Vor 2 Wochen war ich bei Rolo Tomassi im Wiesbadener Kesselhaus.
Vorband waren Cryptodira, von denen ich jedoch nur noch die letzten beiden Songs mitbekommen habe. Die klangen sehr Mathcore-lastig mit harten Breaks. Hab mich etwas geärgert, nicht früher vor Ort gewesen zu sein. Sehr berührend auch die finale Ansprache des Gitarristen, dessen kürzlich verstorbener Vater in Wiesbaden aufgewachsen ist (vermutlich war dessen Vater im Rahmen der U.S. Army Garrison hier stationiert) und den es sehr mitgenommen hat, zum ersten Mal diesen Ort zu besuchen... ziemlich emotional.
Den Stil von Rolo Tomassi in Worte zu fassen, ist sehr schwierig. Deren Mathcore wird mit einer Vielzahl weiterer Stile verknüpft, darunter Post-Rock, Post-Metal, Jazz (vor allem die Drums), auf der letzen Platte zudem auch Black Metal und Post-Hardcore. Die Main-Vocals übernimmt dabei Sängerin Eva Spence, die spielerisch zwischen harten Screams und eingänigem Klargesang wechselt, was für mich auch den größten Reiz der Band ausmacht. Bei einigen (zumeist älteren) Songs wird sie von ihrem Bruder und Keyboarder James unterstützt. Ich kenne die Band erst seit der letzten Platte "Time Will Die and Love Will Bury It", die für mich eines der Highlights 2018 war. Die Empfehlung kam auch hier aus dem Forum (weiß leider grad nicht mehr von wem). Auf dieser Platte lag bei dem Gig auch der Fokus, das Album wurde (abgesehen von dem eher ruhigen Abschlusstrack) komplett gespielt. Und was soll ich sagen: Es war einfach wunderschön

Aufgelockert wurden die zum Teil sehr atmosphärischen Songs der aktuellen Platte von 4 Songs des Vorgängers "Grievances", die noch deutlich mehr in Richtung Mathcore gehen. Hier gab es auch die meiste Action im Publikum. Privat höre ich eher weniger Mathcore, obwohl ich hin und wieder mal Sachen finde, die mir ganz gut gefallen (die letzte Converge bspw.). Evtl. sollte ich das mal ändern, weil das hier hat mir erstaunlich gut gefallen. Nur als Zum-Takt-Kopfnicker bzw. -Headbanger haben mich diese vertrackten Takt- und Tempowechsel teilweise etwas aus dem Konzept gebracht

Bislang eines der großen Konzerthighlights dieses Jahres! Muss mich auch hier mal in den Back-Katalog der Band reinhören. Besonders gespannt bin ich auf die zweite Platte, die tatsächlich von Diplo produziert wurde

