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Erkenntnis des Tages

Von Spam bis Gott und die Welt
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elch
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Re: Erkenntnis des Tages

Beitrag von elch » Do 7. Feb 2019, 12:30

Allein der Anfang: Frauen verdienen weniger als Männer, weil sie es so wollen.
Damit sollte der folgende Stil schon klar eingegrenzt sein.

Und btw. Argumente habe ich da nahezu keine gelesen. Außer: so war es halt schon immer.
Ansonsten nur steile Thesen.

Wobei ich sagen muss, dass der Kerl bisher an mir vorbeigegangen ist. Scheint aber auch gut so zu sein.

Zusammenfassung: reaktionäre, patriarchalische Kackscheiße. Fällt halt als weißer Mann nicht sofort ins Auge.
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Gelöschter Benutzer 408

Re: Erkenntnis des Tages

Beitrag von Gelöschter Benutzer 408 » Do 7. Feb 2019, 12:35

Zusammenfassung: reaktionäre, patriarchalische Kackscheiße. Fällt halt als weißer Mann nicht sofort ins Auge.
Das ist halt so das übliche "Echo", was man auch darunter liest. Und das genauso - sorry - rassistische - Argument "weißer Mann". Das ist mir ehrlich gesagt etwas zu dürftig.

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Quadrophobia
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Re: Erkenntnis des Tages

Beitrag von Quadrophobia » Do 7. Feb 2019, 12:44

Jordan Peterson gefällt sich halt sehr in der Rolle des Typen, den die Linke hasst.

Problematisch finde ich zum Beispiel seine Beiträge bei Achgut, in denen er nahelegt, dass die derzeitigen Herrschaftsverhältnisse nicht durch Gewalt enstanden sind, sondern durch die Ungleichverteilung von Intelligenz eine "natürliche" Fügung sein. Da steckt dann natürlich implizi mit drin, dass Menschen in Regionen in denen es wirtschaftlich nicht so läuft, oder gesellschaftlich benachteiligte Gruppen (meist Frauen) weniger intelligent sein, als die dominanten weißen Männer.



Gelöschter Benutzer 408

Re: Erkenntnis des Tages

Beitrag von Gelöschter Benutzer 408 » Do 7. Feb 2019, 13:06

Quadrophobia hat geschrieben:
Do 7. Feb 2019, 12:44
Jordan Peterson gefällt sich halt sehr in der Rolle des Typen, den die Linke hasst.

Problematisch finde ich zum Beispiel seine Beiträge bei Achgut, in denen er nahelegt, dass die derzeitigen Herrschaftsverhältnisse nicht durch Gewalt enstanden sind, sondern durch die Ungleichverteilung von Intelligenz eine "natürliche" Fügung sein. Da steckt dann natürlich implizi mit drin, dass Menschen in Regionen in denen es wirtschaftlich nicht so läuft, oder gesellschaftlich benachteiligte Gruppen (meist Frauen) weniger intelligent sein, als die dominanten weißen Männer.
Das ist halt das, was ich meine. Kontext. Danke dafür. Du musst hier nicht zu achgut verlinken (igitt), sondern es wäre gut, einfach mal kurz die Gründe benennst. Die Implizierung teile ich eigentlich nicht (nachdem, was im Artikel steht), eher im Gegenteil: Regionen, in den es wirtschaftlich nicht so läuft, sind ja meist die mit den wenigsten "Rechten" für Frauen, weil man da einfach mal 50% des Arbeits/Intelligenzpotentials unterdrückt.

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Taksim
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Re: Erkenntnis des Tages

Beitrag von Taksim » Do 7. Feb 2019, 14:59

Jordan Peterson ist für mich so ein Fall, der definitiv Angriffsfläche bietet und dies teilweise bestimmt auch bewusst, wie Quadro schon sagt, aber der teilweise auch ebenso bewusst extrem diffamiert wird. Durch seinen speziellen Fall, als er an seiner Universität unter Beschuss geriet, wurde sehr plötzlich transparent, was an vielen nordamerikanischen Unis in Sachen Ideologie und Redefreiheit schief läuft, was ja viele Akademiker seitdem offener kommunizieren. Um da seine Rolle und die des sich seitdem formierten IDW (intellectual dark web) besser einzuordnen finde ich diesen Artikel sehr treffend: https://www.theatlantic.com/ideas/archi ... on/567110/

Seine Kritik an dem wissenschatlichen Diskurs und an einigen ideologischen Widersprüchen in der Linken, wenn auch manchmal überspitzt, hat also durchaus einen Nerv getroffen. Für mich unterminiert er das dann regelmäßig mit anderen merkwürdig anmutenden Positionen, zum Beispiel zum Klimawandel, wo er den wissenschaftlichen Konsens gelegentlich anzweifelt oder seine äußerst angestrengt wirkenden Bemühungen, seinen wissenschaftlich-rationalen Ethos mit seinem persönlichen starken Glauben zu vereinbaren. Er bringt dann Religion mehr auf die Ebene der Narrative und Geschichte, die sich Menschen erzählen, um Moral zu verbreiten, aber da ist er mir viel zu unkritisch und eben auch widersprüchlich, wenn er versucht, dass irgendwie wissenschaftlich aufzuladen.

Kritkpunkte an seiner Position kann es also viel geben, aber genauso schießen viele auf der Linken ziemlich übers Ziel hinaus, um ihn als den absoluten Teufel darzustellen. Das geht dann natürlich häufig in diese Kerbe:
elch hat geschrieben:
Do 7. Feb 2019, 12:30
Und btw. Argumente habe ich da nahezu keine gelesen. Außer: so war es halt schon immer.
Ansonsten nur steile Thesen.Zusammenfassung: reaktionäre, patriarchalische Kackscheiße. Fällt halt als weißer Mann nicht sofort ins Auge.
Sorry elch, aber es passte so gut :mrgreen:
Zu dem Zeit-Interview hatte ich jetzt keinen Zugang, aber im Allgemeinen sagt er nicht, dass Frauen weniger verdienen, weil sie es wollen, sondern weil sich Mechanismen und systemische Strukturen gebildet haben, die begünstigen, dass Männer mehr verdienen. Diese sind zum Beispiel psychologisch zu erklären, dass Männer bereit sind risikobehaftetere Jobs einzugehen oder dass Frauen gewillter sind mehr Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen und dafür lukrativere Karrieren aufgeben. Ebenso betont er kontiniuierlich, dass die Überlappung von Frauen und Männer psychologisch und biologisch unheimlich groß ist, aber in den Extremen sich halt große Unterschiede finden, was häufig die Unterschiede in den Statistiken erklären. Also z.B. in den allerhöchstbezahlten Berufen finden sich primär Männer. Das sind nicht viele, aber sie verdienen so viel, dass es einen signifkanten Unterschied macht (da müsste die Kritik eben an der Gehaltstruktur ansetzen, dass eben Manager viel zu viel verdienen, als da das Geschlecht zu betonen).
Dass es schon immer so war, begründet er ebenso mit evolutionär-biologischen Faktoren (wie viele andere Wissenschaftler auch). Zum Beispiel, dass sich überall in der Natur Hierarchien wiederfinden und diese nicht zwingend nur menschengemacht zum Nachteil einer bestimmten Gruppe geformt wurden (was natürlich nicht entkräftet, dass Nachteile für viele Gruppen bestehen).
Übrigens die Argumentation, dass einzig das Patriarchat an einer benachteiligten Stellung der Frauen Schuld sei, ist ein Punkt, den auch immer mehr Feministinnen kritisieren (genau so wie einige Feministinnen kritisieren, dass eine Fixierung auf das Patriachart als Feindbild ja wieder den Mann ins Zentrum einer Ideologie rückt, die doch eigentlich Frauen stärken soll).
Jordan Peterson geht davon aus, dass es das Patriarchat in der Form nicht einmal gibt (darüber kann man sicherlich streiten; aber zur Denke des Patriarchat passt zum Beispiel nicht, dass eine weit höhere Zahl von Männern im Gefängnis sitzen, obdachlos sind oder sich umbringen), aber seinen allgemeinen Punkt, dass es keine konsistent schlüssige Erklärung für jedes Problem sei, teilen viele.
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bladerunner
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Re: Erkenntnis des Tages

Beitrag von bladerunner » Do 7. Feb 2019, 15:48

Auf das Interview habe ich auch keinen Zugriff, gab aber schon letztes Jahr einen längeren Zeit-Artikel.
https://www.zeit.de/kultur/2018-08/jord ... identitaet

Größtenteils sehe ich das so wie taksim.

