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Live-Rückblick Konzerte/Festivals 2022

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nilolium
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Re: Live-Rückblick Konzerte/Festivals 2022

Beitrag von nilolium » Fr 6. Jan 2023, 12:27

Ich muss auch sagen, dass der Strokes Gig auf dem Primavera für mich ein ganz besonderer war. Wie wir da, ganz nonchalant, teilweise etwas taumelnd, etwas weiter abseits standen, und wie in der rockdisco genüsslich das Geschehen auf und vor der Bühne sowie Julians Handschuhe kommentiert haben, während einige von uns ganz aufrichtig, andere eher ironisch zu der Musik mitgegangen sind...das waren schon ganz ganz besondere Vibes.

defpro
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Re: Live-Rückblick Konzerte/Festivals 2022

Beitrag von defpro » Fr 6. Jan 2023, 17:39

Was war euer bestes Konzert in diesem Jahr?

Zwei Bands, die ich zuvor nie verstärkt wahrgenommen habe, haben in 2022 ihre 2021 erschienenen Alben betourt, die bei mir im Jahresranking jeweils ganz vorne gelandet sind und sie könnten gegensätzlicher kaum sein: Turnstile und Low.

Turnstile spielten einen ausverkauften Gig im Palladium in Köln und ab dem Opener "MYSTERY" war das die Party des Jahres! Die ganze Halle war ein großer Pit, die Leute hatten Spaß, kein Violent-Dancing, einfach nur toll! Die wenigen Ruhepausen waren dringend notwendig, sonst hätte ich den Gig bestimmt nicht durchgehalten. Die Fans von früher vermissen bestimmt das typische HC-Chaos und auch mir sind kleinere Läden natürlich lieber (bin ich überhaupt kein Fan vom Palladium). Aber die Songs sind einfach gemacht für die große Bühne und die Band fühlt sich dort auch sichtlich wohl.

Low spielten ebenfalls in Köln, aber in der Kulturkirche, also ein komplett anderes Setting. Ich hätte nicht gedacht, dass man die geniale BJ Burton-Produktion von "HEY WHAT", die auch komplett gespielt wurde, live so gut rekreieren kann. So ganz kann ich die Musik von ihnen nicht ganz greifen mit ihrem Noise/Industrial/Drone/Ambient/whatever-Mischmasch, untermalt vom harmonischen Gesang des Ehepaars Parker, aber es gibt wenig, was mich in den letzten Jahren musikalisch so mitgenommen hat. Danach gab es einen Cut und in der zweiten Hälfte des Sets ein Best-of aus dem bisherigen Schaffen der Band. Die Harmonien blieben gleich, der musikalische Unterbau im bandtypischen Slowcore-Stil war jedoch ein komplett anderer. Obwohl ich diese Songs teilweise nicht kannte, war das schon sehr berührend und vor allem für einige ältere Zuschauer:innen neben mir ziemlich emotional. Mit dem Tod von Mimi Parker hat der Gig natürlich noch eine ganz andere emotionale Tragweite, sodass ich froh bin, die Chance für diesen Gig nochmal ergriffen zu haben.

Welcher Act hat euch positiv überrascht, bei dem ihr es vorher gar nicht erwartet hattet oder den ihr vorher gar nicht kanntet?

Da das Primavera gefühlt 5x am Tag den Timetable über den Haufen geschmissen hat, waren einige von mir geplante Gigs auf einmal nicht mehr realisierbar, sodass ich plötzlich bei The Weather Station stand. Ich hatte die 2021-Platte zwar ein paar Mal gehört und fand auch einige Songs ganz cool, aber live hat mich das ziemlich umgehauen, sodass ich zwischenzeitlich sogar die nervigen Beats des Boiler Rooms ignorieren konnte, die während des ganzen Konzerts rübergestrahlt sind. Meine Freundin war auch echt begeistert.

Bei Genesis Owusu (ebenfalls Primavera) kannte ich zwar die Songs und hatte auch ziemlich Bock auf den Auftritt, hatte aber nicht damit gerechnet, was für eine energetisch die Performance hier abgeliefert werden würde. Wer es schafft, mitten in der spanischen Hitze Leute zum Pogo zu überreden, macht irgendetwas verdammt richtig.

Welcher Auftritt hat euch enttäuscht? Und woran lag es?

