Ich war am 29.01. bei
Slipknot in der Frankfurter Festhalle. Das Konzert war ausverkauft und der S-Bahn-Verkehr im Frankfurter Raum aufgrund einer Weichenstörung nur sehr eingeschränkt verfügbar, weshalb ich mit knapper Ankunft froh war, mir für einen minimalen Aufpreis ein FoS-Ticket gegönnt habe. Teuer waren die Tickets mit 80 € dennoch.
Mit
Behemoth hatte man dafür einen namhaften Support am Start, der den hohen Preis zumindest teilweise rechtfertigte. Vom Stage-Setup hat man sich hier Mühe gegeben, die Show der eigenen Headline-Tour auch für diesen Support-Slot umzusetzen. Vor allem beim Pyro wurde definitiv nicht gespart. Mit
"Rom 5:8" hat es glücklicherweise auch noch ein neuer Song in die Setlist geschafft. Der Rest war ein gewohnt hochwertiges Behemoth-Standardset, das von der Menge auch überraschend positiv aufgenommen wurde, obwohl die Band nicht unbedingt die klassische Slipknot-Zielgruppe bedient. Einige Behemoth-Shirts habe ich jedoch im Publikum auch gesehen. Mehr als 40 Minuten hätten es natürlich auch gerne sein können, aber insgesamt kann man sich nicht beschweren.
Da es bei Behemoth im vordersten Bereich teilweise schon unangenehm voll wurde, positionierte ich mich für
Slipknot ganz vorne im zweiten FoS-Bereich, der zu Beginn noch ziemlich leer war und sich erst kurz vor Beginn des Konzerts einigermaßen füllte. Auf der einen Seite entspannt, da ich so das Konzert ohne große Störung durch Moshpits oder anderweite Publikumsaction genießen konnte, auf der anderen Seite war es teilweise für meinen Geschmack doch etwas zu ruhig. Im vordersten Brecher gab es hin und wieder mal einen Moshpit, aber generell schien es so, als ob das Publikum es generell etwas gemächlicher angehen lässt.
Über den Sound in der Festhalle wurde schon oft geschimpft, was ich nie so wirklich nachvollziehen konnte, weil ich bei meinen vergangenen Konzerten (SHM, The Prodigy, The Chemical Brothers) nur gute Erfahrungen gemacht habe. Die elektronische Komponente scheint hier wohl Wunder gewirkt zu haben, denn bei Slipknot musste man zeitweise einen ganz ordentlichen Soundbrei ertragen. Gerade bei neun Bandmitgliedern ist es in der Festhalle vermutlich besonders schwierig, alles audiotechnisch unter einen Hut zu bekommen.
Apropos neun Bandmitglieder: Diesmal hatte ich genug Gelegenheit zu beobachten, was gerade die weniger prominenten Mitglieder eigentlich so auf der Bühne treiben. Antwort: nicht wirklich viel. Während sich Craig Jones (der mit der Stachelmaske) stark im Hintergrund hielt, sodass man zumindest noch mutmaßen konnte, dass er an seinem Keyboard irgendwelche Sounds kreiert, war dies dem zweiten DJ Sid Wilson wohl zu langweilig, sodass dieser quasi nie hinter seinem DJ-Pult aufzufinden war, sondern stattdessen kreuz und quer über die Bühne lief oder auf seinem eigenen Laufband (!) ein kleines Workout-Programm vornahm. Ein Job, auf den man neidisch sein kann! Auch die beiden Herren auf den Percussiontürmen waren vorwiegend mit Posen und dem Anheizen der Menge anstatt eines tatsächlichen musikalischen Beitrags beschäftigt.
Das Stage-Setup wurde im Vergleich zur Festival-Tour 2019 etwas aufgepeppt. U. a. wurden nun auch die beiden Percussiontürme mit Visuals bestrahlt und der Pyro-Anteil etwas hochgefahren. Gerade in Anbetracht des hohen Ticketpreises und mit Bildern der "Disasterpieces"-Live-DVD im Hinterkopf (bewegbare Percussionstürme, Drum-Solo von Joey Jordison, während sich das um 90° geneigte Schlagzeug um 360° dreht,...) hätte ich von der Show doch etwas mehr erwartet. Da bekommt man mMn bei Parkway Drive aktuell mehr geboten.
