Am Wochenende war ich, relativ spontan, das erste mal auf dem
Sound of the Forest bei Marbach im Odenwald. Ein Festival, welches mir, der nun in den letzten 10 Jahren immerhin gut auf rund 30 Festivals im In- und Ausland gewesen ist, bislang noch nichts gesagt hat - aber die Unternehmungslust hat dann gesiegt und so wurde es dann doch trotz der relativ weiten Anreise in Angriff genommen. Zunächst war jedoch die erste Hürde zu nehmen, da das Festival just in dem Moment, als die Entscheidung gefällt wurde, ihren (scheinbar) erstmaligen Ausverkauf vermeldete - trotz erhöhtem Kartenkontingent von nun 5.000 Personen. Es musste also der Sekundärmarkt her, und da ich eh ein wunderbares Händchen für den Ticketerwerb habe, war das Kartenproblem dann auch binnen zwei Tagen gelöst und die Reise gebucht.
Zunächst zum
Festival als solches und den
Besuchern: das Gelände liegt ungemein malerisch am Marbacher Stausee im südhessischen Odenwald, fernab der großen Verkehrswege und Ortschaften. Es hat sich in der Region über die Jahre scheinbar einen guten Ruf erarbeitet, weshalb es sein Publikum - schaut man sich die dort parkenden Autos an (überwiegende Kennzeichen: HP, HD, DA) - auch vor allem aus den umliegenden Gemeinden bezieht. Das mag für viele Festivals durchaus ein Problem (Thema: Dorfjugend und Abijahrgänge) sein, hat sich hier jedoch nie negativ ausgewirkt - trotz der mit Madsen und Blumentopf doch eher weniger exklusiven Headliner. Ganz im Gegenteil war die Atmosphäre stets sehr entspannt und man hat nie auch nur ansatzweise etwas von Unruhe erlebt - Zwar sah man überall die zeittypischen Abitur 2016-Pullis (...2016!), aber ein "Dorfjugend-Problem" gab es wirklich nie, die ist selbst auf dem Haldern Pop präsenter.
Gelände: Das Gelände befindet sich in leichter Hanglage, was das campen ein wenig verkompliziert, aber ungemein sehenswert gestaltet. Etwas weiter oberhalb befindet sich dann, gut versteckt im Wald, das eigentliche Festivalgelände mit den zwei Hauptbühnen und dem Fuchsbau, wo ab Mitternacht die DJs für die Beschallung sorgten. Als dritte - und eigentliche Hauptbühne - entpuppte sich jedoch die kleine Seebühne, die auf einer kleinen in den Stausee ragenden Landzunge lag und eigentlich bis in den späten Nachmittag hinein Hauptversammlungsort war, auch weil direkt nebenan die Liegewiese für die Badenden war.
Insgesamt war das Gelände sehr liebevoll gestaltet. Während die Seebühne mit einem Holzverschlag individuell verkleidet war (und im Hintergrund einen Blick auf den See erlaubte - eine ganz eigene Variante der 360°-Bühne für die badenden) und der Vorraum auch insgesamt mit viel Liebe zum Detail gestaltet wurde, gab es auf dem Hauptgelände eher normale Bühnen. Großer Pluspunkt war die Verpflegung, die fast vollständig ohne 08/15-Buden auskam. Es gab frisch gemachte Pizzen, Baguettes, Flammkuchen, Wraps, Burger und andere Spezialitäten, Bier aus der Region (Brauerei Schmucker) - also alles sehr cool und soviel Geld musste ich nun auch nicht dort lassen - was aber auch damit zusammenhängt, dass man seine eigene Verpflegung und Getränke mit vor die Seebühne nehmen durfte. Besonderer Pluspunkt: Eine SNES-Station, an der man u.a. Mario Kart spielen konnte! Bei den Sanitären Anlagen wurde teilweise auf vor Ort vorhandene Strukturen zurückgegriffen oder Toilettenwagen angeschafft, weshalb auch kaum Dixi-Klos notwendig waren. Problematisch wurde dies nur, als kurzzeitig mehrere Toilettenwagen morgens nicht funktionierten und es also zum Fluch wurde, dass bei den Männern nur eine Kabine auf fünf Pissoirs kam - hämische Sprüche der Frauen inklusive, bei denen es mit ihren sechs Kabinen dann plötzlich viel zügiger ging als bei den Männern

Aber generell waren die sanitären Anlagen gut (wenn sie denn funktionierten), sauber und auch gut zu erreichen; jedoch nur, wenn das Festivalgelände geöffnet hatte. Auf dem Campingplatz hätten 1-2 zusätzliche Wagen für etwas kürzere Schlangen sorgen können.
