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Fußball Thread

Von Spam bis Gott und die Welt
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Taksim
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Re: Fußball Thread

Beitrag von Taksim » Sa 29. Feb 2020, 20:06

Nö.
Man muss das ja nicht gutheißen und Transparente mit Fadenkreuz sind definitiv ein anderes Kaliber, aber wegen "Hursensohn" mit Spielabbrüchen und Fanausschlüßen um sich zu schmeißen steht für mich in keinem Verhältnis.
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Quadrophobia
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Re: Fußball Thread

Beitrag von Quadrophobia » Sa 29. Feb 2020, 20:08

Taksim hat geschrieben:
Sa 29. Feb 2020, 19:56
Mein Gott, Dietmar Hopp, mir bricht das Herz :bäh:
Rassistische Ausfälle, Enke als schlimmste Beispiele, dazu in der Vergangenheit Gesänge gegen Kahn, Wiese, Werner und, und, und ...und jetzt - bei Dietmar Hopp, dem genug vorzuwerfen ist - macht man so eine Nummer daraus? Es wird alles immer lächerlicher.
Und die Berichterstattung setzt mal wieder vollends einen drauf. Da werden sofort Parallelen zu Internethass und AfD gezogen. Unglaublich.
Jo einfach nur lachhaft. Zeigt auf abartige Art, wo die Prioritäten im Profifußball liegen. Ich habe null Sympathien für diese Kinderkacke gegen Hopp, aber die Reaktionen, die rassistischer Missbrauch und die Beleidigung eines Funktionärs nach sich ziehen, machen leider immer wieder klar, für was sich die Verbände interessieren.

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NeonGolden
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Re: Fußball Thread

Beitrag von NeonGolden » Sa 29. Feb 2020, 20:29

Fangt ihr jetzt auch noch mit diesem Quatsch an?

Wie kann man allen Ernstes mit Robert Enke argumentieren und hier die einzig richtige Reaktion auf organisierte Hasskampagnen schlecht machen? Weia ey.

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Quadrophobia
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Re: Fußball Thread

Beitrag von Quadrophobia » Sa 29. Feb 2020, 20:59

NeonGolden hat geschrieben:
Sa 29. Feb 2020, 20:29
Fangt ihr jetzt auch noch mit diesem Quatsch an?

Wie kann man allen Ernstes mit Robert Enke argumentieren und hier die einzig richtige Reaktion auf organisierte Hasskampagnen schlecht machen? Weia ey.
Wenn man die Vorkommnisse der Liga in eine kontinuität stellt, wirkt ein Spielabbruch wegen solchen Schmähungen eben überzogen. Ich halte es durchaus für die richtige Reaktion, aber in solcher Konsequenz müsste eben auch mal die vielfältige soziale Problemlage im Profifußball angegangen werden. Für seine rassistischen Fans zahlt Schalke einen Portokasenbetrag und dann ist wieder gut, der Verein whitewashed sich, indem er ein Bisschen was davon für antirassistische Projekte einsetzt und dann redet niemand mehr davon. Das kann halt nicht sein. Wenn das jetzt das Fanal einer neuen Härte gegen Hass im Fußball ist, bin ich gern bereit zurückzurudern. Aber das haben die letzen Wochen eben anders gezeigt.

https://www.spiegel.de/sport/fussball/d ... 3842167ff3

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Re: Fußball Thread

Beitrag von NeonGolden » Mo 2. Mär 2020, 09:01

Quadrophobia hat geschrieben:
Sa 29. Feb 2020, 20:59
Wenn man die Vorkommnisse der Liga in eine kontinuität stellt, wirkt ein Spielabbruch wegen solchen Schmähungen eben überzogen.
Welcher Spielabbruch? Und welche vergleichbaren Vorkommnisse genau? Könntest du das kurz elaborieren? Vor allem auch vor dem Hintergrund, wie der Schiedsrichter (nicht der DFB) in diesen Fällen hätte korrekterweise reagieren müssen. Das ist nicht rhetorisch gemeint, ich finde nur die konkreten Beispiele nicht.
Quadrophobia hat geschrieben:
Sa 29. Feb 2020, 20:59
Ich halte es durchaus für die richtige Reaktion, aber in solcher Konsequenz müsste eben auch mal die vielfältige soziale Problemlage im Profifußball angegangen werden. Für seine rassistischen Fans zahlt Schalke einen Portokasenbetrag und dann ist wieder gut, der Verein whitewashed sich, indem er ein Bisschen was davon für antirassistische Projekte einsetzt und dann redet niemand mehr davon. Das kann halt nicht sein. Wenn das jetzt das Fanal einer neuen Härte gegen Hass im Fußball ist, bin ich gern bereit zurückzurudern. Aber das haben die letzen Wochen eben anders gezeigt.
Ja, absolut, aber das ist jetzt Kritik an wem genau? Bzw. worauf bezog sich denn dein "lächerlich"? Auf das Verhalten der Beteiligten oder die Rezeption dessen?

Der verlinkte Kommentar von Marco Fuchs ist leider maximal unpräzise und eiert bei den Verhältnismäßigkeiten reichlich umher. Da werden Anfeindungen gegen Einzelpersonen mit jenen gegen ganze Fangruppen gleichgesetzt. Bundesligaweite, vernetzte Aktionen der Ultras seien eigentlich auch nur "Fußball-Folklore". Es wird suggeriert und erwartet, das jeder Vorfall von Gewalt im Stadion gleich gelagert und dementsprechend gleich bekämpft werden kann und muss. Letzteres ist die größte Fehlannahme, die aktuell von vielen Kommentatoren gemacht wird.

Darüber hinaus werden munter die Verantwortlichen verwechselt und durcheinander geworfen. Die Reaktion beim Spiel Hoffenheim-Bayern ging ursächlich vom Schiedsrichter und von den Spielern aus. Wieso hier Verschwörungen zwischen DFB und Hopp herbeifabuliert werden, leuchtet mir nicht ein.

Ich finde es hochbedenklich, wenn man Gewalt jedweder Form im Umfeld von Fußballspielen anprangern und bekämpfen will, dann im gleichen Atemzug die offensichtlich tiefsitzende Gewaltbereitschaft in den Fangruppierungen herunterspielt und die Nulltoleranzhaltung demgegenüber als "lächerlich" bezeichnet. Das bisherige Fehlen von Lösungsansätzen an anderen Fronten ist kein hinreichendes Argument für die Behauptung, man würde hier mit zweierlei Maß messen.
Diese Fans halten es für ein probates Mittel, ihre politischen hochfragwürdigen Ziele mit einer Hasskampagne gegen einen Sportfunktionär durchzusetzen. Mir fallen keine Worte dafür ein, wie dämlich und abstoßend das ist. Das Ganze wird toleriert von den Fankurven und Millionen Hohlbirnen, die nun im Netz argumentieren, so ein Ton gehöre im Stadion halt dazu. Bullshit.