Bei RBTV wurde auch mal mit Florentin Will und Wolfgang M. Schmitt das Buch besprochen.

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Quadrophobia
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Re: Erkenntnis des Tages

Beitrag von Quadrophobia » Do 7. Feb 2019, 15:54

Taksim hat geschrieben:Jordan Peterson ist für mich so ein Fall, der definitiv Angriffsfläche bietet und dies teilweise bestimmt auch bewusst, wie Quadro schon sagt, aber der teilweise auch ebenso bewusst extrem diffamiert wird. Durch seinen speziellen Fall, als er an seiner Universität unter Beschuss geriet, wurde sehr plötzlich transparent, was an vielen nordamerikanischen Unis in Sachen Ideologie und Redefreiheit schief läuft, was ja viele Akademiker seitdem offener kommunizieren. Um da seine Rolle und die des sich seitdem formierten IDW (intellectual dark web) besser einzuordnen finde ich diesen Artikel sehr treffend: https://www.theatlantic.com/ideas/archi ... on/567110/

Seine Kritik an dem wissenschatlichen Diskurs und an einigen ideologischen Widersprüchen in der Linken, wenn auch manchmal überspitzt, hat also durchaus einen Nerv getroffen. Für mich unterminiert er das dann regelmäßig mit anderen merkwürdig anmutenden Positionen, zum Beispiel zum Klimawandel, wo er den wissenschaftlichen Konsens gelegentlich anzweifelt oder seine äußerst angestrengt wirkenden Bemühungen, seinen wissenschaftlich-rationalen Ethos mit seinem persönlichen starken Glauben zu vereinbaren. Er bringt dann Religion mehr auf die Ebene der Narrative und Geschichte, die sich Menschen erzählen, um Moral zu verbreiten, aber da ist er mir viel zu unkritisch und eben auch widersprüchlich, wenn er versucht, dass irgendwie wissenschaftlich aufzuladen.

Kritkpunkte an seiner Position kann es also viel geben, aber genauso schießen viele auf der Linken ziemlich übers Ziel hinaus, um ihn als den absoluten Teufel darzustellen. Das geht dann natürlich häufig in diese Kerbe:
elch hat geschrieben:
Do 7. Feb 2019, 12:30
Und btw. Argumente habe ich da nahezu keine gelesen. Außer: so war es halt schon immer.
Ansonsten nur steile Thesen.Zusammenfassung: reaktionäre, patriarchalische Kackscheiße. Fällt halt als weißer Mann nicht sofort ins Auge.
Sorry elch, aber es passte so gut :mrgreen:
Zu dem Zeit-Interview hatte ich jetzt keinen Zugang, aber im Allgemeinen sagt er nicht, dass Frauen weniger verdienen, weil sie es wollen, sondern weil sich Mechanismen und systemische Strukturen gebildet haben, die begünstigen, dass Männer mehr verdienen. Diese sind zum Beispiel psychologisch zu erklären, dass Männer bereit sind risikobehaftetere Jobs einzugehen oder dass Frauen gewillter sind mehr Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen und dafür lukrativere Karrieren aufgeben. Ebenso betont er kontiniuierlich, dass die Überlappung von Frauen und Männer psychologisch und biologisch unheimlich groß ist, aber in den Extremen sich halt große Unterschiede finden, was häufig die Unterschiede in den Statistiken erklären. Also z.B. in den allerhöchstbezahlten Berufen finden sich primär Männer. Das sind nicht viele, aber sie verdienen so viel, dass es einen signifkanten Unterschied macht (da müsste die Kritik eben an der Gehaltstruktur ansetzen, dass eben Manager viel zu viel verdienen, als da das Geschlecht zu betonen).
Dass es schon immer so war, begründet er ebenso mit evolutionär-biologischen Faktoren (wie viele andere Wissenschaftler auch). Zum Beispiel, dass sich überall in der Natur Hierarchien wiederfinden und diese nicht zwingend nur menschengemacht zum Nachteil einer bestimmten Gruppe geformt wurden (was natürlich nicht entkräftet, dass Nachteile für viele Gruppen bestehen).
Übrigens die Argumentation, dass einzig das Patriarchat an einer benachteiligten Stellung der Frauen Schuld sei, ist ein Punkt, den auch immer mehr Feministinnen kritisieren (genau so wie einige Feministinnen kritisieren, dass eine Fixierung auf das Patriachart als Feindbild ja wieder den Mann ins Zentrum einer Ideologie rückt, die doch eigentlich Frauen stärken soll).
Jordan Peterson geht davon aus, dass es das Patriarchat in der Form nicht einmal gibt (darüber kann man sicherlich streiten; aber zur Denke des Patriarchat passt zum Beispiel nicht, dass eine weit höhere Zahl von Männern im Gefängnis sitzen, obdachlos sind oder sich umbringen), aber seinen allgemeinen Punkt, dass es keine konsistent schlüssige Erklärung für jedes Problem sei, teilen viele.
Zum Patriarchat passt das was in deiner Klammer steht sehr gut. Es zwingt ja eben auch Männer in gewisse Rollen und insbesondere die Konotation von Männlichkeit und Gewalt führt eben zu mehr Männern im Knast. Auf der anderen Seit führt die unerfüllbarkeit dieser Ansprüche eben bei vielen auch zu schweren psychischen Problemen.

Sehr verkürzt natürlich, aber dass das Patriarchat keine negativen Effekte auf Männer hat, wurde ja nie behauptet.


Zur Wissenschaftskritik Petersons. Die Anfeindung gegen ihn war tatsächlich recht irrational. Aber er hat sie bewusst aufgeblasen und als Totschlagargument gegen alle Kritik an seinen Äußerungen angeführt. Das ist halt auch nicht gerade credibil

Gelöschter Benutzer 408

Re: Erkenntnis des Tages

Beitrag von Gelöschter Benutzer 408 » Do 7. Feb 2019, 16:23

Ganz kurz: Danke für die Beiträge und shame on you, Zeit, einen Beitrag erst öffentlich auf die Startseite zu packen und dann hinter die Paywall zu legen.

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Taksim
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Re: Erkenntnis des Tages

Beitrag von Taksim » Do 7. Feb 2019, 18:07

Quadrophobia hat geschrieben:
Do 7. Feb 2019, 15:54

Zum Patriarchat passt das was in deiner Klammer steht sehr gut. Es zwingt ja eben auch Männer in gewisse Rollen und insbesondere die Konotation von Männlichkeit und Gewalt führt eben zu mehr Männern im Knast. Auf der anderen Seit führt die unerfüllbarkeit dieser Ansprüche eben bei vielen auch zu schweren psychischen Problemen.

Sehr verkürzt natürlich, aber dass das Patriarchat keine negativen Effekte auf Männer hat, wurde ja nie behauptet.

Zur Wissenschaftskritik Petersons. Die Anfeindung gegen ihn war tatsächlich recht irrational. Aber er hat sie bewusst aufgeblasen und als Totschlagargument gegen alle Kritik an seinen Äußerungen angeführt. Das ist halt auch nicht gerade credibil
Oh, das wird aber ebenso häufig gern als Totschlagargument überhaupt benutzt und zwar absolut in den Sinne, dass Männer definitiv immer privilegiert seien und dann natürlich noch mal mehr der weiße, heterosexuelle Mann, wo sich bei den genannten Beispielen zeigt, wie verkürzt eine solche Sichtweise ist.
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Quadrophobia
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Re: Erkenntnis des Tages

Beitrag von Quadrophobia » Do 7. Feb 2019, 18:11

Taksim hat geschrieben:
Do 7. Feb 2019, 18:07
Quadrophobia hat geschrieben:
Do 7. Feb 2019, 15:54

Zum Patriarchat passt das was in deiner Klammer steht sehr gut. Es zwingt ja eben auch Männer in gewisse Rollen und insbesondere die Konotation von Männlichkeit und Gewalt führt eben zu mehr Männern im Knast. Auf der anderen Seit führt die unerfüllbarkeit dieser Ansprüche eben bei vielen auch zu schweren psychischen Problemen.

Sehr verkürzt natürlich, aber dass das Patriarchat keine negativen Effekte auf Männer hat, wurde ja nie behauptet.

