narrativ von marginalisierten Gruppen zuzuhören ist relevanter geworden, auch weil es ein interessanteres Narrativ geworden ist, das oft genug überhört wurde. (übrigens auch ein entscheidender Grunde, denke ich, warum die Bestenlisten am Ende des Jahrzehnts sich so sehr von denen in der Mitte des Jahrzehnts unterscheiden) Dass sich jene marginalisierten Gruppen dann eben in den musikalischen Gefilden austoben, in denen der Raum für sie existiert, wie zum Beispiel Hip-Hop und R'n'B, finde ich dabei wenig überraschend. Dass dabei dann der Indie-Rock ein wenig in die Irrelevanz rutscht, ebenso.

Ach ja. Indie-Rock, dawarjawas. Vielleicht ist es sogar tatsächlich ein bisschen viel verlangt, von einer Musikrichtung nach zwanzig bis dreißig Jahren Innovation zu erwarten. Und vielleicht ist eben jenes Narrativ momentan einfach gesellschaftlich gesehen nicht so spannend. Da sind dann Werke von St. Vincent, Sleater-Kinney und PJ Harvey noch die Gewinner aufgrund ihrer inhaltlich politischen Komponente, was musikalisch in seiner Radikalität wohl noch am allerbesten auf "The Underside Of Power" von Algiers aufgeht. Aber wer weiß, vielleicht gibt es demnächst mehr Störgeräusche, mehr Glitches und mehr spannende Geschichten im Indie-Rock, mal schauen.
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