Anstatt nun konstruktiv auf einem solchen Zeichen gegen die Gewalt aufzubauen, wird wieder von allen Seiten alles infrage gestellt und hauptsächlich der DFB für etwas verantwortlich gemacht, was in erster Linie von jedem Zuschauer und Beistehenden direkt bekämpft werden müsste. Die Bereitschaft dafür sehe ich sehr gering, wenn solche Kampagnen der Ultras auch nur ansatzweise toleriert und relativiert werden.

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Re: Fußball Thread

Beitrag von Stebbie » Mo 2. Mär 2020, 10:11

Unterschreibe das von dir geschriebene vollständig. Es mag auch einen Antirassismus in den Ultrabewegungen geben, aber im Grunde bleibt die Ultrakultur eine zutiefst toxisch-maskuline, oft auch misogyne und homophobe Bewegung zumeist weißer Männer - die sich vermutlich noch für äußerst progressiv halten, weil sie einen "smash fascism"-Sticker an die Ampel oder aufs Gästeklo getaggt haben. Darüber müsste viel mehr gesprochen werden.
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Re: Fußball Thread

Beitrag von Taksim » Mo 2. Mär 2020, 10:37

Stebbie hat geschrieben:
Mo 2. Mär 2020, 10:11
Unterschreibe das von dir geschriebene vollständig. Es mag auch einen Antirassismus in den Ultrabewegungen geben, aber im Grunde bleibt die Ultrakultur eine zutiefst toxisch-maskuline, oft auch misogyne und homophobe Bewegung zumeist weißer Männer - die sich vermutlich noch für äußerst progressiv halten, weil sie einen "smash fascism"-Sticker an die Ampel oder aufs Gästeklo getaggt haben. Darüber müsste viel mehr gesprochen werden.
Nicht ernsthaft, oder?
Ich teile Neongoldens Ansicht nicht, aber kann die Argumentation nachvollziehen. Misogynie und Homophobie ist jedoch bei deutschen Ultragruppen zum Glück die große Ausnahme. Über die Implikationen des Begriffs "toxisch-maskulin" möchte ich mich hier eigentlich nicht auslassen, das führt glaube ich zu weit. Da kann man auch unterschiedlicher Meinung sein, aber das ist in diesem Kontext mal so gar nicht Thema.

Bei der Zeit gibt es eine für meine Begriffe sehr differenzierte Sichtweise und schlüssige Aufarbeitung:
https://www.zeit.de/sport/2020-03/hoffe ... eidigungen

Was nämlich tatsächlich zu kurz kommt ist das Hopp symbolisch für etwas steht, was abgelehnt wird. Die Person verhält sich dann oben drauf eben noch wahnsinnig kontraproduktiv.
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Re: Fußball Thread

Beitrag von NeonGolden » Mo 2. Mär 2020, 10:51

Taksim hat geschrieben:
Mo 2. Mär 2020, 10:37
Was nämlich tatsächlich zu kurz kommt ist das Hopp symbolisch für etwas steht, was abgelehnt wird. Die Person verhält sich dann oben drauf eben noch wahnsinnig kontraproduktiv.
Hopp ist aber kein Symbol, sondern ein Mensch, der hier im Zentrum einer Hasskampagne steht. Hintergrund und Sinn dieser Kampagne spielen keine Rolle bei der Beurteilung, ob das gewählte Mittel des Protestes legitim ist.
Dass Hopp gegen Beleidigungen klagt, mag kontraproduktiv für die Stimmung sein, ist aber sein gutes Recht und im Gegensatz zu dem Verhalten der Gegenpartei völlig legitim.
Ganz im Ernst, ich kann nicht begreifen wie man so eine Kampagne auch nur irgendwie rechtfertigen möchte.

Und da haben wir noch gar nicht darüber gesprochen, dass die Argumentation der Ultras in diesem Zusammenhang völlig verquer und widersprüchlich ist. Bei der Kommerzialisierung machen doch alle fleißig mit: die Vereine, die Fans und die berichterstattenden Medien. Es ist wahnwitzig, sich derart auf den DFB und Einzelpersonen einzuschießen.
Sehenswert in diesem Zusammenhang: "Ein Jahr unter Ultras - die Dokumenation"
Dort ist wunderbar das verquere Welt- und Selbstbild dieser Leute dokumentiert.

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Re: Fußball Thread

Beitrag von slowdive » Mo 2. Mär 2020, 11:02

Wow...Stebbie. "Die Ultrakultur" ist heterogen durchmischt, durchsetzt mit unterschiedlichen Dynamiken und nicht in einem Dreizeiler abzuhandeln. Es mag tatsächlich eben diese Gruppen geben, die mehr oder weniger in das von dir beschriebebene Weltbild passen oder – wie traurigerweise hier in Hannover – in eben dieses Entgleiten (bzw. gewaltsam ausgetauscht werden) nach jahrelangem antifaschistischem Engagement. Viele andere Gruppen – und dazu zählt auch die Schickeria – zeichnen sich hingegen durch gelebtes, jahrelanges Engagement aus, dass seit den 80er-Jahren für einen kontinuierlichen Abbau von rechtsradikalen Tendenzen in den Kurven gesorgt hat. Gelebt, auf eine Veränderung tatsächlicher Materieller Verhälntnisse in der realen Welt aus, oft sogar mit Verbandspreisen ausgezeichnet. Menschen, die sich nicht nur in dem eigenen sprachlichen Gutsein ausruhen, dürfen sich nun von Leuten mit "der richtigen Haltung" beschimpfen lassen. Du, der geschlechtergerechte Sprach nutzt und alle vier Jahre Kreuze an den richtigen Stellen setzt, wir, die theoretische Abhandlungen in Internetforen tippen, sind die Äquivalente zum Typ, der Antifa-Sticker klebt und sich danach gewaltig was darauf einbildet und nicht die Ultras. Wir sind das gelebte Modell des modernen Kapitalismus, das innere Einstellung vor die materielle Veränderung von Verhältnissen stellt.