Beim rein musikalischen Anteil habe ich jedoch nichts zu meckern. Die Songs der neuen Platte fügten sich alle sehr gut in das Set ein (
"Birth of the Cruel" und ganz besonders
"Solway Firth" ). Als Raritäten wurden
"Eeyore" und
"New Abortion" ausgepackt und mit
"Eyeless" wurde auch mein Lieblingssong der Band wieder gespielt
Dass dafür der eine oder andere Dauerbrenner von der Setlist fliegt (
"Spit It Out"!), muss man bei der stetig wachsenden Diskographie wohl einfach akzeptieren.
Die Review klingt letztendlich etwas negativer als ich es tatsächlich empfunden habe. Bei einer Band, die mich in meiner Jugend so stark begleitet hat und meinen Ticketpreis-Durchschnitt so deutlich nach oben sprengt, liegen die Erwartungen auch einfach etwas höher. Insgesamt war es ein gutes Konzert mit einer sehr guten Vorband. Gitarrenkonzerte in der Festhalle werde ich in der Zukunft dennoch wohl eher links liegen lassen
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Vorgestern gab es ein Kontrastprogramm mit
Dave Hause in der Wiesbadener Ringkirche. Support gab es von dem Sänger
Northcote, der mir vorher überhaupt nicht bekannt war, sich aber angenehm von dem Großteil der "Punk-Band-Sänger turned Solo-Artist"-Projekte abhob, die ich sonst so live erlebt habe. Lediglich der Gesang hätte manchmal etwas lauter sein können.
Künstler behaupten ja oft, dass die Fans des jeweiligen Konzerts die besten/lautesten/tollsten auf der ganzen Welt wären, was natürlich in den meisten Fällen gelogen ist. Wenn
Dave Hause aber von der Ringkirche als seiner Lieblings-Konzert-Location weltweit spricht, nimmt man ihm das komischerweise ab. Nach seinem Doppelschlag in 2018 war es bereits vierter Auftritt hier und man kann es ihm nicht verdenken. Die Kirche sieht wirklich großartig aus! Vor allem die von Song zu Song geänderte Ausleuchtung muss hier mal positiv hervorgehoben werden, sorgte sie doch stets für eine sich stets wandelnde Raumatmosphäre.
Unterstützt von seinem Bruder Tim gab es eine Werkschau seiner vier tollen Platten, jeweils dargeboten im akustischen Gewand. Untermalt durch Gitarre, Schlagzeug oder Mini-Orgel kommen alle Songs in der akustischen Version nochmal deutlich eindringlicher rüber. Besonders schön fand ich die nicht fest vorgeschriebene Setlist, die immer Raum für Improvisationen ließ. So wurde aufgrund eines Zuschauerwunschs der Song
"Jane" von Daves ursprünglicher Band The Loved Ones gespielt, nur um diesen dann in einem Cover von
"Gone" der Bouncing Souls ausklingen zu lassen. Auch toll, wie im den Suizid thematisierenden
"Bearing Down" plötzlich die Hook von Frightened Rabbits'
"The Woodpile" erklingt. Solche kleinen spontanen Einfälle sind im immer stärker professionalisierten Live-Zirkus für mich doch eine Besonderheit. Zwischendurch gab es nette Anekdoten aus dem Tour-Alltag oder dem Leben als frisch gebackener Familienvater. Eine sehr schöne Idee war auch, zusammen mit Northcote auf der Empore der Ringkirche im Quintett ein Chuck Ragan-Cover anzustimmen (auch wenn die Idee vom letzten Gastspiel recyclet wurde). Die 2 Stunden Spielzeit vergingen wie im Flug.
Insgesamt würde ich das Konzert dennoch minimal hinter dem aus 2018 ansiedeln, was hauptsächlich am Publikum lag. Im Unterschied zum damals nicht ausverkauften Konzert gingen die Leute mir diesmal teilweise schon auf die Nerven. Wenn Leute sich bei Sitzkonzerten mit geringer Bühnenerhöhung hinstellen, ist das meistens eh schon anstrengend, weil man nur noch wenig sehen kann. Besonders toll wird es, wenn ein Typ direkt vor meiner Nase meint, sich deswegen auf die Kirchenbank stellen (!) zu müssen, sodass alle Leute hinter ihm wirklich GAR NICHTS mehr erkennen können. Nach zwei dieser Steh-Songs setzten sich die meisten Leute glücklicherweise wieder hin, nur ein paar Spezialisten in den ersten beiden Reihen wollten davon natürlich nichts wissen. Neben den üblichen Quatschern erwieß sich auch die Toilettensituation mal wieder als Problem: Drei Klos sind einfach zu wenig. Hier sollte man wirklich mal Alternativen in Betracht ziehen.
Aber Schluss mit Gemecker. War ein großartiger Abend und dürfte bestimmt zu den besten Konzerten des noch jungen Jahres zählen