Anreise: Schon im Vorfeld hat das Festival einen großen Pluspunkt gesammelt, da mit dem Ticketerwerb trotz des niedrigen Preises (wir haben 57€ gezahlt) die vollständige Anreise aus dem Netz des RMV und VRN inklusive war. Man konnte daher sogar aus dem Rhein-Main-Gebiet - also selbst aus Mainz, Wiesbaden oder Frankfurt - kostenlos mit dem ÖPNV via Bus und Bahn anreisen. Für all diejenigen, die dennoch mit dem PKW einen Teil der Strecke zurückgelegt haben, gab es zudem einen kostenlosen P+R-Service mit Shuttle-Bus, der in besucherfreundlichen Taktungen verkehrte. Also fast schon eine vorbildliche Kombination, die aber auch der eingeengten Lage im Tal geschuldet sein dürfte, die keine umfangreichen Parkplätze erlaubt - die vor Ort stehenden Autos standen somit auch kilometerlang am Straßenrand. Aber es soll nicht als Kritik verstanden werden, da hier aus einer (Platz-)Not eine Tugend gemacht wurde.
Organisation: Einziges Manko war die generelle Organisation. Einerseits hatte man das Gefühl, dass das Festival ein wenig überbesucht war, weshalb es auf dem Campingplatz sehr eng wurde und schon Freitag nachmittags die ersten Ordner herumliefen, um die bereits stehenden Camps zu komprimieren. Sehr schnell las man auch von Kommentaren, nach dem es fast kaum noch möglich war sein Zelt aufzubauen. Das Festival scheint hier - auch weil es bereits jetzt zu allen Seiten an den Wald grenzt - klar an seine Kapazitäten gekommen zu sein, weshalb zu erwarten ist, dass, ähnlich wie bei anderen Festivals, die mehr oder weniger freiwillig ihre Kapazität begrenzen, ein Preisanstieg anstehen dürfte. Besonders, wenn man sich die derzeitigen Nachfrage anschaut. Großer Minuspunkt war der ausgereicht Timetable, der an vielen Ecken und Kanten nicht stimmte. Zwar wurde online ein Korrekter nachgereicht, jedoch war dies für all diejenigen, die kein Smartphone dabei hatten (oder deren Akku leer war) keine große Hilfe, weshalb gefühlt jeder zweite Act nicht so spielte, wie er mal angekündigt wurde. Das mag bei Bands,die später auftreten als geplant kein Problem sein, jedoch ist es schon ärgerlich, wenn Künstler eine halbe Stunde (Rocky Votolato) oder gar einen Tag(!) früher (We Are the City) auftreten, als im Timetable angekündigt.
Auch die Einlasssituation soll am Donnerstag - u.a. auch dem Regen geschuldet - suboptimal gewesen sein, weshalb manche Gruppen bis zu fünf oder sechs Stunden im Regen standen, ehe sie auf das Gelände kamen. Davon war am ruhigeren Freitag jedoch nicht mehr viel zu sehen, auch weil die meisten wohl schon vor Ort waren. Es hat sich also gelohnt, dass wir uns spontan dafür entschieden haben wetterbedingt erst am Freitag im trockenen Anzureisen, auch weil der Einlass hier gerade einmal 30 Minuten dauerte.
Generell gilt, dass das Mitbringen von Alkohol (auf dem Papier) relativ streng limitiert wurde: 5L alkoholische Getränke pro Person und nichts hochprozentiges. Aber wie gesagt: auf dem Papier....
Wetter: Stichpunkt Wetter: Das Wetter hat das Festival generell sehr geprägt - einerseits am ersten Festivaltag, der komplett ins Wasser fiel, andererseits, weil es der Wettergott die anderen Tage sehr gut mit uns gemeint und uns mit strahlendem Sonnenschein verwöhnt hat. Und bekanntlich gilt, dass, wenn bei einem Festival mit Sonnenschein, Temperaturen um die 30° und einem See insgesamt wenig schief gehen kann. So auch hier - auch wenn es teilweise fast kaum noch auszuhalten war in der Sonne. Einziges Manko: Nachts wurde es ganz schön kalt. Ich weiß nicht warum, aber vielleicht hat es was mit der Tallage und der sich dort sammelnden Luftfeuchtigkeit zu tun? Meteorologen vor!

Auf jeden Fall führte dies dazu, dass man noch gegen 18 Uhr in der Sonne brütete, ehe es dann gegen 22:00 fast blitzartig mit dem verschwinden der Sonne kühl wurde, gerade am Samstag!