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Vorletzten Freitag ging es für mich zu Bon Iver in den Kulturpark Wiesbaden. Dem Schlachthof-Team ist mit dieser exklusiven Buchung in diesem Jahr ein ziemlicher Coup gelungen. Dadurch war es etwas leichter zu verschmerzen, dass es im Gegensatz zu den 5 Konzerten im letzten Jahr diesmal nur für 2 Open-Air-Konzerte gelangt hat. Das zweite Konzert war übrigens Frank Turner/Muff Potter, das sich mit nur 3.000 Besuchern wohl ziemlich miserabel verkauft hat, was bei einer Exklusivität von 0,0% aber auch eigentlich niemanden wundern sollte. Bei Bon Iver lief es dagegen besser: Es wurde von 9.000 Besuchern gesprochen (bei einer Kapazität von 10.000), ein paar Leute weniger dürften es in der Realität wohl dennoch gewesen sein, da auf FB und vor Ort noch viele Leute ihr Ticket loswerden wollten. Am letzten Samstag haben Die Toten Hosen anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Wiesbadener Biker-Clubs Black Devils (die eng mit der Band befreundet sind) im Schlachthof gespielt. Verstehe ich nicht, wieso man die Bühne nicht noch eine Woche länger hat stehen lassen und daraus ein Open-Air-Event gemacht hat.
Die Organisation war ein Traum. Die riesige Schlange, die sich bis 18.30 Uhr vor dem Gelände gebildet hatte, war pünktlich zu Einlassbeginn in nullkommanix aufgelöst. Für den großzügig bemessenen FOS-Bereich konnte man sich auch ganz entspannt Bändchen abholen und danach das weitläufige Gelände erkunden. Gastronomisch gab es hier eigentlich alles, was das Herz begehrt, genügend Sitzgelegenheiten waren auch vorhanden, Viva con Agua und Amnesty International waren mit Infoständen vor Ort. Das Wetter war ebenfalls bestens, alle Leute super entspannt und mit Nora, Saeglopur und ein paar Ringrockern durfte ich auch noch ein paar Forums-Leute persönlich kennenlernen.
Auf das Konzert selbst habe ich mich natürlich sehr gefreut, schließlich sieht man die Herren nicht gerade häufig in Deutschland, wenn man nicht unbedingt eine Berlinreise auf sich nehmen will. Nach der Tour-Absage 2017 hatten Justin & Co. also nun die Gelegenheit, wieder Boden gut zu machen. Es gab keine Vorband, sondern 2 Sets, die durch eine Pause von (was auch sonst) exakt 22 Minuten getrennt wurden. Den Beginn machten 3 Songs der letzten Platte und ich muss zugeben, dass ich anfangs ein wenig Probleme hatte, in das Konzert hineinzufinden, auch wenn die Stimmverfremdungsakrobatik auf "715 - CREEKS" live schon beeindruckend war. Ab "Towers" und dem immer weiter fortschreitenden Sonnenuntergang hatten mich Bon Iver jedoch fest im Griff. Mit der stärkeren Dunkelheit kamen auch vermehrt Lichteffekte zum Einsatz, die allesamt großartig aussahen. Zu den Highlights der ersten Hälfte gehörten neben dem rührenden "Hey, Ma" als einzigem neuen Stück auch "Blood Bank" sowie der Abschluss-Song "Perth", welcher eh schon zu meinen Lieblingsstücken der Band zählt, auch wenn ich die fehlenden Horn-Parts schon ein klein wenig vermisst habe (die Bläser-Fraktion ist bei der diesjährigen Tour nicht mit dabei). Als Ausgleich gab es dafür bei vielen Liedern jedoch ausgiebige Saxophon-Parts, die stellenweise fast schon Jam-Charakter hatten und voll und ganz überzeugen konnten.
Die zweite Hälfte begann direkt mit dem großartigen "Skinny Love", das einzige Stück, welches nur von Justin solo performt wurde. Die anderen Songs des Debüts wurden alle mal mehr, mal weniger stark an den Bandkontext angepasst, was mir besonders gut bei "Creature Fear" gefallen hat, was zum Ende in fast schon Shoegaze-artige Klangwände kulminierte. "Holocene" sowie der in meinen Augen live am besten funktionierende 22-Song "33 "GOD"" gehörten zu den weiteren Highlights. Generell ließ die Setlist eigentlich kaum Wünsche offen. Auch die "For Emma..."-Fraktion, die ja in den letzten Jahren live öfters vernachlässigt wurde, kam voll auf ihre Kosten. Ein großes Lob muss ich auch an das (FOS-)Publikum aussprechen. Ich hatte gerade bei den "22, A Million"-Songs schon Zustände befürchtet, wie sie hier von aktuellen Ben Howard-Konzerten berichtet wurden, aber es gab wirklich kaum Gequatsche. Der einzige Negativpunkt, der mir einfällt, ist Amnesty Internation, die es für eine gute Idee hielten, einen Luftballon mit ihrem Logo in die Menge zu schmeißen, was bei so einer Band natürlich überhaupt nicht passt. Ein genervter Zuschauer hat auch den Ballon irgendwann aus der Luft gerissen.
Mit "For Emma" und "22 (OVER S∞∞N)" wurde dieser tolle Konzertabend beschlossen und man merkte der Band an, wie der enorme Publikumszuspruch sie doch auch emotional mitgenommen hat. Ich benutze das Attribut in letzter Zeit zwar häufiger, aber auch hier: eines DER Konzerthighlights 2019! Ich hoffe, dass der Open-Air-Sommer 2020 eine ähnlich hohe Qualität beibehalten kann (und quantitativ wieder etwas zulegt).