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von defpro » Fr 16. Dez 2022, 14:51
Corona ist bei mir wieder am abklingen. So kann ich hier noch meine letzten Shows des Jahres nachtragen.
Am 27.11. war ich bei Little Simz im Zoom in Frankfurt. Das Konzert war ausverkauft, die Garderobenschlange war noch länger als bei Bicep drei Wochen vorher. Zum Glück haben einige genervt aufgegeben, sodass es mit 25 Minuten vergleichsweise schnell ging. Hatte diesmal extra drauf geachtet: Es hängt tatsächlich nirgendwo ein Schild, auf dem steht, wieviel die Garderobe kostet, sodass alle beim Abgeben der Sachen erst mal den Geldbeutel rauskramen müssen. Absolut vermeidbar. Hab denen auch mal ne Mail geschrieben und die Antwort erhalten, man sei "sich des Problems bewusst". Bin mal gespannt, ob sich da noch was tut.
Support war OTG, der wie sich später herausstellte, auch Little Simz' DJ war. Es gab entspannten Boom-Bap auf jazzigen Beats. Die ersten 3 (?) Songs kamen auch komplett ohne Drums aus, was ich ab und an auch ziemlich cool finde. Da ich noch in der Garderobenschlange stand, habe ich die erste Hälfte verpasst. Zumindest die letzten Songs kamen beim Publikum aber ganz gut an. Probs auch an die Musikauswahl zwischen den Konzerten. Es wurde einfach ein KAYTRANADA-Song nach dem anderen gezündet. Besser kann man die Stimmung nicht oben halten!
Den Startschuss für Little Simz gab ihr DJ mit einem Smokey Robinson-Track, der dann fließend in den Beat zu "Two Worlds Apart" überging, welcher besagten Track samplet. Zu Anfang machte sich bei mir etwas Ernüchterung breit. Zum einen, weil sie tatsächlich auf der gesamten Tour nur mit DJ unterwegs ist, was etwas schade ist, da die Songs sich mMn sehr gut für eine Umsetzung mit kompletter Band eignen und ich sie 2015 auf dem Openair Frauenfeld auch bereits mit Band gesehen hatte. Zum anderen, weil mir dann erst aufgefallen ist, dass die Bühne im Zoom genauso wie im kleinen Café nebenan auch nicht sonderlich hoch ist. Bei Bicep hatte ich das nicht so bemerkt, weil ich ziemlich weit hinten stand und auch eher auf die Visuals geachtet habe. Nun ist die Dame (ganz getreu ihrem Namen) auch nicht die allergrößte Person, sodass ich teilweise echt Probleme hatte, auf der Bühne etwas zu erkennen. Ja ich weiß, ist für viele Leute bei Shows absoluter Standard, ich fands trotzdem etwas nervig.
Das Publikum war gleich zu Beginn mit dabei und sang an zentralen Stellen des Songs mit. Mit "I Love You, I Hate You" folgte direkt das nächste Highlight. Das Pacing der Show war einfach klasse. Die verschiedenen Styles ihrer Tracks wurde jeweils in kleine Päckchen gebündelt, sodass sich ein wunderbarer Flow ergeben hat. Nach dem souligen Einstieg kamen drei UK-Garage-Banger ("Offence", "Boss","Speed"), danach opulente Beats ("Standing Ovation", "Introvert"), danach die Party-Banger und Pop-Cuts ("101 FM", Protect My Energy", "Selfish"), usw. Hat für mich wesentlich besser funktioniert, als wenn man alles bunt durchmischt hätte. Gerade im zuletzt genannten Energy-Part ging das Publikum besonders gut mit. Gekrönt wurde dies mit dem wundervollen Double "Point and Kill" und "Fear No Man", bei denen Little Simz ihre nigerianischen Einflüsse richtig auslebt. Ersterer ist mittlerweile mein absoluter Lieblingssong von ihr und macht live einfach nur unfassbar Laune.
Die Performance von Little Simz war natürlich astrein und ich freue mich immer, wenn Hip-Hop-MCs es schaffen, den Vibe ihrer Songs auch live gut umzusetzen. Der Setlist-Fokus lag auf dem 2021-Album, welches tatsächlich (zum Glück ohne die Skits) komplett gespielt wurde. Zuvor hätte ich noch gedacht, dass mich die Platte in voller Länger überfordern würde (so wie sie es auch oft beim Anhören daheim getan hat), aber aufgrund des perfekten Pacings war der Gig super kurzweilig. Richtig war mMn auch die Entscheidung, alle Songs vor "GREY Area" aus dem Set zu schmeißen. Sie haben mich zwar nie gestört, aber so wirklich konnten sie meine Aufmerksamkeit nicht fesseln. Die späteren Produktionen von Inflo sind einfach auf einem komplett anderen Level und das, was das Publikum von ihr hören möchte. Von der neuen Platte wurde übrigens kein Song gespielt. Stattdessen gab es im Encore mit "Moving Alone" jedoch einen anderen völlig neuen Song und nach dem Hören kann ich nur sagen, dass die nächste Little Simz-Platte anders wird: Autotune, UK-Drill-Beat, ein Feature, was nach 070 Shake klang und ein Song, dessen Energielevel sich nach und nach immer höher schraubt, ohne die versprochene Ekstase ganz einzulösen. Klang auf jeden Fall super spannend und die Dame scheint von ihrem Song auch sehr überzeugt zu sein, weil er direkt danach noch ein zweites Mal gespielt wurde. Den Abschluss gab es dann mit "Venom", wo das Publikum nochmal am meisten ausgerastet ist. Mir gibt der Song nicht so viel. Vermittelt für mich immer solche Vibes, wie wenn jemand meint, Eminems "Rap God" wäre der beste Hip-Hop-Song aller Zeiten. Soll aber den großartigen Gig nicht schmälern. Definitiv ein Highlight des Jahres, aber ich hatte ehrlicherweise auch nichts anderes erwartet.