Bands: ... und abschließend noch zu dem, weshalb man eigentlich ja auch hingefahren ist. Die Bands. Hier mal im Durchlauf der Acts, die ich gesehen habe:
Bender & Schillinger Drum-Gitarren-Duo aus Mainz, das durchaus zu gefallen wusste und somit ein netter Einstieg ein einen sonnigen ersten Festivaltag war.
Giant Rooks waren danach von zwei Überschneidungen mit dem Haldern Pop, eine (sehr) junge Band mit einer netten Mischung aus folkigem Art Pop. fügte sich gut ins Bild ein. Dann sollten eigentlich
And the Golden Choir auftreten, es hat aber [trotz ursprünglicher Verwunderung, dass nun zwei Leute auf der Bühne waren] ein wenig gedauert hat, ehe wir feststellten, dass es tatsächlich schon
Alaska waren. Hat mir auch nicht sonderlich zugesagt und daher kann ich auch nicht sonderlich viel dazu sagen. Von
Faber hatte ich ja schon von den Appletree-Leuten gelesen, dass er für viele so ein kleines Highlight gewesen sei und auch beim SotF kam hier zum ersten mal richtig Stimmung auf, auch weil er gleich zu Beginn die etwas sonnenmüden Menschen (darunter zähle ich auch mich) vor die Seebühne geholt hat. Schweizer Liedermacher mit teils zynischen, teils auch melancholischen Texten und kratziger Stimme. Geht auf Festivals eigentlich immer! Ähnlich positiv gefallen hat
Ed Prosek, ein kaliformischer und derzeit (wohl) in Berlin lebender Musiker. Ich hatte ihn beim (umstandsbedingt kurzen) reinhören gar nicht so auf dem Schirm, aber er wusste zu überzeugen, auch wenn seine Musik natürlich wunderbar ins sonnige Ambiente des Tages passte und dadurch sicherlich getragen wurde. Danach noch ein wenig
Julian Philipp David geschaut, der scheinbar seine eigene Fanbase dabei hatte und ganz nett war, mehr aber nicht. Ist auch einfach nicht meine Musik, diese Mischung aus Songwriter und Hip-Hop â la Clueso. Danach gab es dann leider auch eine erste kleine Enttäuschung, da
Rocky Votolato eine halbe Stunde früher als angekündigt spielte, weshalb ich leider nur drei Songs vor einer ziemlich winzigen Kulisse (vll. 30 Leute?) sehen konnte. War glaube ich weder für die Fans, von denen zum Ende dann doch ein paar verwundert ins Zelt kamen, als auch für den Künstler nicht wirklich zufriedenstellend. Anschließend habe ich es dann tatsächlich geschafft, das erste mal in meiner nun doch schon einige Jahre umfassenden Festivalkarriere
Madsen zu sehen, die zwar merklich Lust hatten und auch gut mit dem Publikum interagierten, aber bei mir nicht so recht zünden wollten. Ist halt auch nur Madsen und es hat seine Gründe, warum ich sie bislang nicht gesehen hab. Von daher: ein mal ein paar Songs aus der Zeit von vor 10 Jahren hören und dann doch lieber den kulinarischen Genüssen (aka Bier) gewidmet. Nach ein paar Songs von den
Peacocks, einer wenig spannenden Punk/Rockabilly-Band, gab es dann das
Dubioza Kolektiv, die ungemein viel Spaß gemacht haben. Habe mich vorher nie mit dieser Band beschäftigt und bin eigentlich auch jemand, der doch eher seltener zu Balkan- oder Ska-Events geht, aber auf Festivals (mit ein paar Bierchen) macht es dann doch Spaß. Sicherlich einer der besseren Gigs vom Wochenende, auch wenn andere meinten, dass sich die Konzerte mit dem 3. oder 4. mal dann doch ein wenig abnutzen, was ich aus eigener Erfahrung ja auch von Bands wie Flogging Molly kenne. (irgendwo dazwischen hab ich noch ein wenig
We Are The City gesehen, die, wie bereits geschrieben, plötzlich am Freitag spielten. Aber sowohl das Bier als auch der wenig überzeugende Gig haben sie nicht sonderlich ins Gehirn gebrannt). Zum Tagesabschluss gab es dann noch
Leyya, die auch auf Anraten von Lewis gesehen habe. Die Österreicher werden ja auch gerade sehr von der Presse gelobt und auch wenn meine Erinnerung Lücken aufweist, weiß ich noch, dass ich es gut fand. Lass ich also mal so stehen
Der Samstag begann dann nach dem obligatorischen (Sonnen)bad mit