Bild

Was den Protest angeht, unterstütze ich die Wortwahl keineswegs, sehe aber in dem Backlash den typischen Versuch der Allianz aus "bürgerlicher Mitte" und kapitalistischen Funktionären, eine andersgearte Subkultur auf ihren Sprachgebrauch zu reduzieren und anschließend einzupassen. Ähnlich, wie es auch bei der linksliberalen Verachtung der Arbeiterklasse oder der Verurteilung von vulgärem Hip Hop geschieht. Anders formuliert: Die Durchsetzung von Sprachregelungen "der gymnasialen Oberstufe gegen die Plebs." Reduktion auf Sprache während der eigentliche Konflikt, der sich gegen das wofür Hopp steht und bestimmte materielle Verhältnisse richtet, ignoriert wird. Aber klar, man hätte damit rechnen müssen, dass man sich leicht angreifbar macht, dass sich auf den Strohmann "Hurensohn" (sexistische Beleidigung, finde ich persönlich auch kacke, dass diese genutzt wird) und eine angebliche Morddrohnung gestürzt wird.

Dass man nun bei Hopp von Diskriminierung spricht ist natürlich nicht nur falsch, sondern nebenbei auch ein blanker Hohn gegenüber allen tatsächlichen Diskriminierungsopfern, von denen es auch im Stadion genug gibt.
Zuletzt geändert von slowdive am Mo 2. Mär 2020, 11:20, insgesamt 2-mal geändert.

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Re: Fußball Thread

Beitrag von slowdive » Mo 2. Mär 2020, 11:05

NeonGolden hat geschrieben:
Mo 2. Mär 2020, 10:51
Taksim hat geschrieben:
Mo 2. Mär 2020, 10:37
Was nämlich tatsächlich zu kurz kommt ist das Hopp symbolisch für etwas steht, was abgelehnt wird. Die Person verhält sich dann oben drauf eben noch wahnsinnig kontraproduktiv.
Hopp ist aber kein Symbol, sondern ein Mensch, der hier im Zentrum einer Hasskampagne steht. Hintergrund und Sinn dieser Kampagne spielen keine Rolle bei der Beurteilung, ob das gewählte Mittel des Protestes legitim ist.
Dass Hopp gegen Beleidigungen klagt, mag kontraproduktiv für die Stimmung sein, ist aber sein gutes Recht und im Gegensatz zu dem Verhalten der Gegenpartei völlig legitim.
Ganz im Ernst, ich kann nicht begreifen wie man so eine Kampagne auch nur irgendwie rechtfertigen möchte.
Und ich kann nicht verstehen, wir man diesen Konflikt ernsthaft auf den Gebrauch von Sprache und Symbolen reduzieren möchte und die eigentliche Substanz dabei ignoriert.

Bei dem letzten Absatz gehe ich hingegen mit, auch wenn ich glaube, dass diese Dissonanz gesamtgesellschaftlich gilt und nicht primär im Stadion.

Und nochmal: Es geht nicht um die Rechtfertigung der Aktion (finden glaube ich alle hier in der Forum kindisch bis scheiße), sondern um die Identifikation der ideologischen Mechanismen, die insbesondere in der Reaktion darauf zu identifizieren sind.

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Re: Fußball Thread

Beitrag von NeonGolden » Mo 2. Mär 2020, 11:09

slowdive hat geschrieben:
Mo 2. Mär 2020, 11:05
Und ich kann nicht verstehen, wir man diesen Konflikt ernsthaft auf den Gebrauch von Sprache und Symbolen reduzieren möchte und die eigentliche Substanz dabei ignoriert.
Tue ich doch gar nicht. Ich halte es nur für völlig falsch diese gewählte Form der Kommunikation zu verharmlosen.

Auf die Hintergründe bin ich bereits einggegangen und halte sie für ähnlich verlogen und doppelmoralisch.
sondern um die Identifikation der ideologischen Mechanismen, die insbesondere in der Reaktion darauf zu identifizieren sind.
Könntest du das erläutern?
Zuletzt geändert von NeonGolden am Mo 2. Mär 2020, 11:11, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Fußball Thread

Beitrag von Declan_de_Barra » Mo 2. Mär 2020, 11:10

slowdive hat geschrieben:
Mo 2. Mär 2020, 11:02
Wow...Stebbie. "Die Ultrakultur" ist homogen durchmischt, durchsetzt mit unterschiedlichen Dynamiken und nicht in einem Dreizeiler abzuhandeln. Es mag tatsächlich eben diese Gruppen geben, die mehr oder weniger in das von dir beschriebebene Weltbild passen oder – wie traurigerweise hier in Hannover – in eben dieses Entgleiten (bzw. gewaltsam ausgetauscht werden) nach jahrelangem antifaschistischem Engagement. Viele andere Gruppen – und dazu zählt auch die Schickeria – zeichnen sich hingegen durch gelebtes, jahrelanges Engagement aus, dass seit den 80er-Jahren für einen kontinuierlichen Abbau von rechtsradikalen Tendenzen in den Kurven gesorgt hat. Gelebt, auf eine Veränderung tatsächlicher Materieller Verhälntnisse in der realen Welt aus, oft sogar mit Verbandspreisen ausgezeichnet. Menschen, die sich nicht nur in dem eigenen sprachlichen Gutsein ausruhen, dürfen sich nun von Leuten mit "der richtigen Haltung" beschimpfen lassen. Du, der geschlechtergerechte Sprach nutzt und alle vier Jahre Kreuze an den richtigen Stellen setzt, wir, die theoretische Abhandlungen in Internetforen tippen, sind die Äquivalente zum Typ, der Antifa-Sticker klebt und sich danach gewaltig was darauf einbildet und nicht die Ultras. Wir sind das gelebte Modell des modernen Kapitalismus, das innere Einstellung vor die materielle Veränderung von Verhältnissen stellt.

Was den Protest angeht, unterstütze ich die Wortwahl keineswegs, sehe aber in dem Backlash den typischen Versuch der Allianz aus "bürgerlicher Mitte" und kapitalistischen Funktionären, eine andersgearte Subkultur auf ihren Sprachgebrauch zu reduzieren und anschließend einzupassen. Ähnlich, wie es auch bei der linksliberalen Verachtung der Arbeiterklasse oder der Verurteilung von vulgärem Hip Hop geschieht. Anders formuliert: Die Durchsetzung von Sprachregelungen "der gymnasialen Oberstufe gegen die Plebs." Reduktion auf Sprache während der eigentliche Konflikt, der sich gegen das wofür Hopp steht und bestimmte materielle Verhältnisse richtet, ignoriert wird. Aber klar, man hätte damit rechnen müssen, dass man sich leicht angreifbar macht, dass sich auf den Strohmann "Hurensohn" (sexistische Beleidigung, finde ich persönlich auch kacke, dass diese genutzt wird) und eine angebliche Morddrohnung gestürzt wird.

