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von defpro » Mo 6. Mär 2023, 00:06
Ich war am Montag bei Lizzo in der Lanxess-Arena in Köln. Hatte mich etwas gewundert, dass sie nur in Arenen spielt, da sie ja hier bei weitem noch nicht die Popularität genießt, die sie in den Staaten innehat. Allerdings hat die Produktion vermutlich keine kleineren Hallen zugelassen. Ausverkauft war es dementsprechend nicht, sodass wir im allgemeinen Zuschauerbereich (gab auch noch einen Golden Circle-Bereich um die B-Stage) entspannt einen guten Platz mit ausreichend Platz zum Tanzen wählen konnten. Interessanterweise waren die Ränge fast sold out, obwohl diese mit 100 € relativ teuer angesetzt waren; scheint wohl so ein Pop-Show-Ding zu sein. Für unseren Bereich wurden die Tickets von anfänglich zu hoch angesetzten 82 € nach und nach auf letztendlich sehr faire 59 € heruntergesetzt. Das ist mal Dynamic-Pricing nach meinem Geschmack. Die Anfahrt mit dem Auto war auch entspannt, obwohl an dem Tag der Kölner ÖPNV bestreikt wurde. Zudem habe ich diesmal nicht den dummen Fehler begangen, im offiziellen Lanxess-Arena-Parkhaus zu parken, sondern hab die Karre in einer Seitenstraße abgestellt. Kann ich nur jedem empfehlen, wenn man nicht stundenlang im Parkhaus feststecken möchte. Auch in der Arena selbst lief orga-technisch alles perfekt. Zudem hat man mittlerweile einen vegetarischen Chicken-Burger im Angebot, der geschmacklich echt ganz gut war. Darauf lässt sich doch aufbauen.
Den Anheizer machte Sophia Eris, die später auch noch als Lizzos DJane auf der Bühne stehen sollte. Da das nirgendwo kommuniziert war, kamen wir erst zum Ende Auftritts in die Halle. Gespielt wurde ein Mix aus bekannten Pop-Songs, bei denen das Publikum sehr euphorisch mitgesungen hat, garniert mit einigen Songs von Sophia, die sie dann auch selbst performt hat. Stilistisch war das moderner Trap auf poppigen Beats. Sicherlich nichts Innovatives, aber zum Warmwerden hat das Spaß gemacht und in einem kurzen Acapella-Part konnte Sophia auch zeigen, dass sie richtig gut rappen kann.
Der eigentliche Support war dann die Britin Bree Runway, die mir bereits durch Anthony Fantano ein Begriff war, der ihre Songs hin und wieder in seinen Videos besprochen hat. Auch hier ging es in Richtung poppiger Trap, der hin und wieder mal in Richtung Pop, R&B und sogar Hyperpop schielt. Mit "THAT GIRL" war dann auch ein Song dabei, der von EASYFUN produziert wurde und daher mit voller Breitseite in Richtung Hyperpop steuert. Ich fand den super, das Publikum ist aber auf die klassischeren Songs mehr eingestiegen. Generell war die Publikumsbeteiligung aber ziemlich hoch, der Jubel zwischen den Songs fast schon unverhältnismäßig laut. Vielleicht lag das aber auch an den aufwendigen Choreographien, die Bree und ihre zwei Tänzerinnen aufs Parkett zauberten. Sobald da wieder mal ein paar Asses geshaket wurden, sind die Leute komplett steilgegangen, sehr zur Freude von Bree, die als Dank noch ein paar zusätzliche Ass-Shakes in ihrer Show einbaute. Am meisten mitgesungen wurde dann beim Lady Gaga-Cover "Paparazzi" (mind. Top 5-Song ihrer Diskographie) und die Show endete auf einem Höhepunkt mit dem Hit "HOT HOT", der mich schon alleine mit dem "Busta Rhymes - Touch It"-Sample direkt abgeholt hat, welches in der Streaming-Version leider wegen Clearing-Issues wieder rausgenommen werden musste. War eine Top-Show, zumal Bree auch laut eigener Aussage etwas erkältet war. Ich frage mich immer, welches Zeug sich diese Musiker:innen einschmeißen müssen, um mit einer Erkältung so abzureißen.
