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von defpro » Mo 31. Okt 2022, 16:12
Ich war am vergangenen Freitag bei Gang of Youths im Zoom in Frankfurt und es war eines meiner enttäuschendsten Konzerte überhaupt, wobei die Band hieran jedoch kaum eine Schuld trägt.
Zunächst zur Location: Es war mein erster Besuch im neuen Zoom nach dessen Umzug im Januar diesen Jahres. Ich war vom alten Zoom nie der allergrößte Fan, was hauptsächlich daran lag, dass der Laden eher als Party- und weniger als Konzert-Location gestaltet war. Der Zuschauerbereich vor der Bühne war ein kleiner, tiefer gelegener räumlich abgetrennter Dancefloor, der gerade bei ausverkauften Gigs sehr schnell gefüllt war. War man nicht schnell genug, konnte man das Konzert nur noch vom höher gelegenen hinteren Teil des Raums verfolgen, wodurch man schon relativ weit von der Bühne weg war. Außerdem war der Raum von die Sicht behindernden Säulen durchzogen und der FOH wurde auch noch in die Mitte gepflanzt. Mit ein bisschen Planung konnte man die meisten Mankos jedoch relativ gut umgehen, sodass ich hier über die Jahre einige überragende Konzerte (u. a. Wolf Alice, Amenra und Money Boy (!)) gesehen habe. Zudem war die Lage direkt an der Konstablerwache nur schwer zu übertreffen.
Der Mietvertrag wurde jedoch nicht verlängert, sodass man sich nach einer neuen Location umsehen musste. Die Wahl fiel auf die Räumlichkeiten des ehemaligen Cocoon Club, damals Sven Väths großes Frankfurter Club-Aushängeschild. Ich persönlich war dort noch nie, aber eine Begleitung von mir meinte, dass man wohl einiges vom Innendesign beibehalten hat. Das Hauptproblem liegt auf der Hand: Die Lage in Frankfurt-Fechenheim ist alles andere als zentral und war wohl der Hauptgrund, wieso die Clubbetreiber damals Insolvenz anmelden mussten. Das Konzert fand im sogenannten Café statt, welches minimal kleiner im Vergleich zum alten Zoom ist. Dementsprechend waren große Teile der Location komplett abgesperrt, sodass alles zum Teil etwas ausgestorben wirkte. Der Hauptraum soll dagegen wohl deutlich größer sein, aber den werde ich erst morgen bei Bicep inspizieren können.
Vom Café war ich leider nicht so angetan. Man merkt, dass der Raum ursprünglich nicht für Konzerte konzipiert wurde. Durch den schlauchartigen Zuschauerbereich steht man schnell relativ weit von der Bühne weg. Zudem engt die Getränketheke den Bereich noch weiter ein, sodass man sich am besten möglichst weit weg hiervon positionieren sollte. Wenn man auf Toilette möchte, muss man zunächst den Raucherraum passieren, was ich eher unangenehm fand (immerhin wurde der Bühnensound auch auf die Lautsprecher in den Toiletten übertragen). Was aber mMn gar nicht geht ist die viel zu niedrige Bühne, sodass selbst ich mit meinen 1,85m Probleme hatte, irgendjemanden außer dem Sänger auf der Bühne zu erkennen. Ich hoffe wirklich, dass die Hauptbühne meinen Ersteindruck noch verbessern kann.
Da die Nahrungsaufnahme mehr Zeit in Anspruch genommen hatte als geplant, kamen wir deutlich zu spät zur Location und waren sehr froh, dass mit Greatest Hits doch eine Vorband spielte, was natürlich vorher nirgendwo kommuniziert wurde. Die letzten zwei Songs haben wir noch so halbwegs mitbekommen. Klang nach sehr tanzbarem Indie und die Leute hatten scheinbar Spaß.
Gang of Youths habe ich erst mit dem neuen Album auf dem Schirm. In ihrer Heimat Australien ist die Band bereits eine große Nummer und spielt dort auf Arena-Level. Sie sind quasi die australischen The National und tatsächlich klingt die Stimme von Sänger Dave Le'aupepe auch sehr stark nach Matt Berninger. Muss verrückt sein, hier im Vergleich dann in so winzige Läden gebucht zu werden. Man könnte es aber auch positiv betrachten, dass der unmittelbare Kontakt zum Publikum in kleinen Läden natürlich viel besser möglich ist. Das passt auch zur Musik, denn die bewegt sich zwischen lautem hymnischen Alternative Rock und ruhigerem Indie-Rock, jeweils mit Keyboard-Synths und Streichern angereichert. Zudem neigt die Band gerade bei letzteren Songs zu sehr ausufernden Kompositionen, die nur selten die 5-Minuten-Marke unterschreiten. Dazu kommen sehr persönliche Texte mit Gedanken zu Philosophie, Religion und Verlust von Angehörigen. Man könnte also meinen, dass Käufer:innen von Tickets wissen, worauf sie sich einlassen. Tja, falsch gedacht. Das Publikum war eine einzige Katastrophe. Ich habe noch nie so viele Menschen während eines Konzerts laut quatschen gehört. Ist das ein Vorgeschmack auf das Berlin-Publikum, über das sich Klaus hier regelmäßig so aufregt? Ich hoffe, ich muss nur noch wenige Gigs erleben, die sich in eine solche Richtung entwickeln, denn das raubt einem wirklich den Spaß an der ganzen Sache.