Dass man nun bei Hopp von Diskriminierung spricht ist natürlich nicht nur falsch, sondern nebenbei auch ein blanker Hohn gegenüber allen tatsächlichen Diskriminierungsopfern, von denen es auch im Stadion genug gibt.
Großteil unterschreibe ich so.

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Re: Fußball Thread

Beitrag von slowdive » Mo 2. Mär 2020, 11:13

NeonGolden hat geschrieben:
Mo 2. Mär 2020, 11:09
slowdive hat geschrieben:
Mo 2. Mär 2020, 11:05
Und ich kann nicht verstehen, wir man diesen Konflikt ernsthaft auf den Gebrauch von Sprache und Symbolen reduzieren möchte und die eigentliche Substanz dabei ignoriert.
Tue ich doch gar nicht. Ich halte es nur für völlig falsch diese gewählte Form der Kommunikation zu verharmlosen.

Auf die Hintergründe bin ich bereits einggegangen und halte sie für ähnlich verlogen und doppelmoralisch.
Alles klar. :smile:

Buchtipp an dieser Stelle: Das so wunderschöne wie aufschlussreiche Buch Ein Mann seiner Klasse von Christian Baron. Hilft dabei, nicht zu vergessen, wo Diskriminierung tatsächlich sitzt und gleichzeitig solche missglückten Aktionen entstehen. Die rechte Lektüre bei all den Reaktionen kurz vor #PrayForDietmar.

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Re: Fußball Thread

Beitrag von Declan_de_Barra » Mo 2. Mär 2020, 11:14

NeonGolden hat geschrieben:
Mo 2. Mär 2020, 11:09
slowdive hat geschrieben:
Mo 2. Mär 2020, 11:05
Und ich kann nicht verstehen, wir man diesen Konflikt ernsthaft auf den Gebrauch von Sprache und Symbolen reduzieren möchte und die eigentliche Substanz dabei ignoriert.
Tue ich doch gar nicht. Ich halte es nur für völlig falsch diese gewählte Form der Kommunikation zu verharmlosen.

Auf die Hintergründe bin ich bereits einggegangen und halte sie für ähnlich verlogen und doppelmoralisch.
Doppelmoralisch, weil Ultras bei der Kommerzialisierung fleißig mitmachen? Inwiefern?

Es soll doch explizit nicht verharmlost werden, sondern eingeordnet. Und wenn man sich ernsthaft dazu hinreissen lässt, die Geschehnisse dieser Woche als negativen Höhepunkt oder ähnliches zu bezeichnen, während vor ein paar Wochen noch mehrere rassistische Vorfälle die Fussballwelt beschäftigten und solches Gedankengut Hanau hervorbrachte, dann darf das gerne kritisiert werden.

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Re: Fußball Thread

Beitrag von slowdive » Mo 2. Mär 2020, 11:24

PS: Ich sehe gerade, dass auf dem Werbebanner, das auf den von mir geposteten Bildern zu sehen ist, "Qatar Airways" steht, während darüber Antifaschisten in Aktion zu sehen sind. So zufällig und doch so genau, ja so perfekt, lässt sich die Verlogenheit, die Ideologie, die hier am Werk ist zusammfassen. :grin:

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Re: Fußball Thread

Beitrag von NeonGolden » Mo 2. Mär 2020, 11:25

Declan_de_Barra hat geschrieben:
Mo 2. Mär 2020, 11:14
Doppelmoralisch, weil Ultras bei der Kommerzialisierung fleißig mitmachen? Inwiefern?
Unter Anderem, ja. Weil sie sich als wahre Besitzer des Fußballs aufspielen. Weil sie behaupten, ohne sie hätte der Fußball keinen Wert mehr. Weil es ihnen nicht gelingt, sich von den Verfehlungen in den eigenen Reihen ausreichend zu distanzieren. Die Bewertung der Verfehlungen des eigenen "Traditionsvereins".
Declan_de_Barra hat geschrieben:
Mo 2. Mär 2020, 11:14
Es soll doch explizit nicht verharmlost werden, sondern eingeordnet. Und wenn man sich ernsthaft dazu hinreissen lässt, die Geschehnisse dieser Woche als negativen Höhepunkt oder ähnliches zu bezeichnen, während vor ein paar Wochen noch mehrere rassistische Vorfälle die Fussballwelt beschäftigten und solches Gedankengut Hanau hervorbrachte, dann darf das gerne kritisiert werden.
Ich sehe nicht, dass diese Vorkommnisse als Höhepunkt eingeordnet wurden. Wo ist das geschehen?
Während es in beiden Fällen um Gewalt gegen Einzelne geht, kommt man nicht umhin, die verschiedenen Fälle einzeln zu bewerten. Die rassistischen Vorfälle halte ich im einzelnen für schlimmer und verachtenswerter, sind gleichzeitig aber auch schwieriger "live" zu adressieren und zu bekämpfen. Wie gesagt, hier muss meiner Meinung nach auch mal ganz dringend über das umstehende Publikum gesprochen werden.
Organisierte Aktionen, die in vier oder fünf Stadien parallel stattfinden, sind einfach etwas anderes - wohlgemerkt, nicht schlimmer, aber mit einer anderen Tragweite.
Zuletzt geändert von NeonGolden am Mo 2. Mär 2020, 11:29, insgesamt 2-mal geändert.

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Re: Fußball Thread

Beitrag von SammyJankis » Mo 2. Mär 2020, 11:25

Ich gucke so gut wie gar kein Fußball mehr und bekomme alles nur noch nebenbei mit, aber ich bin immer wieder fasziniert, wie groß der Hass auf RB und Hoffenheim ist. Insbesondere bei Hoffenheim verstehe ich das nicht, weil, soweit ich das mitbekommen habe, Dietmar Hopp auch durchaus über die erste Mannschaft hinaus in den Verein bzw. die Region investiert hat und SAP ist auch direkt um die Ecke. Das ist für mich nicht gleichzusetzen mit RB oder irgendeinem englischen Club, der zum Spielzeug eines Milliardärs geworden ist.
Und insbesondere die Bayern sollten sich vielleicht einmal mit ihrer Vergangenheit beschäftigen und wie viele schmutzige Geschehnisse im Zusammenhang mit dem großen Auftsieg des Vereins einhergingen. Denen wurde meines Wissens nach auch unter die Arme gegriffen. Aber wen juckt das schon, solange irgendwo fett das Wort Tradition draufsteht. Und auch heute noch reist die Mannschaft immer brav nach Katar ins Trainingslager. Ich hoffe, die Fans sehen das ähnlich kritisch.
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Re: Fußball Thread