Apropos Erkältung: Die hat Lizzo leider auch erwischt, wie sie mitten während der Show in einem sehr emotionalen Moment zugeben musste, bei dem auch ein paar Tränen flossen. Normalerweise habe ich bei solchen Pop-Shows den Verdacht, dass alles von A bis Z durchgeplant ist, aber das waren reale Emotionen und diese Nahbarkeit macht Lizzo für mich als Person auch aus. Natürlich war das auch hier eine durchkonzipierte Show mit eigenem Visual-Konzept für jeden Song, mehreren Outfit-Wechseln, Lasereffekten, Choreographien ihrer Tanz-Crew aus Plus-Size (oder was auch immer die Gesellschaft darunter versteht) Frauen usw. Aber im Gegensatz zu z. B. einer Dua Lipa-Show gab es hier mehr Raum für Ungeplantes, für Interaktionen, für spontane Ansagen. So bestand ein Show-Segment nur daraus, dass Lizzo ihren Blick durch das Publikum schweift, sich einzelne Leute rauspickt und deren abgedrehte Outfits, Frisur oder whatever lobt. Das hat bestimmt 15 Minuten gedauert, aber war überhaupt nicht langweilig, weil ihr immer irgendein witziger Kommentar über die Lippen ging und die angesprochenen Leute natürlich jedes Mal komplett ausgerastet sind. Ein paar Mal ging ein Mic durch die ersten Reihen, wenn Lizzo z. B. vom Publikum wissen wollte, wie denn das Wort "bitch" (eine ihrer Lieblingsvokabeln) auf deutsch lautet, worauf das neu erlernte deutsche Wort dann natürlich auch direkt in die weiteren Show-Ansagen eingebaut wurde. Ich habe gesehen, in Berlin gab es eine kleine Covereinlage zu Rammsteins "Du hast". Solche Kleinigkeiten heben für mich eine Pop-Show auf ein anderes Level, sodass ich zwischendurch sogar der Meinung war, dass mir der Gig besser gefällt als der von vorne bis hinten perfekt durchkonzipierte Auftritt von Dua Lipa, obwohl letztere die aufwendigere Show und die besseren Songs hatte.
Das eigentliche Konzert war natürlich auch sehr unterhaltsam. Es wurden hauptsächlich Songs von "Cuz I Love You" und der aktuellen Platte "Special" performt, letztere sogar komplett. Von den ersten beiden Platten war kein Song mehr im Set, aber ich denke, die meisten (inkl. mir) sind auch erst mit den neuen Alben eingestiegen (wobei Sophia in ihrem DJ-Set einen alten Lizzo-Track gespielt hat und eine Gruppe vor mir dazu hart abgegangen ist). Einige Songs wurden live stark abgekürzt, was mich aber nicht gestört hat. Die "Special"-Platte ist mit regelmäßigem Hören für mich etwas gewachsen, aber die Songs des Vorgängers gefallen mir insgesamt immer noch deutlich besser und einige Schnarchnasen (z. B. "Coldplay") hätte man auch gerne weglassen können. Die Outfit-Wechsel wurden gut in die Show eingebunden. So gab es kleinere Zwischenvideos oder der Band (übrigens All-Female) wurde das Feld für Cover-Versionen (Lauryn Hills "Doo Wop (That Thing) sowie Chaka Khans "I'm Every Woman") überlassen. Die B-Stage wurde vor allem für Balladen wie "Jerome" oder "Naked" genutzt, letzteres ziemlich cool mit Projektionen auf ein hautfarbenes Kleid von Lizzo umgesetzt. Auch die Choreographien waren alle top-notch. Da der typische Lizzo-Fan weiblich und kleiner als ich ist, hatte ich auch immer eine ausgezeichnete Sicht auf das Bühnengeschehen. Ebenfalls stark vertreten war natürlich auch die LGBTQ-Community. Dazu gab es auch eine gute Ansage von Lizzo, nachdem sie eine Regenbogenflagge aus dem Publikum gefischt hat.
Ihre Erkältung hat man ihr kaum angemerkt. Gerade gesanglich fordernde Stücke wie "Cuz I Love You" hat sie ausgezeichnet gemeistert. Gegen Ende hat man gemerkt, dass sie hin und wieder etwas außer Puste war und bei "Good as Hell" einen kleinen Texthänger hatte, aber das war verschmerzbar. Gerade im letzten Drittel wurden auch Lizzos Querflöten-Skills angemessen gewürdigt und diese bei mehreren Songs prominent in Szene gesetzt. War natürlich nur ein Gimmick, aber dafür ein sehr amüsantes. Die Stimmung im Publikum war insgesamt auch prächtig und alle Songs wurden laut mitgesungen, insbesondere natürlich am Schluss, als einfach mal ihre vier größten Hit (fast) direkt hintereinander abgefeuert wurden. Die Spielzeit von 110 Minuten war auch mehr als ausreichend. Insgesamt also ein richtig guter Pop-Abend.