Zur Wissenschaftskritik Petersons. Die Anfeindung gegen ihn war tatsächlich recht irrational. Aber er hat sie bewusst aufgeblasen und als Totschlagargument gegen alle Kritik an seinen Äußerungen angeführt. Das ist halt auch nicht gerade credibil
Oh, das wird aber ebenso häufig gern als Totschlagargument überhaupt benutzt und zwar absolut in den Sinne, dass Männer definitiv immer privilegiert seien und dann natürlich noch mal mehr der weiße, heterosexuelle Mann, wo sich bei den genannten Beispielen zeigt, wie verkürzt eine solche Sichtweise ist.
Da muss man dann eben zwischen struktureller und individueller Kritik unterscheiden (was zugegeben gern auf der Strecke bleibt). Natürlich hat der 60-jährige Deutsche Obdachlose wenig von seinem "Doppelprivileg". Aber auf der Gruppenstrukturellen Ebene gibt es eben keine privilegiertere Gruppe als alte, weiße Männer, die eben den absoluten Großteil der gesellschaftlichen Produktionsmittel auf sich vereinen.

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Taksim
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Re: Erkenntnis des Tages

Beitrag von Taksim » Do 7. Feb 2019, 18:39

Quadrophobia hat geschrieben:
Do 7. Feb 2019, 18:11
Taksim hat geschrieben:
Do 7. Feb 2019, 18:07
Quadrophobia hat geschrieben:
Do 7. Feb 2019, 15:54

Zum Patriarchat passt das was in deiner Klammer steht sehr gut. Es zwingt ja eben auch Männer in gewisse Rollen und insbesondere die Konotation von Männlichkeit und Gewalt führt eben zu mehr Männern im Knast. Auf der anderen Seit führt die unerfüllbarkeit dieser Ansprüche eben bei vielen auch zu schweren psychischen Problemen.

Sehr verkürzt natürlich, aber dass das Patriarchat keine negativen Effekte auf Männer hat, wurde ja nie behauptet.

Zur Wissenschaftskritik Petersons. Die Anfeindung gegen ihn war tatsächlich recht irrational. Aber er hat sie bewusst aufgeblasen und als Totschlagargument gegen alle Kritik an seinen Äußerungen angeführt. Das ist halt auch nicht gerade credibil
Oh, das wird aber ebenso häufig gern als Totschlagargument überhaupt benutzt und zwar absolut in den Sinne, dass Männer definitiv immer privilegiert seien und dann natürlich noch mal mehr der weiße, heterosexuelle Mann, wo sich bei den genannten Beispielen zeigt, wie verkürzt eine solche Sichtweise ist.
Da muss man dann eben zwischen struktureller und individueller Kritik unterscheiden (was zugegeben gern auf der Strecke bleibt).
Ganz genau. Aber diese beiden Ebenen werden ständig miteinander vermengt, was zu wahnsinnig vielen inhärenten Widersprüchen führt.
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Gelöschter Benutzer 408

Re: Erkenntnis des Tages

Beitrag von Gelöschter Benutzer 408 » Do 7. Feb 2019, 19:02

So, nach längerem Lesen der Aussagen: Danke Taksim! Deine Ausführungen und vor allem der Link zum anderen ZON Artikel waren sehr hilfreich.

In meinen Augen ist er eine Art Sarrazin-light von der Argumentationsweise her: Nimmt einige Phänomene und Betrachtungen, die man (ich) so unterschreiben würde. Verwerfungen, Missstände, Übertreibungen. Sarrazin light, weil er ähnlich vorgeht: Nimmt vorhandene Puzzleestücke und fügt sie zu einem Gesamtbild, bzw. einer Gesamtkonzequenz zusammen, die dann wieder nicht passt. Sarrazin macht dies auf eine rassistischen Ebene (indem er beispielsweise reale Probleme, Einzelverwerfungen aufgreift, daraus aber Generalisiert/falsche Ursachen interpretiert), Peterson auf der Genderebene. Was dem von mir verlinkten ZON-Artikel fehlt, war die Konsequenz aus dem Ganzen, also welches zukünftige Verhalten/Ansichten man daraus ableiten könnte: Das skizzieren die Quellen dann doch ganz gut (und auch warum man sich das nicht zueigen machen sollte). Die Widersprüche seiner Aussagen, waren teilweise schon zu finden - etwa wenn er evolutionsbiologisch argumentiert, aber nur bestimmte Ausprägungen dabei betrachtet und vieles anderes außen vor lässt.

Wobei er natürlich - und da hat Quadro recht - sehr gern mit den völlig übertriebenem, überzogenen Reaktionen vermeintlich Linker spielt. Er hat eben, um in Bildern zu bleiben, 2-3 Tropfen Öl vergossen und es kam eine Feuersbrunst zurück.

Und: was aus meiner Quelle nicht hervorging: Er scheint auf einer "gottgegebenen" Ebene zu argumentieren, bzw. sich darauf zu berufen. Ich bin ja der Meinung: Wer sich im Jahre 2019 wissenschaftlich nennen möchte und mit "Gott" argumentiert, sollte nicht ernstgenommen werden. Religionen sollten generell nicht erstgenommen werden.

Fazit: Ich finde es gut, welche Punkte/Probleme/wasauchimmer er benennt - die Schlüsse teile ich dann jedoch nicht.

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Re: Erkenntnis des Tages

Beitrag von Stebbie » Do 7. Feb 2019, 22:59

Taksim hat geschrieben:
Do 7. Feb 2019, 18:39
Quadrophobia hat geschrieben:
Do 7. Feb 2019, 18:11
Taksim hat geschrieben:
Do 7. Feb 2019, 18:07


Oh, das wird aber ebenso häufig gern als Totschlagargument überhaupt benutzt und zwar absolut in den Sinne, dass Männer definitiv immer privilegiert seien und dann natürlich noch mal mehr der weiße, heterosexuelle Mann, wo sich bei den genannten Beispielen zeigt, wie verkürzt eine solche Sichtweise ist.
Da muss man dann eben zwischen struktureller und individueller Kritik unterscheiden (was zugegeben gern auf der Strecke bleibt).
Ganz genau. Aber diese beiden Ebenen werden ständig miteinander vermengt, was zu wahnsinnig vielen inhärenten Widersprüchen führt.
Ist das verkürzt? Denn auch in denselben unprivilegierten Umfeldern wie bspw. Obdachlosigkeit hast du dann wieder die alten Machtrelationen zwischen Mann und Frau. Man kann natürlich nicht den Obdachlosen und mittellosen Mann mit der weiblichen Lehrerin in ihrer DHH vergleichen.
Ich bin ja der Meinung: Wer sich im Jahre 2019 wissenschaftlich nennen möchte und mit "Gott" argumentiert, sollte nicht ernstgenommen werden. Religionen sollten generell nicht erstgenommen werden.
Och, je nach Perspektive und Definition kann man auch Wissenschaft als (quasi-)Religion bezeichnen. Das sind ja beides sehr diverse Begriffe, denen man eine große Ähnlichkeit attestieren kann.
(c) 26.06.2006

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Tambourine-Man
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Re: Erkenntnis des Tages

Beitrag von Tambourine-Man » Sa 9. Feb 2019, 17:36

Quadrophobia hat geschrieben:
Do 7. Feb 2019, 18:11
Da muss man dann eben zwischen struktureller und individueller Kritik unterscheiden (was zugegeben gern auf der Strecke bleibt). Natürlich hat der 60-jährige Deutsche Obdachlose wenig von seinem "Doppelprivileg". Aber auf der Gruppenstrukturellen Ebene gibt es eben keine privilegiertere Gruppe als alte, weiße Männer, die eben den absoluten Großteil der gesellschaftlichen Produktionsmittel auf sich vereinen.
Aber warum greift man dann nicht das konkrete Problem direkt auf, nämlich die Konzentration der gesellschaftlichen Produktionsmittel, denn um das geht es ja im Kern. Der Zustand diskriminiert Männer und Frauen, wobei letztere ungleich mehr. Trotzdem wird als erstes über die Geschlechterebene argumentiert.