Beitrag von slowdive » Mo 2. Mär 2020, 11:35

SammyJankis hat geschrieben:
Mo 2. Mär 2020, 11:25
Ich gucke so gut wie gar kein Fußball mehr und bekomme alles nur noch nebenbei mit, aber ich bin immer wieder fasziniert, wie groß der Hass auf RB und Hoffenheim ist. Insbesondere bei Hoffenheim verstehe ich das nicht, weil, soweit ich das mitbekommen habe, Dietmar Hopp auch durchaus über die erste Mannschaft hinaus in den Verein bzw. die Region investiert hat und SAP ist auch direkt um die Ecke. Das ist für mich nicht gleichzusetzen mit RB oder irgendeinem englischen Club, der zum Spielzeug eines Milliardärs geworden ist.
Dietmar Hopp ist dass, was Slavoj Zizek einen "liberalen Kommunisten" nennen würde. Kann man sich ja mal mit beschäftigen: Klick und Klick. Mit Wohlstäter-Zuschreibungen wäre ich vorsichtig.

https://www.heise.de/newsticker/meldung ... 07036.html
https://www.labournet.de/politik/gw/mit ... erfolglos/
https://www.juedische-allgemeine.de/kul ... igen-nazi/
https://www.spiegel.de/sport/fussball/p ... 80548.html
https://www.t-online.de/sport/fussball/ ... ge-ab.html

Nur eine Auswahl.
SammyJankis hat geschrieben:
Mo 2. Mär 2020, 11:25
Und insbesondere die Bayern sollten sich vielleicht einmal mit ihrer Vergangenheit beschäftigen und wie viele schmutzige Geschehnisse im Zusammenhang mit dem großen Auftsieg des Vereins einhergingen. Denen wurde meines Wissens nach auch unter die Arme gegriffen. Aber wen juckt das schon, solange irgendwo fett das Wort Tradition draufsteht. Und auch heute noch reist die Mannschaft immer brav nach Katar ins Trainingslager. Ich hoffe, die Fans sehen das ähnlich kritisch.
Rate mal, wer all das macht: Die Schickeria. Sonst kaum jemand. :grin:
NeonGolden hat geschrieben:
Mo 2. Mär 2020, 11:25
Organisierte Aktionen, die in vier oder fünf Stadien parallel stattfinden, sind einfach etwas anderes - wohlgemerkt, nicht schlimmer, aber mit einer anderen Tragweite.
Die sind ziemlich sicher nicht organisiert. Das unterschätzt einfache Kurvendynamiken. Der Solidarisierungseffekt stellt sich von selbst ein.

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Re: Fußball Thread

Beitrag von SammyJankis » Mo 2. Mär 2020, 11:39

slowdive hat geschrieben:
Mo 2. Mär 2020, 11:35
SammyJankis hat geschrieben:
Mo 2. Mär 2020, 11:25
Ich gucke so gut wie gar kein Fußball mehr und bekomme alles nur noch nebenbei mit, aber ich bin immer wieder fasziniert, wie groß der Hass auf RB und Hoffenheim ist. Insbesondere bei Hoffenheim verstehe ich das nicht, weil, soweit ich das mitbekommen habe, Dietmar Hopp auch durchaus über die erste Mannschaft hinaus in den Verein bzw. die Region investiert hat und SAP ist auch direkt um die Ecke. Das ist für mich nicht gleichzusetzen mit RB oder irgendeinem englischen Club, der zum Spielzeug eines Milliardärs geworden ist.
Dietmar Hopp ist dass, was Slavoj Zizek einen "liberalen Kommunisten" nennen würde. Kann man sich ja mal mit beschäftigen: Klick und Klick. Mit Wohlstäter-Zuschreibungen wäre ich vorsichtig.

https://www.heise.de/newsticker/meldung ... 07036.html
https://www.labournet.de/politik/gw/mit ... erfolglos/
https://www.juedische-allgemeine.de/kul ... igen-nazi/
https://www.spiegel.de/sport/fussball/p ... 80548.html
https://www.t-online.de/sport/fussball/ ... ge-ab.html

Nur eine Auswahl.
SammyJankis hat geschrieben:
Mo 2. Mär 2020, 11:25
Und insbesondere die Bayern sollten sich vielleicht einmal mit ihrer Vergangenheit beschäftigen und wie viele schmutzige Geschehnisse im Zusammenhang mit dem großen Auftsieg des Vereins einhergingen. Denen wurde meines Wissens nach auch unter die Arme gegriffen. Aber wen juckt das schon, solange irgendwo fett das Wort Tradition draufsteht. Und auch heute noch reist die Mannschaft immer brav nach Katar ins Trainingslager. Ich hoffe, die Fans sehen das ähnlich kritisch.
Rate mal, wer all das macht: Die Schickeria. Sonst kaum jemand. :grin:
Habe gerade nicht so viel Zeit, aber werde die Artikel die Tage lesen. Wie gesagt, bin nicht mehr wirklich drin im Thema und hatte auf ein paar Hintergrundstorys gehofft. Danke dafür! Das mit den Tröten hab ich damals sogar noch mitbekommen.
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Re: Fußball Thread

Beitrag von Declan_de_Barra » Mo 2. Mär 2020, 11:48

NeonGolden hat geschrieben:
Mo 2. Mär 2020, 11:25
Declan_de_Barra hat geschrieben:
Mo 2. Mär 2020, 11:14
Doppelmoralisch, weil Ultras bei der Kommerzialisierung fleißig mitmachen? Inwiefern?
Unter Anderem, ja. Weil sie sich als wahre Besitzer des Fußballs aufspielen. Weil sie behaupten, ohne sie hätte der Fußball keinen Wert mehr. Weil es ihnen nicht gelingt, sich von den Verfehlungen in den eigenen Reihen ausreichend zu distanzieren.
Keine Ahnung, ich finde sie haben genauso das Recht ihre Interessen zu vertreten. Oder bleibt das nur denen vorbehalten, die Geld haben? Ansonsten verstehe ich den Zusammenhang zwischen Kommerzialisierung und dem "Besitzer des Fußballs" nicht. Und auch den letzten Satz verstehe ich in diesem Zusammenhang nicht.
NeonGolden hat geschrieben:
Mo 2. Mär 2020, 11:25
Declan_de_Barra hat geschrieben:
Mo 2. Mär 2020, 11:14


