Nachdem ich in jüngster Vergangenheit mit Netflix-Produktionen sehr hart ins Gericht gegangen bin (Okja, I don't feel at home in this world anymore, War Machine) haben mich nach dem schon ganz schönen "To the Bone" dieses Wochenende auch "Blue Jay" und "The Meyerowitz Stories" überzeugt, dass sie auch interessanteren Stoff produzieren.
"Blue Jay" ist die Geschichte von zwei Menschen (Sarah Paulson und Mark Duplass, der mit seinem Bruder auch produziert), die vor langer Zeit ein innig verliebtes Paar waren und sich nun als Erwachsene zufälllig wieder über den Weg laufen. Dabei scheint sie um einiges gesettleter zu sein als er, doch die Dynamik zwischen den beiden verschiebt sich durchgängig. Der Film ist äußerst reduziert und dreht sich wirklich nur um die beiden, wie sie spontan einen Abend miteinander verbringen und dabei viel schönes, aber auch viel traumatisches aus ihrer früheren Romanze wieder hochkommt und verarbeitet werden muss.
Wie sich anhand der Konstruktion des Films als ein großer Dialog zwischen zwei Charakteren und den Themen Liebe, Lebenssinn, Wandel der Perspektive von früher zu heute etc. unschwer erkennen lässt, ist der Film vor allem Fans der "Before"-Trilogie zu empfehlen. Wenn man diese reduzierte, dialogzentrierte Machart nicht mag, wird man es auch mit "Blue Jay" schwer haben.
Von "The Meyerowitz Stories" haben sicherlich einige hier schon gehört, da es sich um den neuen Film von Noah Baumbach handelt, der beim Cannes Festival seine Premiere feierte. Ich bin ausgesprochener Fan von Baumbach und hatte von daher sehr hohe Erwartungen. Beim Blick auf die Castliste nimmt man natürlich Dustin Hoffman und Emma Thompson freudig zur Kenntnis, aber bekommt berechtigte Zweifel aufgrund von Adam Sandlers Präsenz. Jedoch greift hier dasselbe Phänomenen wie in "Punch-Drunk Love", dass der Mann mit dem richtigen Script und dem richtigen Charakter nicht weiter negativ auffällt.
Die Geschichte dreht sich um einen alternen, anerkannten, aber letzen Endes nie übermäßig erfolgreichen Bildhauer und die Beziehung zu seinen drei erwachsenen Kindern, die von einander sehr entfremdet waren, aber durch seinen schlechter werdenen Gesundheitszustand wieder zusammen kommen und viele Konflikte aus der Vergangenheit aufarbeiten müssen (eigentlich ähnlich zu Blue Jay).
Ansonsten liefert der Film vieles, was ich an Baumbachs Filmen mag: ebenfalls wie in "Blue Jay" sehr dialogzentrierte Szenen, die aber nie langweilig werden, da sie äußerst gewitzt und gut getimt sind, die Erforschung des modernen Großstadtlebens, viele Gedanken zu Kunst und Kultur und in den richtigen Dosen melancholische Momente von raueren Emotionen. Die Mischung stimmt wieder und trägt einen durch den Film.
Jedoch muss ich sagen, dass die Geschichte etwas gebraucht hat, um mich richtig zu kriegen. Am Anfang verheddern sich die Charaktere schon sehr ins Fachsimpeln über Kunst, was man einerseits satirisch auslegen könnte, was aber auch ein bisschen wie das demonstrative Droppen von Referenzen gesehen werden kann. Ich mag kluge, kultivierte Charaktere und ich mag auch gern obskurere Refernzen (sonst kommt man auf Baumbach auch nicht klar), aber dieses erste Viertel war mir sogar schon etwas zu viel. Dann aber nimmt die Geschichte an Fahrt auf und die zwischenmenschlichen Konflikte stehen im Vordergrund wodurch man besseren Zugang zu den Charakteren gewinnt. Die dann im Verlauf eingestreuten kulturellen Refernzen wirken dann auch wieder organischer.
Also auf jeden Fall sehenswert und durch die großen Namen vielleicht sogar als Einstieg in Baumbachs Werk geeignet. Aber insgesamt schafft er die Mischung aus eigenwilliger Tragiekomödie und melancholischen Beobachtungen über das moderne Großstadtleben in anderen Filmen noch besser. Und an "Frances Ha" wird wahrscheinlich eh nie etwas herankommen, aber das kann auch nicht die Erwartungshaltung sein
