Stebbie hat geschrieben: ↑Do 15. Aug 2019, 18:09
Verwundert ja nicht, denn letzten Endes hat die Rechte das Konzept des Ethnopluralismus aus eher linken Diskursen extrahiert.
Was den Ursprung anbelangt, nämlich die Aussage, dass die Frage danach, was
eine Grenzverletzung ist, bei der Person liegt, deren Grenze verletzt wurde.
so muss man vermutlich zwischen individuellen und gesellschaftlichen Fragen unterscheiden. Wir können gewisse Sachen gesamtgesellschaftlich Regeln, so etwa bei der Frage des Holocausts, wo eine sehr strikte Grenze gezogen wurde, oder auch bei grob rassistischen oder sexistischen Aussagen. Bei Fragen des persönlichen Umgangs würde ich der Aussage unter Umständen zustimmen, denn am Ende kann nur ich selbst darüber befinden, ob mich eine Aussage oder Akt, die oder der gesamtgesellschaftlich an sich legitim erscheinen mag, mich verletzt oder nicht. Wer soll dies auch sonst machen? Ein Gericht oder die Veranstalter? Es ist ja auch bspw. gerade das Wesen etwa des Mobbings, dass man auf Basis grundsätzlich tolerierbarer Aussagen eine Person teils sehr individuell herabwürdigt. Und hier geht es möglicherweise um Fragen des gegenseitigen Respekts, und wenn dies für das Gelingen einer Veranstaltung sowie das allgemeine Beisammensein essentiell ist, dann hat der Veranstalter natürlich auch das Recht, Personen, die bewusst Grenzen überschreiten, unter Verweis auf das Hausrecht zu verweisen. Der gesellschaftliche Konsens mag anders darüber empfinden, aber der Person werden ja keine rechtlichen Konsequenzen drohen.
Aber im Sinne der Inklusion finde ich die Ansage zumindest nicht falsch, und glaube auch nicht, dass man hier strikt gemäß einer law and order-Politik durchgreift.
Ich finde das eben nicht inklusiv. Inklusiv ist ein Rechte (und Pflichten)regime, dass die Bedürfnisse möglichst aller Beteiligten einbezieht und dahingehend festlegt, oder zumindest sensibilisiert, welche Regeln gelten. Niemand hat das Recht irgendjemanden anzugehen, weil diese Person angeblich nicht ihre Privilegien reflektiert. Das endet dann in einem Recht aus situativer Diskurshoheit.
Praktisches Beispiel: An meiner Fakultät wurde letztes Jahr ein Korridor mit der Forderung Uni für Alle*Alle besetzt [1]. Diese Besetzung ging aus einer relativ kleinen Gruppe Studierender hervor, die dann, Aktionskomitees, Vollversammlung etc. gegründet hat. Auf einer studentischen Vollversammlung hat eine Kommilitonin von mir scharfe Kritik an der Besetzung geäußert weil die Besetzer*innen im Alleingang die Besetzung entschieden hätten, sie erfolgreich erstrittene Freiräume gefährden würden und keine erkennbaren Forderungen hätten. Es ging dann noch darum, dass eine Kernforderung, die Uni für Arbeiter*innen zu öffnen, völlig ad absurdum geführt wurde, indem die Seminare dazu mittags angeboten wurden (wo Arbeiter*innen nun mal arbeiten) und der Streik auch den
tatsächlich existierenden Marx Lesekreis für Arbeiter*innen verhindern würde. Sie wurde daraufhin für ihr "herrschaftlich privilegiertes Auftreten" aus der VV ausgeschlossen und des Raumes verwiesen. Das war nicht nur absurd und autoritär, sondern eben auch diese Form von Selbstermächtigung, die in der Annahme steckt, persönlich überschrittene Grenzen würden per se exklusives Verhalten rechtfertigen.
Selbstverständlich ist gesamtgesellschaftlich eine solche Haltung wichtig. Hier besteht aber eben auch eine Diskurshoheit einer weißen heteronormativen Gesellschaft. In Teilöffentlichkeiten löst sie sich aber zunehmend auf und die diskursive Hegemonie verschiebt sich. Wer wissen möchte, wie sich diese Deutungshoheit anfühlt, kann ja mal Ralf Ruthe, oder Anja Rützel fragen, die zwar ohne Frage privilegiert sind, aber eben in einer Teilöffentlichkeit von einer hegemonialen Gruppe aufs übelste beschimpft wurden, weil Personen in dieser Teilöffentlichkeit eine Grenze für verletzt hielten (die nicht mal notwendigerweise ihre eigene war). Das ist keine Basis für einen inklusives Veranstaltungskonzept.
[1]Es konnte allerdings in den drei Wochen der Besetzung nicht ganz klar argumentiert werden, was das Sternchen hinter "alle" soll und warum "alle" nicht inklusiv genug wäre, aber das nu am Rande