Qveen Elizabeth, einer schwedischen Fuzz-Dream Pop-Band, die eigentlich ganz nett klang, aber nicht so wirklich gegen das wohlgewärmte Badetuch ankam. Mit ähnlichen Problemen kämpfte
Douglas Firs, dessen Indie-Folk-Mix ganz nett klang, aber gefühlt auch schon häufiger gehört wurde. Bewusst eingeplant waren dann eigentlich Bonsai aus Heidelberg, einer der wenigen lauteren Bands im Lineup, die aber - bekanntes Problem - erst zwei Stunden später als angekündigt spielen sollten. Also erstmal ein bisschen was fürs leibliche Wohl getan und dann ab zu
Lola Marsh, von denen man ja zuletzt einiges mitbekommt und deren Dream-Pop-Anlehnung an Lana del Rey überraschend gut war, auch dank guter Band. Dann sollte es doch noch mit
Bonsai klappen, einer relativ jungen Band aus Heidelberg, die das Festival um etwas Kraut-Rock und Grunge erweiterten. Zwar fanden sich schnell die üblichen
"play Smells Like Teen Spirit"-Typen im Publikum, aber das war gar nicht nötig, da das wirklich auch eigenständig gut war - gerade der letzte Song, von dem ich aber auch keine Ahnung hab, wie der hieß. Bei der Mischung schlägt mein Herz aber generell auch ein wenig höher. Weniger überzeugend waren da die folgenden Acts, erst
Tiggs da Author, von dem ich ohnehin nichts kannte, der aber scheinbar einen durch die FIFA-Reihe enorm bekannten Track hat, und anschließend
Blumentopf, von denen ich ja schon glaube, dass sie cool sein können ... man dafür aber wohl sowohl auf Hip Hop stehen und die Texte können muss.

Da es dann ohnehin sehr, sehr kühl wurde habe ich mich dann doch lieber warm angezogen, weshalb die zweite Überschneidung mit dem Haldern Pop,
Lea auf der Seebühne, den Tagesabschluss darstellte. Bei ihr war ich ein wenig gespalten, aber das mag dann mit ihrem ersten Festivalgig und der damit zusammenhängenden Nervosität in Verbindung gestanden haben, und zum Ende hin konnte sie zunächst aufgekommenen Bedenken zerstreuen und der Gig wurde doch ganz gut - auch weil die die Ambiente das seinige dazu beigetragen hat.
Für den Sonntag war ursprünglich nur die Abreise und ein letztes Sonnenbad eingeplant, aber tatsächlich sollten sich hier noch zwei Highlights verstecken. Zunächst der in Berlin lebende Italiener
Fil Bo Riva, der einen ziemlich coolen Mix aus Folk und Soul spielte, zum anderen aber auch
Lampe, der schlagartig die kompletten Badewiese durch sein
Wat Is Mit Dir? in Aufruhr versetzte und somit sicherlich zum Klassiker des (dann nur noch kurzen) Wochenendes wurde. Das war schon ungemein cool, sowohl die teils zynisch-absurden Texte, aber auch der generelle Lo-Fi-Rock/Indie mit Synthies und Keyboard-Effekten. Es war nur passend, dass die Ein-Mann-Band aussah wie Elch, da passte also das Gesamtpaket
Elastiq war dann ein ziemlich austauschbarer Pop, und
Alice Phoebe Lou mussten wir dann leider abreisebedingt ausfallen lassen.
Fazit: Ich war doch positiv überrascht von dem Festival. Ursprünglich eher aus unternehmungslust angedacht, war sowohl das Publikum als auch musikalische Programm (gerade angesichts von Headlinern wie Madsen) besser als erwartet, wobei letzeres vor allem den kleineren Buchungen geschuldet war, unter denen sich Überraschungen versteckten. Das (ab Freitag) fast makellose Wetter und das generelle Ambiente hat natürlich auch das seinige getan. Wer das getan hat, der hatte sicherlich ein schönes Wochenende - aber all die anderen sicherlich auch, weshalb es mich nicht wundern würde, wenn das Sound of the Forest in den nächsten Jahren den Sprung vom eher regional angesiedelten Festival hin zu einem gehen wird, dessen Name auch bundesweit geläufig ist. Verdient hätten es das Festival allemal, auch wenn organisatorisch noch einiges zu verbessern wäre. Würde dem ganzen also eine gute 2+ geben!
Blick vom (noch relativ leeren) Campingplatz am Freitagmorgen
Badewiese mit Blick auf die Seebühne
Hauptbühne