Dazu passt auch etwa das was Taksim geschrieben hat:
Taksim hat geschrieben:
Do 7. Feb 2019, 14:59
[...]
Ebenso betont er kontiniuierlich, dass die Überlappung von Frauen und Männer psychologisch und biologisch unheimlich groß ist, aber in den Extremen sich halt große Unterschiede finden, was häufig die Unterschiede in den Statistiken erklären. Also z.B. in den allerhöchstbezahlten Berufen finden sich primär Männer. Das sind nicht viele, aber sie verdienen so viel, dass es einen signifkanten Unterschied macht (da müsste die Kritik eben an der Gehaltstruktur ansetzen, dass eben Manager viel zu viel verdienen, als da das Geschlecht zu betonen).
Die Ableitungen, die in 99% der Fälle aus der unbereinigten Gender-paygap gezogen werden, zeugen entweder von alarmierend schlechtem Statistikwissen oder vorsätzlicher Irreführung, wobei ich nicht genau sagen kann, was ich schlimmer finde.
Warum kann man nicht einfach hingehen und sagen, dass man Berufe (vorwiegend sind es halt die sozialen), die viel zu schlecht bezahlt werden, endlich besser stellt und fair entlohnt. Unabhängig davon, ob in diesen Berufsfeldern 90, 75 oder nur 40% Frauen arbeiten. Dass man durch gerechtere Bezahlung in sozialen Berufen die unbereinigte Gender-paygap verkleinert ist ein netter Nebeneffekt, aber sollte doch nicht die Hauptmotiviation sein. Jeder Beruf verdient eine seiner Arbeit angemessene Entlohung, unabhängig davon welches Geschlecht diesen primär ausübt.
Für alle anderen Probleme, die in der unbereinigten gender-paygap versteckt liegen gibt es andere Maßnahmen, die aber nichts mit der allgemeinen Bezahlung zu tun haben (Teilzeit-Problematik, Machtstrukturen, die den Aufstieg in Führungspositionen verbauen/wesentlich erschweren).
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Re: Erkenntnis des Tages

Beitrag von Quadrophobia » Sa 9. Feb 2019, 17:47

Tambourine-Man hat geschrieben:
Sa 9. Feb 2019, 17:36
Quadrophobia hat geschrieben:
Do 7. Feb 2019, 18:11
Da muss man dann eben zwischen struktureller und individueller Kritik unterscheiden (was zugegeben gern auf der Strecke bleibt). Natürlich hat der 60-jährige Deutsche Obdachlose wenig von seinem "Doppelprivileg". Aber auf der Gruppenstrukturellen Ebene gibt es eben keine privilegiertere Gruppe als alte, weiße Männer, die eben den absoluten Großteil der gesellschaftlichen Produktionsmittel auf sich vereinen.
Aber warum greift man dann nicht das konkrete Problem direkt auf, nämlich die Konzentration der gesellschaftlichen Produktionsmittel, denn um das geht es ja im Kern. Der Zustand diskriminiert Männer und Frauen, wobei letztere ungleich mehr. Trotzdem wird als erstes über die Geschlechterebene argumentiert.

Dazu passt auch etwa das was Taksim geschrieben hat:
Taksim hat geschrieben:
Do 7. Feb 2019, 14:59
[...]
Ebenso betont er kontiniuierlich, dass die Überlappung von Frauen und Männer psychologisch und biologisch unheimlich groß ist, aber in den Extremen sich halt große Unterschiede finden, was häufig die Unterschiede in den Statistiken erklären. Also z.B. in den allerhöchstbezahlten Berufen finden sich primär Männer. Das sind nicht viele, aber sie verdienen so viel, dass es einen signifkanten Unterschied macht (da müsste die Kritik eben an der Gehaltstruktur ansetzen, dass eben Manager viel zu viel verdienen, als da das Geschlecht zu betonen).
Die Ableitungen, die in 99% der Fälle aus der unbereinigten Gender-paygap gezogen werden, zeugen entweder von alarmierend schlechtem Statistikwissen oder vorsätzlicher Irreführung, wobei ich nicht genau sagen kann, was ich schlimmer finde.
Warum kann man nicht einfach hingehen und sagen, dass man Berufe (vorwiegend sind es halt die sozialen), die viel zu schlecht bezahlt werden, endlich besser stellt und fair entlohnt. Unabhängig davon, ob in diesen Berufsfeldern 90, 75 oder nur 40% Frauen arbeiten. Dass man durch gerechtere Bezahlung in sozialen Berufen die unbereinigte Gender-paygap verkleinert ist ein netter Nebeneffekt, aber sollte doch nicht die Hauptmotiviation sein. Jeder Beruf verdient eine seiner Arbeit angemessene Entlohung, unabhängig davon welches Geschlecht diesen primär ausübt.
Für alle anderen Probleme, die in der unbereinigten gender-paygap versteckt liegen gibt es andere Maßnahmen, die aber nichts mit der allgemeinen Bezahlung zu tun haben (Teilzeit-Problematik, Machtstrukturen, die den Aufstieg in Führungspositionen verbauen/wesentlich erschweren).
Der letzte Absatz stimmt so aber leider nicht. Das "bereinigte" Gender Pay Gap ist statistischer Unsinn und eine Spielerei von Wirtschaftslobbyverbänden. Du kannst ja nicht aus einem signifikanten Zusammenhang einfach die erklärende Variable streichen und das Ganze in einen neuen Zusammenhang stellen
Das Richtige, um zu erklären, was da falsch läuft wäre eine Mehrebenenmodell, dass die einzelnen Regressionsgraden jedes Berufes zeigt. Und dann wirds bur noch schlimmer. Das Problem ist definitiv nicht die Unterbezahlung von "Frauen"-Berufen, sondern die Sperrung der Spitzenverdienerjobs gegen Frauen. Hätten vorwiegend Männer Sozialjobs, wären sie besser bezahlt. Das lässt sich leider nicht anders lesen.

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Re: Erkenntnis des Tages

Beitrag von Taksim » Sa 9. Feb 2019, 18:34

Quadrophobia hat geschrieben:
Sa 9. Feb 2019, 17:47
Tambourine-Man hat geschrieben:
Sa 9. Feb 2019, 17:36
ngen, die in 99% der Fälle aus der unbereinigten Gender-paygap gezogen werden, zeugen entweder von alarmierend schlechtem Statistikwissen oder vorsätzlicher Irreführung, wobei ich nicht genau sagen kann, was ich schlimmer finde.
Warum kann man nicht einfach hingehen und sagen, dass man Berufe (vorwiegend sind es halt die sozialen), die viel zu schlecht bezahlt werden, endlich besser stellt und fair entlohnt. Unabhängig davon, ob in diesen Berufsfeldern 90, 75 oder nur 40% Frauen arbeiten. Dass man durch gerechtere Bezahlung in sozialen Berufen die unbereinigte Gender-paygap verkleinert ist ein netter Nebeneffekt, aber sollte doch nicht die Hauptmotiviation sein. Jeder Beruf verdient eine seiner Arbeit angemessene Entlohung, unabhängig davon welches Geschlecht diesen primär ausübt.
Für alle anderen Probleme, die in der unbereinigten gender-paygap versteckt liegen gibt es andere Maßnahmen, die aber nichts mit der allgemeinen Bezahlung zu tun haben (Teilzeit-Problematik, Machtstrukturen, die den Aufstieg in Führungspositionen verbauen/wesentlich erschweren).
Der letzte Absatz stimmt so aber leider nicht. Das "bereinigte" Gender Pay Gap ist statistischer Unsinn und eine Spielerei von Wirtschaftslobbyverbänden. Du kannst ja nicht aus einem signifikanten Zusammenhang einfach die erklärende Variable streichen und das Ganze in einen neuen Zusammenhang stellen
Das Richtige, um zu erklären, was da falsch läuft wäre eine Mehrebenenmodell, dass die einzelnen Regressionsgraden jedes Berufes zeigt. Und dann wirds bur noch schlimmer. Das Problem ist definitiv nicht die Unterbezahlung von "Frauen"-Berufen, sondern die Sperrung der Spitzenverdienerjobs gegen Frauen. Hätten vorwiegend Männer Sozialjobs, wären sie besser bezahlt. Das lässt sich leider nicht anders lesen.
Ich glaub was Tambourine Man primär entkräften wollte ist die zentrale Aussage des Gender Pay Gap, dass Frauen für gleiche Arbeit weniger verdienen. Und das kann man so halt nicht stehen lassen, sondern muss die von ihm genannten Faktoren miteinbeziehen. Wäre das wortwörtlich so, würde man halt nur noch Frauen einstellen.
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Re: Erkenntnis des Tages