Es soll doch explizit nicht verharmlost werden, sondern eingeordnet. Und wenn man sich ernsthaft dazu hinreissen lässt, die Geschehnisse dieser Woche als negativen Höhepunkt oder ähnliches zu bezeichnen, während vor ein paar Wochen noch mehrere rassistische Vorfälle die Fussballwelt beschäftigten und solches Gedankengut Hanau hervorbrachte, dann darf das gerne kritisiert werden.
Ich sehe nicht, dass diese Vorkommnisse als Höhepunkt eingeordnet wurden. Wo ist das geschehen?
Während es in beiden Fällen um Gewalt gegen Einzelne geht, kommt man nicht umhin, die verschiedenen Fälle einzeln zu bewerten. Die rassistischen Vorfälle halte ich im einzelnen für schlimmer und verachtenswerter, sind gleichzeitig aber auch schwieriger "live" zu adressieren und zu bekämpfen. Wie gesagt, hier muss meiner Meinung nach auch mal ganz dringend über das umstehende Publikum gesprochen werden.
Organisierte Aktionen, die in vier oder fünf Stadien parallel stattfinden, sind einfach etwas anderes - wohlgemerkt, nicht schlimmer, aber mit einer anderen Tragweite.
Der Höhepunkt bezog sich auf ein Rummenigge Zitat, das wurde verkürzt wiedergegeben. Da ging es um die Hopp-Thematik, sorry. Aber Sätze wie „Mit dem heutigen Tag muss ein Umdenken stattfinden. Wir müssen alle zusammenstehen. Wir haben viel zu lange die Augen davor verschlossen, was in gewissen Kurven passiert ist." immpliziert man eindeutig, dass es ein Höhepunkt ist.

Natürlich sind die rassistischen Vorfälle schwieriger zu bekämpfen. Fragen wir mal Tönnies, fragen wir mal die etlichen Funktionäre, die sich explizit gegen dessen Aussage gestellt haben. Hier stand ein Spielabbruch kurz davor, bei den etlichen rassistischen Vorfällen nicht. Da muss sich Torunarigha eher noch anhören, dass das zu seinem Job als Fussball-Profi gehöre.

Es ist meiner Meinung nach einfach mindestens merkwürdig, dass gerade jetzt so bestürzt reagiert wurde, wo doch die Funktionäre in den letzten Jahren wirklich wenig dafür getan haben, dass der Umgang besser wird. Wer hingegen seit Jahrzehnten etwas dafür getan hat, dass viele Kurven nicht mehr so aussehen wie in den 90ern, sind aktive Fans. Die haben dafür genug aufs Maul und im realen Leben viel mehr Probleme bekommen, als so manch einer glauben mag.

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Re: Fußball Thread

Beitrag von Stebbie » Mo 2. Mär 2020, 12:04

slowdive hat geschrieben:
Mo 2. Mär 2020, 11:02
Wow...Stebbie. "Die Ultrakultur" ist heterogen durchmischt, durchsetzt mit unterschiedlichen Dynamiken und nicht in einem Dreizeiler abzuhandeln. Es mag tatsächlich eben diese Gruppen geben, die mehr oder weniger in das von dir beschriebebene Weltbild passen oder – wie traurigerweise hier in Hannover – in eben dieses Entgleiten (bzw. gewaltsam ausgetauscht werden) nach jahrelangem antifaschistischem Engagement. Viele andere Gruppen – und dazu zählt auch die Schickeria – zeichnen sich hingegen durch gelebtes, jahrelanges Engagement aus, dass seit den 80er-Jahren für einen kontinuierlichen Abbau von rechtsradikalen Tendenzen in den Kurven gesorgt hat. Gelebt, auf eine Veränderung tatsächlicher Materieller Verhälntnisse in der realen Welt aus, oft sogar mit Verbandspreisen ausgezeichnet. Menschen, die sich nicht nur in dem eigenen sprachlichen Gutsein ausruhen, dürfen sich nun von Leuten mit "der richtigen Haltung" beschimpfen lassen. Du, der geschlechtergerechte Sprach nutzt und alle vier Jahre Kreuze an den richtigen Stellen setzt, wir, die theoretische Abhandlungen in Internetforen tippen, sind die Äquivalente zum Typ, der Antifa-Sticker klebt und sich danach gewaltig was darauf einbildet und nicht die Ultras. Wir sind das gelebte Modell des modernen Kapitalismus, das innere Einstellung vor die materielle Veränderung von Verhältnissen stellt.

Bild

Was den Protest angeht, unterstütze ich die Wortwahl keineswegs, sehe aber in dem Backlash den typischen Versuch der Allianz aus "bürgerlicher Mitte" und kapitalistischen Funktionären, eine andersgearte Subkultur auf ihren Sprachgebrauch zu reduzieren und anschließend einzupassen. Ähnlich, wie es auch bei der linksliberalen Verachtung der Arbeiterklasse oder der Verurteilung von vulgärem Hip Hop geschieht. Anders formuliert: Die Durchsetzung von Sprachregelungen "der gymnasialen Oberstufe gegen die Plebs." Reduktion auf Sprache während der eigentliche Konflikt, der sich gegen das wofür Hopp steht und bestimmte materielle Verhältnisse richtet, ignoriert wird. Aber klar, man hätte damit rechnen müssen, dass man sich leicht angreifbar macht, dass sich auf den Strohmann "Hurensohn" (sexistische Beleidigung, finde ich persönlich auch kacke, dass diese genutzt wird) und eine angebliche Morddrohnung gestürzt wird.

Dass man nun bei Hopp von Diskriminierung spricht ist natürlich nicht nur falsch, sondern nebenbei auch ein blanker Hohn gegenüber allen tatsächlichen Diskriminierungsopfern, von denen es auch im Stadion genug gibt.
die Zuschreibung war zugegeben sehr überspitzt (ebenso wie dein Part von "Du" bis "stellt") und gerade beim letzterem gehe ich absolut auch mit, und auch deine Kritik an der Wortwahl teile ich in Stücken - allerdings finde ich es absolut unangebracht, nun in einer Anhängerschaft eines Unternehmens mit 700 Millionen Euro Jahresumsatz Proponenten eines Klassenkampfes zu sehen, während die Seite der Kritiker nur das gelebte Modell des modernen Kapitalismus sein soll. Das ist mir dann doch ein sehr romantische und arg beschönigende Weltsicht, die, ernst gemeint, eben nicht allsamstäglich und schon gar nicht am Dienstag- oder Mittwochabend in die Allianzarena führen kann.

