Taksim hat geschrieben: ↑So 10. Feb 2019, 18:40
Quadrophobia hat geschrieben: ↑So 10. Feb 2019, 17:51
Ich weiß nicht, woher du diese allgemeinbehauptungen über Frauen her hast, deshalb lass ich sie mal außen vor.
Ich stimme dir sogar zu, dass eine Parität in vielen Bereichen einen Großteil des Problems lösen würde. Nur stellt die sich eben nicht automatisch ein. Es mag sein, dass es tatsächlich (ob sozial bedingt oder irgendwie predeterminiert) weniger Frauen als Männer gibt, die in Ingenieursbereiche gehen wollen. Ergebisse aus deutlich gerechteren Ländern in Skansinavien legen ja nahe, dass bei Zahlungsgleichheit sogar weniger Frauen Abschlüsse in Naturwissenschaften machen, weil es nicht die einzigen sind, mit denen man gescheit verdient.
Das Problem liegt ja aber schon viel tiefer: Arbeitsteilung bedeutet seit der Industrialisierung Geschlechterteilung. In deren Frühphase hatte dieses Verhältnis Gründe, die aber spätestens nach dem Übergang in eine Dominanz des tertiären Sektors größtentes obsolet wurde, und hauptsächlich gesellschaftlich reproduziert wird. Das hat zwei Kernfolgen.
1. Gesellschaftlich ist es üblich geworden, dass Frauen implizit gezwungen werden, un- oder schlechtbezahlte Arbeit zu verrichten. Das fängt bei gesellschaftlichen Anforderungen an Mütter an und geht bis zur Ausbeutung sozialer Verantwortung in der Medizin, Pflege und Sozialarbeit.
2. Geschlechterrollen reproduzieren sich in der Erziehung. Es mag biologische Unterschiede geben, die gewisse Vorprägungen bedingen, diese aber als Grubdlage für die fast schon dichotome Behandlung von Jungs und Mädchen zu nehmen, führt halt zu gewissen Pfadabhängigkeiten. Es ist vermutlich unmöglich zu sagen, wie sehr diese soziale Konstruktion vorprägt, jedoch kann man berechtigt vermuten, dass einen Zusammenhang zwischen steigenen Studentinnenzahlen in MINT und Ingenieursfächern und einem Abbau von geschlechtlichen Normrollen gibt.
Übersehe ich irgendetwas in deinem Gedankengang?
Die von dir schönerweise schon zitierten Studien aus skandinavischen Ländern zeigen doch, dass man die von dir zuletzt genannten steigenden Zahl von weiblichen Absolventinnen in MINT-Fächern eben nicht erzwingen kann und dass sich diese auch bei ausgeglicheneren Bedingungen nicht automatisch einstellen. Diese Unterschiede sind wohl weit weniger sozial konstruiert als man gemeinhin angenommen hat, sondern es spielen doch Interessen, Neigungen und unterschiedliche Entscheidungsfindungsprozesse eine Rolle. Man fand auch, dass Frauen häufiger für mehrere Disziplinen Talent zeigen, also, dass einige, die sich auch in naturwissenschaftlichen Fächern durchsetzen könnten genauso gut für Sprachen begabt sind und dann lieber zweiteres wählen aufgrund anderer Faktoren wie der sozialen Komponente. Männer sind häufiger nur auf den Technikbereich spezialisiert und die Interessen sind singulärer.
Diese Ergebnisse und Befunde unterminieren jedoch in keinster Weise die Notwendigkeit weiterhin etwaige Barrieren und Stereotype gegenüber Frauen in Männer-Domänen abbauen zu müssen. (Denkt hier bestimmt niemand, aber auch sowas muss man häufiger dazu sagen, als man annehmen sollte).
Die Lohngleichheit, die in Skandinavien herrscht, baut ja nicht automatisch die auch dort vorherrschenden Rollenbilder ab, die einen nennenswerten Anteil an der Berufswahl haben, sondern bezahlt Männer und Frauen gleich. Das löst nicht das Problem, dass schiefe Repräsentationen entstehen, sondern das worum es hier eigentlich geht: Das Frauen gegenüber Männenr strukturell unterbezahlt werden.
Es zeigt auch, dass man dieses Problem eben nur durch politisches Eingreifen löst, weil in der Wirtschaft kein Wille dazu da ist,
irgendjemanden fair zu bezahlen. Die schiefe Verteilung ist ein anderes Problem, die in das Verhältnis Geschlecht - Lohnhöhe nur dadurch eingreift, dass Jobs, die mehrheitlich von Männern ausgeführt werden, besser bezahlt werden, als Jobs, die mehrheitlich von Frauen ausgeführt werden.