Beitrag von slowdive » Sa 9. Feb 2019, 18:58

Taksim hat geschrieben:
Sa 9. Feb 2019, 18:34
Quadrophobia hat geschrieben:
Sa 9. Feb 2019, 17:47
Tambourine-Man hat geschrieben:
Sa 9. Feb 2019, 17:36
ngen, die in 99% der Fälle aus der unbereinigten Gender-paygap gezogen werden, zeugen entweder von alarmierend schlechtem Statistikwissen oder vorsätzlicher Irreführung, wobei ich nicht genau sagen kann, was ich schlimmer finde.
Warum kann man nicht einfach hingehen und sagen, dass man Berufe (vorwiegend sind es halt die sozialen), die viel zu schlecht bezahlt werden, endlich besser stellt und fair entlohnt. Unabhängig davon, ob in diesen Berufsfeldern 90, 75 oder nur 40% Frauen arbeiten. Dass man durch gerechtere Bezahlung in sozialen Berufen die unbereinigte Gender-paygap verkleinert ist ein netter Nebeneffekt, aber sollte doch nicht die Hauptmotiviation sein. Jeder Beruf verdient eine seiner Arbeit angemessene Entlohung, unabhängig davon welches Geschlecht diesen primär ausübt.
Für alle anderen Probleme, die in der unbereinigten gender-paygap versteckt liegen gibt es andere Maßnahmen, die aber nichts mit der allgemeinen Bezahlung zu tun haben (Teilzeit-Problematik, Machtstrukturen, die den Aufstieg in Führungspositionen verbauen/wesentlich erschweren).
Der letzte Absatz stimmt so aber leider nicht. Das "bereinigte" Gender Pay Gap ist statistischer Unsinn und eine Spielerei von Wirtschaftslobbyverbänden. Du kannst ja nicht aus einem signifikanten Zusammenhang einfach die erklärende Variable streichen und das Ganze in einen neuen Zusammenhang stellen
Das Richtige, um zu erklären, was da falsch läuft wäre eine Mehrebenenmodell, dass die einzelnen Regressionsgraden jedes Berufes zeigt. Und dann wirds bur noch schlimmer. Das Problem ist definitiv nicht die Unterbezahlung von "Frauen"-Berufen, sondern die Sperrung der Spitzenverdienerjobs gegen Frauen. Hätten vorwiegend Männer Sozialjobs, wären sie besser bezahlt. Das lässt sich leider nicht anders lesen.
Ich glaub was Tambourine Man primär entkräften wollte ist die zentrale Aussage des Gender Pay Gap, dass Frauen für gleiche Arbeit weniger verdienen. Und das kann man so halt nicht stehen lassen, sondern muss die von ihm genannten Faktoren miteinbeziehen. Wäre das wortwörtlich so, würde man halt nur noch Frauen einstellen.
Leute, die sich der (in sich natürlich vollkommen korrekten) Wiederlegung dieser Idee annehmen, trifft man allerdings wesentlich häufiger, als jene, die tatsächlich glauben, die Zahlen wären so zu lesen. Nicht immer, aber immer öfter beschleicht mich dabei das Gefühl, vielen Kritikern geht viel mehr darum die Statistik an sich zu diskreditieren, um sich nicht mir den vielen vernünftigen Interpretationen (siehe Robins Beitrag), die sich aus ihr ableiten lassen, auseinander setzen zu müssen. :?

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Re: Erkenntnis des Tages

Beitrag von Taksim » Sa 9. Feb 2019, 19:23

slowdive hat geschrieben:
Sa 9. Feb 2019, 18:58
Leute, die sich der (in sich natürlich vollkommen korrekten) Wiederlegung dieser Idee annehmen, trifft man allerdings wesentlich häufiger, als jene, die tatsächlich glauben, die Zahlen wären so zu lesen. Nicht immer, aber immer öfter beschleicht mich dabei das Gefühl, vielen Kritikern geht viel mehr darum die Statistik an sich zu diskreditieren, um sich nicht mir den vielen vernünftigen Interpretationen (siehe Robins Beitrag), die sich aus ihr ableiten lassen, auseinander setzen zu müssen. :?
Ähnlich wie bei dem Punkt oben bzgl. der Vermischung der individuellen und der kollektiven Ebene gilt auch hier: ihr würdet euch wundern. :smile:
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Re: Erkenntnis des Tages

Beitrag von Tambourine-Man » Sa 9. Feb 2019, 21:39

Dass die unbereinigte gender pay-gap im wesentlichen durch extreme Topverdienerinnen geschlossenen werden könnte, passt ja zu der Aussage von Taksim, der Petersons Ansicht zitierte: "Ebenso betont er kontiniuierlich, dass die Überlappung von Frauen und Männer psychologisch und biologisch unheimlich groß ist, aber in den Extremen sich halt große Unterschiede finden, was häufig die Unterschiede in den Statistiken erklären." War mir so nicht bewusst, krass. (und bezeichnend)
Dass Wort "unbereinigt" ist in dem Zusammenhang ja auch überhaupt nicht negativ zu sehen. Es ist halt nur eine Frage der (korrekten) Interpretation. Und ja, auch wenn es nur Wahlwerbung ist, die plakativ sein darf/soll/muss, finde ich "Wer 100% leistet, darf nicht 21 Prozent weniger verdienen" einfach unprofessionell, da hier offensichtlich falsche Implikationen bei Leuten herbeigeführt werden (sollen), die sich damit nicht weitergehend befassen und/oder auch absolut keinen statistischen Hintergrund haben.

@slowdive: Das sind dann aber doch überwiegend Leute, die sich durch ihren Sprachgebrauch ("Gender-Pay-Gap-Lüge", generell abwertende Formulierungen bzgl Feminismus) nach zwei Sätzen selbst entlarven und ich glaube unsere gemeinsame Meinung gegenüber solchen Menschen ist unstrittig :)
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Re: Erkenntnis des Tages

Beitrag von Stebbie » Sa 9. Feb 2019, 22:06

Taksim hat geschrieben:
Sa 9. Feb 2019, 18:34
[...]
Ich glaub was Tambourine Man primär entkräften wollte ist die zentrale Aussage des Gender Pay Gap, dass Frauen für gleiche Arbeit weniger verdienen. Und das kann man so halt nicht stehen lassen, sondern muss die von ihm genannten Faktoren miteinbeziehen. Wäre das wortwörtlich so, würde man halt nur noch Frauen einstellen.
Warum nicht? selbst die sehr arbeitgebernahen Institutionen kommen zu einer Gender Pay-Gap, auch wenn diese nicht bei den oft zu lesenden 21%, sondern eher bei den bereinigten 2-6% liegt. Das mag auf den ersten Blick insignifikant erscheinen, aber es gab schon Fälle, in denen Gewerkschaften für derartige Lohnerhöhungen einen massiven Arbeitskampf gestartet haben. Das entspricht aufs Jahr gesehen einem halben bis zu eine ganzen Monatsgehalt weniger. Da kann man schon einmal fragen, warum das eigentlich so ist bzw. ob sich hier nicht gesellschaftliche Schieflagen andeuten.

Generell sehe ich aber gar keinen großen Konflikt zwischen der bereinigten und unbereinigten Gender Pay-Gap, denn beide haben eine korrekte Aussage: Einerseits, dass Frauen bei gleicher Tätigkeit weniger verdienen, andererseits dass Frauen gesamtgesellschaftlich gesehen weit weniger verdienen als Männer - letztes ist keineswegs unbedeutend, sondern eine ganz reale Konsequenz für die Betroffenen jenseits aller volkswirtschaftlicher Indizes.

Ich beobachte eh zunehmend, dass öffentliche Diskussionen und Debatten vermehrt daran scheitern zu berücksichtigen, dass sich unterschiedliche Studien mit ganz verschiedenen Befunden keineswegs widersprechen müssen, sondern durchaus ergänzen können.
Jeder Beruf verdient eine seiner Arbeit angemessene Entlohung, unabhängig davon welches Geschlecht diesen primär ausübt.
Ich würde das korrigieren wollen: "Jede Tätigkeit verdient eine [...] angemessene Entlohnung".
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Re: Erkenntnis des Tages

Beitrag von Quadrophobia » Sa 9. Feb 2019, 22:55

Das "bereinigte" Gender Pay Gap und das "unbereinigte" haben übrigens gemeinsam, dass beide außer acht lassen, dass der Großteil der gesellschaftlichen Reproduktionsarbeit unbezahlt durch Frauen geleistet wird, was das Ganze in noch extremere Richtungen führt.

Das "bereinigte" Gap taugt vielleicht, um Branchen aufzuschlüsseln, verkennt aber eben das Hauptproblem: Top Positionen werden viel zu oft von Männern besetzt und Branchen in denen viel verdient wird, verdienen eben deswegen viel, weil es Männerbranchen sind. Mann kann diese Debatte, wenn man sie auf ganzer Ebene führen will, eben nicht ohne den Faktor führen, dass Frauen zu den Jobs, die durchschnittlich höhere Gehälter bekommen, einen stark eingeschränkten Zugang haben.