Auch mag ich vielleicht nicht mehr im Kern der Ultrabewegung stehen, aber ich auch habe sie über 10 Jahre auf diversen Auswärtsfahrten hautnah miterlebt, ehe ich für mich entschieden habe, dass es keine Welt ist, an der ich teilhaben kann und möchte - weshalb ich auch in den 2010ern nahezu gar nicht mehr Fußball im Profibereich live im Stadion gesehen habe. Es mag sich vielleicht geändert haben, aber zumindest in der Zeit war der ganze Habitus, das ganze Gehabe und auch das Selbstbild der Blöcke ist zutiefst von maskulinen Vorstellungen von Kraft, Aggressivität und Dominanz durchzogen, getragen von Alkohol und einer ausgeprägten Priese Frauenverachtung. Nicht bei jedem explizit, aber doch von der Masse toleriert.

Bei der Kritik am DFB bin ich ja auch vollkommen dabei, aber hier agieren zwei Seiten, welche einen den Spaß am Profifußball enorm rauben. Aber gut, das Thema wird von vielen super emotional geführt, da werden sich keine Annäherungen ergeben.
(c) 26.06.2006

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Re: Fußball Thread

Beitrag von NeonGolden » Mo 2. Mär 2020, 12:08

Declan_de_Barra hat geschrieben:
Mo 2. Mär 2020, 11:48
Keine Ahnung, ich finde sie haben genauso das Recht ihre Interessen zu vertreten. Oder bleibt das nur denen vorbehalten, die Geld haben? Ansonsten verstehe ich den Zusammenhang zwischen Kommerzialisierung und dem "Besitzer des Fußballs" nicht. Und auch den letzten Satz verstehe ich in diesem Zusammenhang nicht.
Natürlich haben sie das Recht, ihre Interessen zu vertreten. Ich halte diese Interessen aber teilweise für verquer und zudem die Mittel, die sie für diese Vertretung wählen, für verachtenswert.
Der stark verallgemeinerte Standpunkt einiger Ultras ist, dass sie den Fußball zu dem gemacht haben, was er ist und dementsprechend "Besitzansprüche" hegen - "Ihr macht unseren Fußball kaputt" ist das vereinfachte Motto und der Verwurf an den DFB und Vereine wie Hoffenheim und Leipzig und deren Funktionäre. Abgesehen davon, dass ich diese Besitzansprüche für ungerechtfertigt und unzulässig halte, müssten sie diese Vorwürfe genauso an die eigenen Vereine und mithin sich selbst richten. Es wird eine heile Fanwelt herbeikonstruiert, in der der arme einfach Arbeiter mit seinen Kumpels selbstlos seinen Verein unterstützt und die bösen Verantwortlichen, die diesen Zirkus organisieren und wettbewerbsfähig halten, machen alles kaputt. Das ist vielfach die Narrative, die einem von Fanseite erzählt wird.
Declan_de_Barra hat geschrieben:
Mo 2. Mär 2020, 11:48
Der Höhepunkt bezog sich auf ein Rummenigge Zitat, das wurde verkürzt wiedergegeben. Da ging es um die Hopp-Thematik, sorry. Aber Sätze wie „Mit dem heutigen Tag muss ein Umdenken stattfinden. Wir müssen alle zusammenstehen. Wir haben viel zu lange die Augen davor verschlossen, was in gewissen Kurven passiert ist." immpliziert man eindeutig, dass es ein Höhepunkt ist.
Ich hatte nicht den Eindruck, dass es hier ursprünglich um Aussagen von Rummenigge ging, sondern um die Aktionen die sich auf dem Platz abgespielt haben.
Declan_de_Barra hat geschrieben:
Mo 2. Mär 2020, 11:48
Natürlich sind die rassistischen Vorfälle schwieriger zu bekämpfen. Fragen wir mal Tönnies, fragen wir mal die etlichen Funktionäre, die sich explizit gegen dessen Aussage gestellt haben. Hier stand ein Spielabbruch kurz davor, bei den etlichen rassistischen Vorfällen nicht. Da muss sich Torunarigha eher noch anhören, dass das zu seinem Job als Fussball-Profi gehöre.
Wer letzteres behauptet ist natürlich im Unrecht, aber das empfinde ich auch nicht als Konsens der aktuellen Debatte.
Wie genau hätte im Falle Torunarigha mit den gegebenen Mitteln ein Spielabbruch erfolgen sollen?
So gern ich das selbst auch gesehen hätte, ich sehe in dem konkreten Fall die Mittel nicht.

Wie gesagt, eine Fußballwelt, die dieses Verhalten der Ultras toleriert, relativiert und/oder mit hintergründigen Interessenkonflikten rechtfertigt, wird auch niemals ein Stadion erleben, in dem Rassismus und Sexismus keinen Platz haben.

@slowdive: Danke für den Buchtipp, werde ich mir notieren. ;)

edit, wegen eines Kommentares unter dem Zeit-Artikel:
Wenn es dem DFB darum gehen würde, ein Zeichen gegen Rassismus, Homophobie und für Menschenrechte und besonders auch Frauenrechte zu setzen, würde er seine Nationalmannschaft doch bestimmt nicht zu Weltmeisterschaften nach Russland oder Katar schicken.
Wenn es K-H Rummenigge darum gehen würde, ein Zeichen gegen Rassismus, Homophobie und für Menschenrechte und Frauenrechte zu setzen, würde er doch bestimmt kein Geld (u. auch keine Luxusuhren) von irgendwelchen Scheichs annehmen, egal, ob der Kaiser nun Sklaven gesehen hat oder nicht.
Das würde ich übrigens auch absolut unterschreiben. So verurteilenswert ich die Kampagne und so richtig ich die Reaktion auf dem Platz auch finde, so verlogen empfinde ich auch einige Reaktionen der Verantwortlichen.

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Re: Fußball Thread

Beitrag von Wishkah » Mo 2. Mär 2020, 18:55

Gibt es hier (auch in dieser Diskussion) überhaupt ein entweder/oder? :?

Egal wie berechtigt der kritische Grundgedanke dahinter sein mag, eine Einzelperson (egal wen) in der größtmöglichen Öffentlichkeit als "Hurensohn" zu bezeichnen und ins Fadenkreuz zu stellen geht halt gar nicht und natürlich muss man dagegen (aber nicht unbedingt in Form von Kollektivstrafen) vorgehen. Zumal so ein Niveau dem Kern jegliche Diskussionsgrundlage nimmt.

Und selbstverständlich sollte man den DFB und alle weiteren Beteiligten auf der anderen Seite genauso dafür kritisieren, nicht in einer ähnlichen Härte gegen Rassismus und Homophobie (unter anderem) im Stadion vorzugehen.

Aber das schließt sich doch gegenseitig nicht aus?

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Re: Fußball Thread

Beitrag von Declan_de_Barra » Mo 2. Mär 2020, 19:19

Natürlich schließt es sich nicht aus. Es geht aber um Verhältnismäßigkeiten. Hier hat ja auch keiner gesagt, dass er die Bezeichnung Hopps als Hurensohn geil findet.