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Am 29.11. war ich bei Stick to Your Guns im Wiesbadener Schlachthof. War hier mehr als Begleitung, weil einige Freunde von mir hinwollten. Wie bei Sammy war auch Knocked Loose der Hauptgrund meines Erscheinens, die ich beim Full Force aus Erschöpfungsgründen nicht richtig wertschätzen konnte. Ich hatte im Vorfeld mit einem Ausverkauf gerechnet, im Endeffekt war es aber "nur" ziemlich gut gefüllt. War aber entspannt, weil man so vor den Shows immer schnell nach vorne kam. Waren zum Glück auch keine unangenehmen Leute am Start.
Bei Soul Blind hatte ich zum ersten Mal 3 Tage vor dem Konzert reingehört und direkt gedacht "wow, verdammt geil". Die 90s sind hier auf jeden Fall zurück, schöne Alt-Metal-Vibes, hier und da ein bisschen Shoegaze, beim Sänger klingt etwas Higher Power durch und der ganze Sound lässt Fans von Quicksand und vor allem Deftones direkt hellhörig werden. Auf dem Papier genau mein Ding, auf Platte ebenfalls, auch wenn man manchmal die Vorbilder etwas ZU genau durchhört (bei einem Song warte ich die nur darauf, dass Chino mir sein "thiiiiiiis tooown don't feel miiiiiiine" entgegenschleudert). Was das jetzt alles mit Hardcore zu tun hat? Das haben sich vor Ort auch einige Leute gefragt. Stimmung kam auf jeden Fall keine auf. Zur Verteidigung der Leute muss man aber auch sagen, dass die Stimme des Sängers live echt nicht so geil klang und die Songs dadurch alle ziemlich ähnlich rüberkamen. Sehr schade, würde ich vor anderem Publikum aber nochmal ne Chance geben und die Platte wird bei mir noch häufiger laufen.
Danach gab es Metalcore aus Frankreich mit den Jungs von LANDMVRKS, die gerade in der Szene einen ziemlichen Hype haben. Könnte mir gut vorstellen, dass die ihre nächste Solo-Tour auch schon in der gleichen Halle spielen. Mit "Lost in a Wave" haben die einen ziemlichen Ohrwurm am Start, die restlichen Songs fallen für mich größtenteils in die Kategorie Metalcore-Einheitsbrei. Die Besonderheit der Band sind vereinzelt eingestreute Hip-Hop-Parts auf französisch, die mich aber auch nicht wirklich abgeholt haben. Die Band wurde aber krass abgefeiert, der Pit war eigentlich durchgehend offen.
Knocked Loose im Anschluss war Abriss pur und genau das, was ich mir erhofft hatte. Ein Breakdown jagt den nächsten, die Riffs klingen fies, der Sänger schreit sich die Seele aus dem Leib. Einfach wunderschön. Bin eigentlich nicht mehr so der Pit-Gänger, aber bei so einer Band kann man einfach nicht unbeteiligt rumstehen. War zum Glück auch alles relativ gesittet, sodass man keine Angst um sein Leben haben musste. Als einmal etwas Platz in der Crowd war, wurden ein paar Kicks verteilt, aber auch wieder aufgehört, als es wieder enger wurde. Finde auch faszinierend, wie viele Leute diese Band anzieht. Die Stimme des Sängers ist super gewöhnungsbedürftig (ein Kumpel hat sich die ganze Show gar nicht gegeben), die Songs laufen gefühlt strukturlos von einem Part in den nächsten, also eigentlich nix für den Core-Mainstream. Ich fands gerade als Causal-Hörer super. Ohne Absperrung wäre es mir vielleicht zu wild gewesen (wobei ich doch etwas neugierig auf so eine Art von Show bin).
Stick to Your Guns... joa. Braucht man jetzt nicht viel dazu zu sagen bzw. hat Sammy schon alles geschrieben. Kann man auf Festivals oder als Support mal mitnehmen, aber als Main-Act brauch ich die nicht. Gibt ein paar nette Mitgröhl-Hooks auf der Haben-Seite, dann aber auch viel zu viele elendige Ohohoh-Chöre, die kein Mensch brauch. Mehr Easy Listening geht echt nicht. Ist wohl im seichteren Hardcore-Segment einfach der kleinste gemeinsame Nenner. Die Leute hatten trotzdem ihren Spaß, ich habs mir von der Seite angeschaut. War bei weitem kein schlechter Gig, aber musikalisch juckt mich das einfach nicht.