Was mich hier am meisten wundert, ist die implizite Behauptung, es gäbe eine natürliche Besserbezahlung mancher Jobs, bspw. MINT oder Ingeneursberufen gegenüber bpsw. Erziehungs und Pflegeberufen. Die Realität ist, dass zzt. wohl letztere Berufsgruppen auf einem freien Markt sehr viel besser verdienen könnten und sich einigermaßen an das Niveau der ersten Gruppe anpassen könnte, wenn man auf Bildungsjahre kontrolliert. Realität ist aber auch, dass der Arbeitsmarkt zwar jede Menge Stellen für Erzieher*innen oder Pflegekräfte bietet, diese Fachkräfte heftig umkämpft sind, aber dennoch schlecht bezahlt werden. Das ist mitnichten so, weil es irgendein "Naturgesetz" gibt, dass ihnen einen geringeren Wert beimisst, sondern dass sie in einer lang gewachsenen gesellschaftlichen Hegemonie eingebettet sind, die Reproduktionsarbeit als Frauenarbeit versteht und nicht als entsprechend gleichrangig zur "männlichen" Lohnarbeit. Es geht eben viel weniger darum, dass mehr Frauen in die MINT/Ing Fächer gehen (das ist ein anderes Problem, mit dem man sich gesondert auf einer anderen Ebene beschäftigen muss), sondern, dass "Frauenberufe" einfach gegenüber "Männerberufen" schlechter bezahlt werden.
Und wer behauptet, dass Frauen einfach "schlechter behandeln", sollte sich mal klarmachen, dass man als Mann grundsätzlich in Gehaltsverhandlungen mehrere strukturelle Vorteile gegenüber Frauen hat, die ungefähr so anmuten, als ob man ein Fußballspiel von Anfang an 11 gegen 9 spielt. Erzähl mal als Frau in nem Vorstellunggespräch in der freien Wirtschaft, dass du vor hast, in den nächsten Jahren Kinder zu kriegen, oder alternativ, dass das niemanden was angeht. Den Job bekommst du nicht. Rechne da noch dazu, dass eben der Großteil der Exekutivpersonen (also die mit Personalentscheidungskompetenzen) nach wie vor Männer sind, die höchstwahrscheinlich nicht erhaben sind, über die Neigung, eher ihnen selbst ähnliche Menschen einzustellen und das ganze Argument ist obsolet, weil man eben nicht unter gerechten Vorzeichen in so eine Verhandlung geht.
Ich werfe hier ja niemandem vor, sich bewusst gegen Gleichbezahlung einzusetzen. Aber die Argumente, die ich hier lese, sind teilweise so abgedroschen, dass ich mich wundere, sie hier zu lesen. Es dürfte allen bewusst sein, dass es ein komplexes Sachverhältnis ist, dass nicht von 1-2 Stellschrauben abhänge und "dann würde jeder nur noch Frauen einstellen, weil die billiger sind" kein Argument ist, dass irgendwo hin, außer ad absurdum führt. Auch, dass patriarchale Strukturen auch gegen Männer wirken, wird hier so behandelt, als würde es gegen diese Debatte sprechen, obwohl es essentieller Teil davon ist, und vor allem der Feminismus dafür verantwortlich ist, dass sich gefährliche Männlichkeitsstrukturen zunehmend hinterfragen müssen. Auch die teils arg ausweichende Argumentation, dass dann eben gesamtgesellschaftlich eine andere Gehaltsstruktur her muss (was meinem Argument absolut nicht entgegensteht, aber Lohngleichheit zwischen Geschlechtern eben nicht ersetzt), finde ich hier völlig fehl am Platze, weil sie eigentlich nur sekundär mit der Problematik zu tun hat.
Es ändert eben alles nichts daran, dass die gesellschaftliche Arbeitsteilung
insgesamt so aufgebaut ist, dass Frauen weit weniger verdienen als Männer. Das liegt an diversen Dingen, aber eben hauptsächlich daran, dass ein Großteil der Gesellschaft, eben implizit gar nicht gewillt ist, das zu ändern. Und wie Stebbie schon sagte. Das "bereinigte" Gender Pay Gap sagt eben noch immer aus, dass Frauen für die gleiche Arbeit 6% schlechter bezahlt werden, was für sich schon ein Skandal ist. Es lässt aber eben das Hauptptoblem, dass Frauen der Zugang zu Führungspositionen deutlich schwerer gemacht wird, als Männern und dass sie in gesellschaftlichen Abhängigkeitsverhältnissen stehen, mit denen sich Männer nie rumschlagen mussten. Deshalb muss man das Gender Pay Gap halt nach wie vor mit 21% angeben, weil das die Ungleichverteilung der Produktionsmittel angibt die herrscht.
Edit: deshalb ist Petersons Argument der "Natürlichkeit" des Patriarchats auch nicht viel mehr als Macho Gewäsch