Und Diskussionsgrundlage gibt es schon seit längerem eh nicht mehr, das liegt aber nicht ausschließlich an diesem Fehlverhalten von den Fanszenen. Da gibt es auch genug Leute, die sich mit dem Thema auseinandersetzen, ohne einer Fanszene anzugehören, ob jetzt Fanprojekte oder Autoren, die das ganze Thema differenziert betrachten.

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Re: Fußball Thread

Beitrag von Declan_de_Barra » Mo 2. Mär 2020, 19:32

NeonGolden hat geschrieben:
Mo 2. Mär 2020, 12:08
Declan_de_Barra hat geschrieben:
Mo 2. Mär 2020, 11:48
Keine Ahnung, ich finde sie haben genauso das Recht ihre Interessen zu vertreten. Oder bleibt das nur denen vorbehalten, die Geld haben? Ansonsten verstehe ich den Zusammenhang zwischen Kommerzialisierung und dem "Besitzer des Fußballs" nicht. Und auch den letzten Satz verstehe ich in diesem Zusammenhang nicht.
Natürlich haben sie das Recht, ihre Interessen zu vertreten. Ich halte diese Interessen aber teilweise für verquer und zudem die Mittel, die sie für diese Vertretung wählen, für verachtenswert.
Der stark verallgemeinerte Standpunkt einiger Ultras ist, dass sie den Fußball zu dem gemacht haben, was er ist und dementsprechend "Besitzansprüche" hegen - "Ihr macht unseren Fußball kaputt" ist das vereinfachte Motto und der Verwurf an den DFB und Vereine wie Hoffenheim und Leipzig und deren Funktionäre. Abgesehen davon, dass ich diese Besitzansprüche für ungerechtfertigt und unzulässig halte, müssten sie diese Vorwürfe genauso an die eigenen Vereine und mithin sich selbst richten. Es wird eine heile Fanwelt herbeikonstruiert, in der der arme einfach Arbeiter mit seinen Kumpels selbstlos seinen Verein unterstützt und die bösen Verantwortlichen, die diesen Zirkus organisieren und wettbewerbsfähig halten, machen alles kaputt. Das ist vielfach die Narrative, die einem von Fanseite erzählt wird.
Declan_de_Barra hat geschrieben:
Mo 2. Mär 2020, 11:48
Der Höhepunkt bezog sich auf ein Rummenigge Zitat, das wurde verkürzt wiedergegeben. Da ging es um die Hopp-Thematik, sorry. Aber Sätze wie „Mit dem heutigen Tag muss ein Umdenken stattfinden. Wir müssen alle zusammenstehen. Wir haben viel zu lange die Augen davor verschlossen, was in gewissen Kurven passiert ist." immpliziert man eindeutig, dass es ein Höhepunkt ist.
Ich hatte nicht den Eindruck, dass es hier ursprünglich um Aussagen von Rummenigge ging, sondern um die Aktionen die sich auf dem Platz abgespielt haben.
Declan_de_Barra hat geschrieben:
Mo 2. Mär 2020, 11:48
Natürlich sind die rassistischen Vorfälle schwieriger zu bekämpfen. Fragen wir mal Tönnies, fragen wir mal die etlichen Funktionäre, die sich explizit gegen dessen Aussage gestellt haben. Hier stand ein Spielabbruch kurz davor, bei den etlichen rassistischen Vorfällen nicht. Da muss sich Torunarigha eher noch anhören, dass das zu seinem Job als Fussball-Profi gehöre.
Wer letzteres behauptet ist natürlich im Unrecht, aber das empfinde ich auch nicht als Konsens der aktuellen Debatte.
Wie genau hätte im Falle Torunarigha mit den gegebenen Mitteln ein Spielabbruch erfolgen sollen?
So gern ich das selbst auch gesehen hätte, ich sehe in dem konkreten Fall die Mittel nicht.

Wie gesagt, eine Fußballwelt, die dieses Verhalten der Ultras toleriert, relativiert und/oder mit hintergründigen Interessenkonflikten rechtfertigt, wird auch niemals ein Stadion erleben, in dem Rassismus und Sexismus keinen Platz haben.

@slowdive: Danke für den Buchtipp, werde ich mir notieren. ;)

edit, wegen eines Kommentares unter dem Zeit-Artikel:
Wenn es dem DFB darum gehen würde, ein Zeichen gegen Rassismus, Homophobie und für Menschenrechte und besonders auch Frauenrechte zu setzen, würde er seine Nationalmannschaft doch bestimmt nicht zu Weltmeisterschaften nach Russland oder Katar schicken.
Wenn es K-H Rummenigge darum gehen würde, ein Zeichen gegen Rassismus, Homophobie und für Menschenrechte und Frauenrechte zu setzen, würde er doch bestimmt kein Geld (u. auch keine Luxusuhren) von irgendwelchen Scheichs annehmen, egal, ob der Kaiser nun Sklaven gesehen hat oder nicht.
Das würde ich übrigens auch absolut unterschreiben. So verurteilenswert ich die Kampagne und so richtig ich die Reaktion auf dem Platz auch finde, so verlogen empfinde ich auch einige Reaktionen der Verantwortlichen.
Zu 1:
Denke nicht, dass es Ultras darum geht, dass sie den Fussball zu dem gemacht haben, was er ist. Dass Ultraszenen aber einiges was als Fankultur gilt geprägt haben, ist so und dürfte ja keiner bestreiten.

Hm, ja vielleicht wird dieses Bild von einigen gezeichnet, auch wenn sich mir das immernoch nicht so klar darstellt, was genau du mit diesem Bild meinst. Im Endeffekt sind es doch auch einfach Leute, die mit ihren Freunden zum Fußball fahren.

2: Für mich ging es um das gesamte Geschehen, dazu zählt auch der Kommentar von Rummenigge. Es geht doch um den Umgang mit dem Thema`?

3: Hat der Schiri nicht eben diese Möglichkeiten? Und wenn nicht, ist das ja schon ein Aspekt der kritisiert gehört.

Es toleriert doch nun wirklich keiner? Finden doch eigentlich alles scheiße. Und da sprichst du auf einmal wieder in Extremen. Hier geht es nicht um Rechtfertigung, sondern um Einordnung in ein komplexes Thema. Geht dann auch andersrum: Wer nach diesem Wochenende komplette Fanszenen bestrafen will und von "Umdenken" redet, wird auch weiterhin Rassismus, Sexismus und Homophobie nicht konsequent angehen.


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