Man kann auch lang und breit drüber diskutieren warum das so ist , über Sexismus in Exekutivstellen oder die Inkompetenz des absoluten Großteils der Menschen, tatsächliche Kompetenz zu erkennen und Posten nicht nur nach Ähnlichkeitssympathien zu vergeben. Aber das Kernproblem bleibt, dass das gesamte Feld der Lohnarbeit, Frauen stark benachteiligt.

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Re: Erkenntnis des Tages

Beitrag von Gelöschter Benutzer 408 » So 10. Feb 2019, 13:05

Der letzte Absatz stimmt so aber leider nicht. Das "bereinigte" Gender Pay Gap ist statistischer Unsinn und eine Spielerei von Wirtschaftslobbyverbänden. Du kannst ja nicht aus einem signifikanten Zusammenhang einfach die erklärende Variable streichen und das Ganze in einen neuen Zusammenhang stellen
Das Gegenteil ist der Fall. Immerhin wissen Wirtschaftsverbände, wovon sie sprechen. Die erklärende Variable heißt hier: Eigenverantwortung. Der Fakt, dass Frauen nunmal bestimmte Berufe wählen, sich aus freien Stücken entscheiden, eben keine MINT-Fächer zu studieren oder mathematisch-anspruchsvolle BWl/VWL macht hier den Unterschied. Zu viele Frauen studieren zudem, um sich am Heiratsmarkt für Akademiker interessant zu machen - und bleiben dann mit Kindern zu Hause. Umgekehrt haben an die 90% der Frauen (!) ein Problem damit, wenn sie mehr verdienen, als ihr Partner. Das ist doch absurd.

Nun könnte man natürlich argumentieren, wo das herkommt. Sicherlich durch eine gewissen gesellschaftliche Prägung. Aber auch hier: der überwiegende Teil der Kindergärtner sind weiblich. 95% aller Grundschullehrer sind weiblich. Die unbereinigte Gender-Pay-Gap ist am größten, wo viele industriejobs vorhanden sind. In einigen Gegenden, die keine Industrielle Produktion haben (gute Teile von Brandenburg) gibt es mittlerweile durch ÖD und v.a. Sozialjobs sogar eine "negative" Gender-Pay-Gap: Hier sind es die Männer, die im Schnitt weniger verdienen.
Das Richtige, um zu erklären, was da falsch läuft wäre eine Mehrebenenmodell, dass die einzelnen Regressionsgraden jedes Berufes zeigt. Und dann wirds bur noch schlimmer. Das Problem ist definitiv nicht die Unterbezahlung von "Frauen"-Berufen, sondern die Sperrung der Spitzenverdienerjobs gegen Frauen. Hätten vorwiegend Männer Sozialjobs, wären sie besser bezahlt. Das lässt sich leider nicht anders lesen.
Nein, wären sie nicht. Im übrigen fließt ein guter Teil der Sozialjobs als "Ausgleich" gar nicht in die Gender-Pay-Gap ein. Üblicherweise lässt man den öffentlichen Dienst nämlich in den Betrachtungen außen vor, nimmt man ihn hinein, schmilzt die (bereinigte) Gender-Pay-Gap nochmals ab. Es mag sie geben, irgendwo bei 1-3% und ich bin auch sofort dabei, bei gleichen Stellen gleichen Lohn einfordern zu dürfen, nur ist dies Lücke den Aufwand nicht wert, der um sie betrieben wird. Wer sich aktiv dafür entscheidet, bestimmte Berufe anzugehen - und das tut man bei der Berufswahl, sollte dafür weder sanktioniert, noch protegiert werden. Das "Problem" liegt hier: https://www.aubi-plus.de/berufe/thema/b ... berufe-56/
Ansonsten: Wer Sozialjobs besser bezahlen will (das will ich auch), muss ein Konzept dafür vorlegen, wie das gehen soll, ohne dass die Lohnnebenkosten explodieren. Aber in Zeiten, wo ungelernte Hilfskräfte, die am Flughafen Koffer scannen drauf und dran sind, sich Akademikergehälter zu erstreiten, ist ja vieles möglich.
Das Problem ist definitiv nicht die Unterbezahlung von "Frauen"-Berufen, sondern die Sperrung der Spitzenverdienerjobs gegen Frauen
Wie ich woanders schonmal sagte: Wenn erst einmal die typischen Ausbildungsberufe für Spitzenjobs halbwegs pari belegt werden, wird das automatisch geschehen.
Das "bereinigte" Gender Pay Gap und das "unbereinigte" haben übrigens gemeinsam, dass beide außer acht lassen, dass der Großteil der gesellschaftlichen Reproduktionsarbeit unbezahlt durch Frauen geleistet wird, was das Ganze in noch extremere Richtungen führt.
Unbezahlt ist das nicht. Allein die Rentenpunkte machen schonmal was aus.
Top Positionen werden viel zu oft von Männern besetzt und Branchen in denen viel verdient wird, verdienen eben deswegen viel, weil es Männerbranchen sind.
Und deswegen sollen Männer sanktioniert werden, wenn Frauen nicht freiwillig in diese Branchen gehen?
Und ja, auch wenn es nur Wahlwerbung ist, die plakativ sein darf/soll/muss, finde ich "Wer 100% leistet, darf nicht 21 Prozent weniger verdienen" einfach unprofessionell
Ich hoffe ja wirklich, dass der SPD solche Fake-News-Kampagnen irgendwann auf dei Füße fallen.

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Re: Erkenntnis des Tages

Beitrag von Quadrophobia » So 10. Feb 2019, 17:51


Blackstar hat geschrieben:
Der letzte Absatz stimmt so aber leider nicht. Das "bereinigte" Gender Pay Gap ist statistischer Unsinn und eine Spielerei von Wirtschaftslobbyverbänden. Du kannst ja nicht aus einem signifikanten Zusammenhang einfach die erklärende Variable streichen und das Ganze in einen neuen Zusammenhang stellen
Das Gegenteil ist der Fall. Immerhin wissen Wirtschaftsverbände, wovon sie sprechen. Die erklärende Variable heißt hier: Eigenverantwortung. Der Fakt, dass Frauen nunmal bestimmte Berufe wählen, sich aus freien Stücken entscheiden, eben keine MINT-Fächer zu studieren oder mathematisch-anspruchsvolle BWl/VWL macht hier den Unterschied. Zu viele Frauen studieren zudem, um sich am Heiratsmarkt für Akademiker interessant zu machen - und bleiben dann mit Kindern zu Hause. Umgekehrt haben an die 90% der Frauen (!) ein Problem damit, wenn sie mehr verdienen, als ihr Partner. Das ist doch absurd.

Nun könnte man natürlich argumentieren, wo das herkommt. Sicherlich durch eine gewissen gesellschaftliche Prägung. Aber auch hier: der überwiegende Teil der Kindergärtner sind weiblich. 95% aller Grundschullehrer sind weiblich. Die unbereinigte Gender-Pay-Gap ist am größten, wo viele industriejobs vorhanden sind. In einigen Gegenden, die keine Industrielle Produktion haben (gute Teile von Brandenburg) gibt es mittlerweile durch ÖD und v.a. Sozialjobs sogar eine "negative" Gender-Pay-Gap: Hier sind es die Männer, die im Schnitt weniger verdienen.
Das Richtige, um zu erklären, was da falsch läuft wäre eine Mehrebenenmodell, dass die einzelnen Regressionsgraden jedes Berufes zeigt. Und dann wirds bur noch schlimmer. Das Problem ist definitiv nicht die Unterbezahlung von "Frauen"-Berufen, sondern die Sperrung der Spitzenverdienerjobs gegen Frauen. Hätten vorwiegend Männer Sozialjobs, wären sie besser bezahlt. Das lässt sich leider nicht anders lesen.
Nein, wären sie nicht. Im übrigen fließt ein guter Teil der Sozialjobs als "Ausgleich" gar nicht in die Gender-Pay-Gap ein. Üblicherweise lässt man den öffentlichen Dienst nämlich in den Betrachtungen außen vor, nimmt man ihn hinein, schmilzt die (bereinigte) Gender-Pay-Gap nochmals ab. Es mag sie geben, irgendwo bei 1-3% und ich bin auch sofort dabei, bei gleichen Stellen gleichen Lohn einfordern zu dürfen, nur ist dies Lücke den Aufwand nicht wert, der um sie betrieben wird. Wer sich aktiv dafür entscheidet, bestimmte Berufe anzugehen - und das tut man bei der Berufswahl, sollte dafür weder sanktioniert, noch protegiert werden. Das "Problem" liegt hier: https://www.aubi-plus.de/berufe/thema/b ... berufe-56/
Ansonsten: Wer Sozialjobs besser bezahlen will (das will ich auch), muss ein Konzept dafür vorlegen, wie das gehen soll, ohne dass die Lohnnebenkosten explodieren. Aber in Zeiten, wo ungelernte Hilfskräfte, die am Flughafen Koffer scannen drauf und dran sind, sich Akademikergehälter zu erstreiten, ist ja vieles möglich.
Das Problem ist definitiv nicht die Unterbezahlung von "Frauen"-Berufen, sondern die Sperrung der Spitzenverdienerjobs gegen Frauen
Wie ich woanders schonmal sagte: Wenn erst einmal die typischen Ausbildungsberufe für Spitzenjobs halbwegs pari belegt werden, wird das automatisch geschehen.
Das "bereinigte" Gender Pay Gap und das "unbereinigte" haben übrigens gemeinsam, dass beide außer acht lassen, dass der Großteil der gesellschaftlichen Reproduktionsarbeit unbezahlt durch Frauen geleistet wird, was das Ganze in noch extremere Richtungen führt.
Unbezahlt ist das nicht. Allein die Rentenpunkte machen schonmal was aus.
Top Positionen werden viel zu oft von Männern besetzt und Branchen in denen viel verdient wird, verdienen eben deswegen viel, weil es Männerbranchen sind.
Und deswegen sollen Männer sanktioniert werden, wenn Frauen nicht freiwillig in diese Branchen gehen?
Und ja, auch wenn es nur Wahlwerbung ist, die plakativ sein darf/soll/muss, finde ich "Wer 100% leistet, darf nicht 21 Prozent weniger verdienen" einfach unprofessionell
Ich hoffe ja wirklich, dass der SPD solche Fake-News-Kampagnen irgendwann auf dei Füße fallen.
Ich weiß nicht, woher du diese allgemeinbehauptungen über Frauen her hast, deshalb lass ich sie mal außen vor.