Zu Beginn waren alle noch brav, obwohl mit "Do Not Let Your Spirit Wane" direkt ein ruhiger Song als Einstieg gewählt wurde und der Gesang viel zu leise war. Wurde zum Glück ab den Folgesongs besser. Danach wurden mit "The Heart Is a Muscle" und "the angel of 8th ave." direkt zwei Uptempo-Hits abgefeuert, das Publikum war voll dabei, hat mitgesungen und getanzt und ich dachte mir "So kann es weitergehen". Doch kaum kamen ein paar Deep-Cuts, schon ging die Quatschorgie vor allem in den hinteren Reihen los. Es war gar nicht möglich, einzelne Übeltäter zu lokalisieren, es waren einfach zu viele. Mit jedem Song wurde es schlimmer, sodass auch bis in die vorderen Reihen mehr und mehr Leute zu quatschen anfingen, wenn sie nicht ohnehin mit Bierholen oder anderen Dingen beschäftigt waren. Ich habe die Welt nicht mehr verstanden. Da wird mit "brothers" ein emotionaler Sechsminüter von Dave solo am Klavier performt (fairerweise: da er sitzend gespielt hat, konnte man ihn aufgrund der niedrigen Bühne nicht sehen), der vom Tod seines Vaters und schmerzhaften Informationen über dessen Vergangenheit handelt und einigen Leuten war es komplett scheißegal. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass zum einen der Sound generell nicht sehr laut war, andererseits vier ruhige Deep-Cuts hintereinander auch vielleicht nicht die beste Entscheidung beim Zusammenstellen einer Setlist ist. Trotzdem kann das keine Entschuldigung für dieses Arschloch-Verhalten des Publikums sein. Danach kamen wieder drei Uptempo-Nummern, bei denen mitgesungen wurde so als wäre die 30 Minuten davor nichts passiert. Zur Zugabe kam mit "Magnolia" einer der größten Hits der Band in einer Stripped-down-Version und auch hier wurde mitgesungen. Dann wurde "goal of the century" (Laufzeit 7 Minuten) als letzter Song angekündigt: direkt ging die Laberei wieder los.
So ganz kann ich es auch immer noch nicht verstehen. Wenn man Tickets für eine 25 €-Band kauft, dann hat man sich doch in der Regel mit den Songs beschäftigt und weiß, was einen erwartet. Alle Platten der Band weisen diesen Mix aus Uptempo-Songs und ruhigen Nummern auf. Es ist also nicht so, als ob die Band mit den neuen Songs in irgendeiner Weise ihren Stil verändert hätte. Ja, mir mäandern die Songs auch teilweise etwas zu sehr vor sich hin und ich wünschte, die Band würde diese etwas mehr auf den Punkt komponieren. Aber das rechtfertigt nicht so ein Verhalten. Scheinbar wollen die Leute nur den einen Stil hören und dass noch genauso viele Songs in einem anderen Stil existieren, interessiert sie nicht. Ich hatte kürzlich von dem Phänomen gelesen, dass Artists mit erfolgreichen TikTok-Songs (Steve Lacy, Mitski,...) auf ihren Gigs mit negativer Fan-Reaktion zu kämpfen haben, weil die Fans eben nur diese Songs hören möchten. Auf Gang of Youths lässt sich das Phänomen aber auch nicht wirklich anwenden. Ich bin ratlos. Die Band selbst hat den Geräuschpegel leider auch kein einziges Mal kommentiert. Das wäre wirklich angebracht gewesen und hätte vermutlich mindestens mal kurzfristig für Ruhe im Raum gesorgt. Stattdessen gab es sehr ausufernde Monologe zwischen den Songs. Es scheinen wohl ein paar Witze dabei gewesen zu sein, aber ich habe bei dem heftigen Aussie-Dialekt kein Wort verstanden.
Insgesamt also ein sehr ernüchternder Abend. Hoffentlich kein böses Vorzeichen, was künftige Gigs insbesondere im Zoom angeht, da das Team aktuell wieder ein sehr starkes Booking an den Tag legt und ich hoffe, hier noch viele gute Konzerte genießen zu können.