Wolf Alice in der Kantine Köln war für mich eine mittelschwere Katastrophe. Durch Zugausfälle und Verspätungen kam ich erst 2 Minuten vor Beginn des Haupt-Acts an, war super gestresst und hatte aufgrund des Ausverkaufs einen ziemlich beschissenen Platz direkt neben der Theke mit viel Durchgangsverkehr. Abschalten war nicht möglich, in Gedanken war ich schon meine (zum Glück etwas weniger chaotische) Rückfahrt am Planen. An der Band lag es aber nicht und außer mir hatte auch vermutlich jeder viel Spaß an dem Abend.

Ansonsten ist bei Drain und Vein.fm auf dem Full Force der Funke nicht übersprungen. Der Sound war eher mies, die Luft ziemlich staubig und so richtige Stimmung kam keine auf. War vermutlich auch das falsche Publikum für solche Bands.

Welches Konzert war generell am schlechtesten?

Bei den Gorillaz auf dem Primavera waren die Rahmenbedingungen sehr ungünstig. War unser erster Gig bei den Hauptbühnen und obwohl wir schon während Interpol rein sind, war es super voll und eng und die Stimmung war ebenfalls schlecht. Nach 5 Songs sind wir raus und haben uns weit hinten vor der Video-Leinwand platziert. Da war natürlich abseits der großen Hits auch keine Stimmung und gerade der Mittelteil bestand nur aus (mMn) langweiligen "Plastic Beach"-Random-Tracks. Da haben definitiv einige Sachen von "Demon Days" gefehlt. Ein besserer Platz hätte hier vielleicht etwas geholfen, aber das Ruder bestimmt auch nicht herumgerissen.
Bei Remi Wolf einen Tag später hatte ich mir auch mehr erhofft, auch wenn sie durch ihr Charisma wieder viel wettgemacht hat.

Welcher Act hatte die beeindruckendste Bühnenshow?

Dua Lipa in der Kölner Lanxess-Arena steht natürlich ein paar Stufen über allen. Perfekt durchchoreographierte Show, je nach Song unterschiedliches thematisches Konzept, Outfitwechsel, separate als Disco dekorierte B-Stage eine Schwebeeinlage zu "Levitating" und ein aufblasbarer Riesen-Hummer! Das ist nur schwer zu toppen. Ich habe keinen Vergleich zu anderen Pop-Show-Produktionen, aber das war schon ziemlich beeindruckend und wirkte auch nie zu überladen.

Ansonsten fand ich die Bühnenshows von Low und Fontaines D.C. sehr stimmig umgesetzt. Und Celeste mit ihren roten Stirnlampen boten auch einiges fürs Auge.

Was war der schönste, skurrilste oder verrückteste Live-Moment in diesem Jahr? Wann hattet ihr am meisten Gänsehaut?

Der schönste Live-Moment war bei Fred again.. auf dem Primavera. Seine Songs sind in meinem Kopf so sehr mit der Pandemie und einigen echt beschissenen Tagen und Monaten verknüpft, sodass ich bei "Dermot (See Yourself in My Eyes)" und "Julia (Deep Diving)" echt kurz davor war, loszuflennen. Wenn man einfach realisiert, dass man diese (und viele weitere) Songs, die man zwei Jahre nur beim endlosen Rumliegen daheim hören konnte, jetzt endlich mit vielen Menschen live genießen kann. War glaube ich für viele im Publikum ne emotionale Geschichte. Die Songs triggern das einfach. Meiner Freundin, die zur Musik von ihm vorher gar keinen Bezug hatte, ging es auch ähnlich. Einfach schön, wie Musik nach so vielen Jahren des exzessiven Genusses immer noch sowas mit einem anstellen kann.

Skurril oder anders gesagt einfach nur schlecht war der Auftritt von Jay Electronica auf dem Primavera. Passt eigentlich auch in die Enttäuschungs-Kategorie. Da hat sich vor dem Gig niemand auch nur 2 Minuten Gedanken gemacht, wie man einen für das Publikum zufriedenstellenden Live-Gig umsetzen möchte. Die DJane spielte einfach die Originalaufnahmen, ohne dass die Vocals auch nur minimal gemutet sind und Jay Electronica rappte hin und wieder über drüber, wenn er gerade Lust drauf hatte. Aber eigentlich hatte Jay nicht so viel Lust auf Rappen, sondern schmiss lieber Dinge ins Publikum, u. a. Hut, Sonnenbrille, Klamotten, Teile des Bühnenequipments (!) und seine beiden Mikros (!). Wenn gerade nichts zum Schmeißen verfügbar war, ging er selbst ins Publikum und ließ sich für seine beschissene Performance und dümmlichen Ansagen abfeiern. Irgendwann kam er auf die Schnapsidee, die Leute sollen doch die Barrieren stürmen und zu ihm auf die Bühne kommen; ein Move, der natürlich zielsicher zum Muten des (zu diesem Zeitpunkt noch nicht ins Publikum geschmissenen) Mics und zur Unterbrechung des Auftritts führte. Nach einer gefühlten Ewigkeit waren alle Personen wieder im Publikum (Jay inklusive), es gab noch einen letzten Song und einen immerhin ganz guten Acapella-Part, der auch viel besser klingt, wenn nicht im Hintergrund die Vocals der Originalaufnahme durchblöken. Danach dann Abschied und tschüss und das 30 Minuten zu früh. Muss man mit den ganzen Verzögerungen auch erst mal schaffen. Meine Freundin hat mich nur schief angeschaut und gemeint "Und dafür mussten wir jetzt bei Griff früher abhauen und einmal das halbe Gelände durchqueren?". Ich hatte darauf auch keine passende Antwort mehr. Ami-Rapper ey...