Ich stimme dir sogar zu, dass eine Parität in vielen Bereichen einen Großteil des Problems lösen würde. Nur stellt die sich eben nicht automatisch ein. Es mag sein, dass es tatsächlich (ob sozial bedingt oder irgendwie predeterminiert) weniger Frauen als Männer gibt, die in Ingenieursbereiche gehen wollen. Ergebisse aus deutlich gerechteren Ländern in Skansinavien legen ja nahe, dass bei Zahlungsgleichheit sogar weniger Frauen Abschlüsse in Naturwissenschaften machen, weil es nicht die einzigen sind, mit denen man gescheit verdient.

Das Problem liegt ja aber schon viel tiefer: Arbeitsteilung bedeutet seit der Industrialisierung Geschlechterteilung. In deren Frühphase hatte dieses Verhältnis Gründe, die aber spätestens nach dem Übergang in eine Dominanz des tertiären Sektors größtentes obsolet wurde, und hauptsächlich gesellschaftlich reproduziert wird. Das hat zwei Kernfolgen.

1. Gesellschaftlich ist es üblich geworden, dass Frauen implizit gezwungen werden, un- oder schlechtbezahlte Arbeit zu verrichten. Das fängt bei gesellschaftlichen Anforderungen an Mütter an und geht bis zur Ausbeutung sozialer Verantwortung in der Medizin, Pflege und Sozialarbeit.

2. Geschlechterrollen reproduzieren sich in der Erziehung. Es mag biologische Unterschiede geben, die gewisse Vorprägungen bedingen, diese aber als Grubdlage für die fast schon dichotome Behandlung von Jungs und Mädchen zu nehmen, führt halt zu gewissen Pfadabhängigkeiten. Es ist vermutlich unmöglich zu sagen, wie sehr diese soziale Konstruktion vorprägt, jedoch kann man berechtigt vermuten, dass einen Zusammenhang zwischen steigenen Studentinnenzahlen in MINT und Ingenieursfächern und einem Abbau von geschlechtlichen Normrollen gibt.

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Re: Erkenntnis des Tages

Beitrag von Taksim » So 10. Feb 2019, 18:40

Quadrophobia hat geschrieben:
So 10. Feb 2019, 17:51
Ich weiß nicht, woher du diese allgemeinbehauptungen über Frauen her hast, deshalb lass ich sie mal außen vor.

Ich stimme dir sogar zu, dass eine Parität in vielen Bereichen einen Großteil des Problems lösen würde. Nur stellt die sich eben nicht automatisch ein. Es mag sein, dass es tatsächlich (ob sozial bedingt oder irgendwie predeterminiert) weniger Frauen als Männer gibt, die in Ingenieursbereiche gehen wollen. Ergebisse aus deutlich gerechteren Ländern in Skansinavien legen ja nahe, dass bei Zahlungsgleichheit sogar weniger Frauen Abschlüsse in Naturwissenschaften machen, weil es nicht die einzigen sind, mit denen man gescheit verdient.

Das Problem liegt ja aber schon viel tiefer: Arbeitsteilung bedeutet seit der Industrialisierung Geschlechterteilung. In deren Frühphase hatte dieses Verhältnis Gründe, die aber spätestens nach dem Übergang in eine Dominanz des tertiären Sektors größtentes obsolet wurde, und hauptsächlich gesellschaftlich reproduziert wird. Das hat zwei Kernfolgen.

1. Gesellschaftlich ist es üblich geworden, dass Frauen implizit gezwungen werden, un- oder schlechtbezahlte Arbeit zu verrichten. Das fängt bei gesellschaftlichen Anforderungen an Mütter an und geht bis zur Ausbeutung sozialer Verantwortung in der Medizin, Pflege und Sozialarbeit.

2. Geschlechterrollen reproduzieren sich in der Erziehung. Es mag biologische Unterschiede geben, die gewisse Vorprägungen bedingen, diese aber als Grubdlage für die fast schon dichotome Behandlung von Jungs und Mädchen zu nehmen, führt halt zu gewissen Pfadabhängigkeiten. Es ist vermutlich unmöglich zu sagen, wie sehr diese soziale Konstruktion vorprägt, jedoch kann man berechtigt vermuten, dass einen Zusammenhang zwischen steigenen Studentinnenzahlen in MINT und Ingenieursfächern und einem Abbau von geschlechtlichen Normrollen gibt.
Übersehe ich irgendetwas in deinem Gedankengang?
Die von dir schönerweise schon zitierten Studien aus skandinavischen Ländern zeigen doch, dass man die von dir zuletzt genannten steigenden Zahl von weiblichen Absolventinnen in MINT-Fächern eben nicht erzwingen kann und dass sich diese auch bei ausgeglicheneren Bedingungen nicht automatisch einstellen. Diese Unterschiede sind wohl weit weniger sozial konstruiert als man gemeinhin angenommen hat, sondern es spielen doch Interessen, Neigungen und unterschiedliche Entscheidungsfindungsprozesse eine Rolle. Man fand auch, dass Frauen häufiger für mehrere Disziplinen Talent zeigen, also, dass einige, die sich auch in naturwissenschaftlichen Fächern durchsetzen könnten genauso gut für Sprachen begabt sind und dann lieber zweiteres wählen aufgrund anderer Faktoren wie der sozialen Komponente. Männer sind häufiger nur auf den Technikbereich spezialisiert und die Interessen sind singulärer.
Diese Ergebnisse und Befunde unterminieren jedoch in keinster Weise die Notwendigkeit weiterhin etwaige Barrieren und Stereotype gegenüber Frauen in Männer-Domänen abbauen zu müssen. (Denkt hier bestimmt niemand, aber auch sowas muss man häufiger dazu sagen, als man annehmen sollte).
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Re: Erkenntnis des Tages

Beitrag von Quadrophobia » So 10. Feb 2019, 19:58

Taksim hat geschrieben:
So 10. Feb 2019, 18:40
Quadrophobia hat geschrieben:
So 10. Feb 2019, 17:51
Ich weiß nicht, woher du diese allgemeinbehauptungen über Frauen her hast, deshalb lass ich sie mal außen vor.

Ich stimme dir sogar zu, dass eine Parität in vielen Bereichen einen Großteil des Problems lösen würde. Nur stellt die sich eben nicht automatisch ein. Es mag sein, dass es tatsächlich (ob sozial bedingt oder irgendwie predeterminiert) weniger Frauen als Männer gibt, die in Ingenieursbereiche gehen wollen. Ergebisse aus deutlich gerechteren Ländern in Skansinavien legen ja nahe, dass bei Zahlungsgleichheit sogar weniger Frauen Abschlüsse in Naturwissenschaften machen, weil es nicht die einzigen sind, mit denen man gescheit verdient.

Das Problem liegt ja aber schon viel tiefer: Arbeitsteilung bedeutet seit der Industrialisierung Geschlechterteilung. In deren Frühphase hatte dieses Verhältnis Gründe, die aber spätestens nach dem Übergang in eine Dominanz des tertiären Sektors größtentes obsolet wurde, und hauptsächlich gesellschaftlich reproduziert wird. Das hat zwei Kernfolgen.

1. Gesellschaftlich ist es üblich geworden, dass Frauen implizit gezwungen werden, un- oder schlechtbezahlte Arbeit zu verrichten. Das fängt bei gesellschaftlichen Anforderungen an Mütter an und geht bis zur Ausbeutung sozialer Verantwortung in der Medizin, Pflege und Sozialarbeit.

2. Geschlechterrollen reproduzieren sich in der Erziehung. Es mag biologische Unterschiede geben, die gewisse Vorprägungen bedingen, diese aber als Grubdlage für die fast schon dichotome Behandlung von Jungs und Mädchen zu nehmen, führt halt zu gewissen Pfadabhängigkeiten. Es ist vermutlich unmöglich zu sagen, wie sehr diese soziale Konstruktion vorprägt, jedoch kann man berechtigt vermuten, dass einen Zusammenhang zwischen steigenen Studentinnenzahlen in MINT und Ingenieursfächern und einem Abbau von geschlechtlichen Normrollen gibt.
Übersehe ich irgendetwas in deinem Gedankengang?
Die von dir schönerweise schon zitierten Studien aus skandinavischen Ländern zeigen doch, dass man die von dir zuletzt genannten steigenden Zahl von weiblichen Absolventinnen in MINT-Fächern eben nicht erzwingen kann und dass sich diese auch bei ausgeglicheneren Bedingungen nicht automatisch einstellen. Diese Unterschiede sind wohl weit weniger sozial konstruiert als man gemeinhin angenommen hat, sondern es spielen doch Interessen, Neigungen und unterschiedliche Entscheidungsfindungsprozesse eine Rolle. Man fand auch, dass Frauen häufiger für mehrere Disziplinen Talent zeigen, also, dass einige, die sich auch in naturwissenschaftlichen Fächern durchsetzen könnten genauso gut für Sprachen begabt sind und dann lieber zweiteres wählen aufgrund anderer Faktoren wie der sozialen Komponente. Männer sind häufiger nur auf den Technikbereich spezialisiert und die Interessen sind singulärer.
Diese Ergebnisse und Befunde unterminieren jedoch in keinster Weise die Notwendigkeit weiterhin etwaige Barrieren und Stereotype gegenüber Frauen in Männer-Domänen abbauen zu müssen. (Denkt hier bestimmt niemand, aber auch sowas muss man häufiger dazu sagen, als man annehmen sollte).
Die Lohngleichheit, die in Skandinavien herrscht, baut ja nicht automatisch die auch dort vorherrschenden Rollenbilder ab, die einen nennenswerten Anteil an der Berufswahl haben, sondern bezahlt Männer und Frauen gleich. Das löst nicht das Problem, dass schiefe Repräsentationen entstehen, sondern das worum es hier eigentlich geht: Das Frauen gegenüber Männenr strukturell unterbezahlt werden.

Es zeigt auch, dass man dieses Problem eben nur durch politisches Eingreifen löst, weil in der Wirtschaft kein Wille dazu da ist, irgendjemanden fair zu bezahlen. Die schiefe Verteilung ist ein anderes Problem, die in das Verhältnis Geschlecht - Lohnhöhe nur dadurch eingreift, dass Jobs, die mehrheitlich von Männern ausgeführt werden, besser bezahlt werden, als Jobs, die mehrheitlich von Frauen ausgeführt werden.
Was mich hier am meisten wundert, ist die implizite Behauptung, es gäbe eine natürliche Besserbezahlung mancher Jobs, bspw. MINT oder Ingeneursberufen gegenüber bpsw. Erziehungs und Pflegeberufen. Die Realität ist, dass zzt. wohl letztere Berufsgruppen auf einem freien Markt sehr viel besser verdienen könnten und sich einigermaßen an das Niveau der ersten Gruppe anpassen könnte, wenn man auf Bildungsjahre kontrolliert. Realität ist aber auch, dass der Arbeitsmarkt zwar jede Menge Stellen für Erzieher*innen oder Pflegekräfte bietet, diese Fachkräfte heftig umkämpft sind, aber dennoch schlecht bezahlt werden. Das ist mitnichten so, weil es irgendein "Naturgesetz" gibt, dass ihnen einen geringeren Wert beimisst, sondern dass sie in einer lang gewachsenen gesellschaftlichen Hegemonie eingebettet sind, die Reproduktionsarbeit als Frauenarbeit versteht und nicht als entsprechend gleichrangig zur "männlichen" Lohnarbeit. Es geht eben viel weniger darum, dass mehr Frauen in die MINT/Ing Fächer gehen (das ist ein anderes Problem, mit dem man sich gesondert auf einer anderen Ebene beschäftigen muss), sondern, dass "Frauenberufe" einfach gegenüber "Männerberufen" schlechter bezahlt werden.

Und wer behauptet, dass Frauen einfach "schlechter behandeln", sollte sich mal klarmachen, dass man als Mann grundsätzlich in Gehaltsverhandlungen mehrere strukturelle Vorteile gegenüber Frauen hat, die ungefähr so anmuten, als ob man ein Fußballspiel von Anfang an 11 gegen 9 spielt. Erzähl mal als Frau in nem Vorstellunggespräch in der freien Wirtschaft, dass du vor hast, in den nächsten Jahren Kinder zu kriegen, oder alternativ, dass das niemanden was angeht. Den Job bekommst du nicht. Rechne da noch dazu, dass eben der Großteil der Exekutivpersonen (also die mit Personalentscheidungskompetenzen) nach wie vor Männer sind, die höchstwahrscheinlich nicht erhaben sind, über die Neigung, eher ihnen selbst ähnliche Menschen einzustellen und das ganze Argument ist obsolet, weil man eben nicht unter gerechten Vorzeichen in so eine Verhandlung geht.

Ich werfe hier ja niemandem vor, sich bewusst gegen Gleichbezahlung einzusetzen. Aber die Argumente, die ich hier lese, sind teilweise so abgedroschen, dass ich mich wundere, sie hier zu lesen. Es dürfte allen bewusst sein, dass es ein komplexes Sachverhältnis ist, dass nicht von 1-2 Stellschrauben abhänge und "dann würde jeder nur noch Frauen einstellen, weil die billiger sind" kein Argument ist, dass irgendwo hin, außer ad absurdum führt. Auch, dass patriarchale Strukturen auch gegen Männer wirken, wird hier so behandelt, als würde es gegen diese Debatte sprechen, obwohl es essentieller Teil davon ist, und vor allem der Feminismus dafür verantwortlich ist, dass sich gefährliche Männlichkeitsstrukturen zunehmend hinterfragen müssen. Auch die teils arg ausweichende Argumentation, dass dann eben gesamtgesellschaftlich eine andere Gehaltsstruktur her muss (was meinem Argument absolut nicht entgegensteht, aber Lohngleichheit zwischen Geschlechtern eben nicht ersetzt), finde ich hier völlig fehl am Platze, weil sie eigentlich nur sekundär mit der Problematik zu tun hat.

Es ändert eben alles nichts daran, dass die gesellschaftliche Arbeitsteilung insgesamt so aufgebaut ist, dass Frauen weit weniger verdienen als Männer. Das liegt an diversen Dingen, aber eben hauptsächlich daran, dass ein Großteil der Gesellschaft, eben implizit gar nicht gewillt ist, das zu ändern. Und wie Stebbie schon sagte. Das "bereinigte" Gender Pay Gap sagt eben noch immer aus, dass Frauen für die gleiche Arbeit 6% schlechter bezahlt werden, was für sich schon ein Skandal ist. Es lässt aber eben das Hauptptoblem, dass Frauen der Zugang zu Führungspositionen deutlich schwerer gemacht wird, als Männern und dass sie in gesellschaftlichen Abhängigkeitsverhältnissen stehen, mit denen sich Männer nie rumschlagen mussten. Deshalb muss man das Gender Pay Gap halt nach wie vor mit 21% angeben, weil das die Ungleichverteilung der Produktionsmittel angibt die herrscht.


Edit: deshalb ist Petersons Argument der "Natürlichkeit" des Patriarchats auch nicht viel mehr als Macho Gewäsch


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