Verrückt (wenn auch nicht einzigartig) war der verstörte Blick des netten Mitte-40-Ehepaars beim Celeste-Konzert in Wiesbaden bei den ersten Tönen der Vorband Conjurer. Ich war durch andere Berichte hier schon vorgewarnt, dass einige Casual-Hörer Opfer dieser Verwechslung geworden sind, aber es macht dennoch besonders viel Spaß, wenn man es live miterlebt. :grin: Immerhin haben sie es mit Humor genommen und immerhin noch brav einen Song der (falschen) Celeste mitgenommen.

Welches Konzert habt ihr verpasst und bereut es im Nachhinein? Warum wart ihr nicht da?

Nach den positiven Berichten hier hätte ich mir gerne die Show von Kendrick Lamar in Frankfurt angesehen, auch wenn mich das neue Album nur vereinzelt überzeugen konnte. Leider habe ich zu lange gewartet und auf sinkende Zweitmarktpreise gehofft. Im Endeffekt war die Show sold out, im Netz gab es nichts mehr zu vertretbaren Preisen. Ich bin trotzdem zur Halle gefahren und abgesehen von 2 zwielichtig aussehenden Typen wollte einfach niemand sein Ticket loswerden, sodass ich enttäuscht wieder den Heimweg antreten musste.

Mein 2019 erworbenes Rammstein-Ticket für Zürich musste ich schweren Herzens wieder verkaufen, weil meine Mitfahrer alle abgesprungen sind. Wäre mir alleine zu weit gewesen und es war eh schon eine stressige Phase.

Ebenfalls verkaufen musste ich mein Graspop-Ticket, weil einer meiner besten Freunde dort seinen JGA (der eigentlich mehr ein Kurzurlaub war) gefeiert hat. Gerade auf eine Deftones-Show mit dem starken letzten Album hatte ich mich sehr gefreut. Im Endeffekt lag ich während des JGA mit Corona im Bett. War also eh alles egal. :lol:


Hab eh schon zu viel geschrieben. Daher hier noch mein restliches Live-Ranking im Spoiler:
► Text anzeigen
Probs gehen wie immer an den Schlachthof Wiesbaden raus, die wie in jedem Jahr mit sehr starkem Booking überzeugen konnten. Ich plane, es in diesem Jahr showtechnisch etwas ruhiger angehen zu lassen. Mal schauen, was von diesem Vorsatz im Endeffekt übrig bleiben wird, da mittlerweile auch schon ein Festival und 8 Shows fest eingeplant sind. Wird bestimmt wieder ein schönes Konzertjahr 2023. :smile:

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Taksim
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Re: Live-Rückblick Konzerte/Festivals 2022

Beitrag von Taksim » So 8. Jan 2023, 10:36

defpro hat geschrieben:
Fr 6. Jan 2023, 17:39

Ansonsten fand ich die Bühnenshows von Low und Fontaines D.C. sehr stimmig umgesetzt. Und Celeste mit ihren roten Stirnlampen boten auch einiges fürs Auge.
Fontaines D.C. machen eine große Bühnenshow? Hätte ich jetzt gar nicht gedacht, von der Musik und Attitüde hätte ich geschätzt, die spielen es eher straight.
defpro hat geschrieben:
Fr 6. Jan 2023, 17:39

Verrückt (wenn auch nicht einzigartig) war der verstörte Blick des netten Mitte-40-Ehepaars beim Celeste-Konzert in Wiesbaden bei den ersten Tönen der Vorband Conjurer. Ich war durch andere Berichte hier schon vorgewarnt, dass einige Casual-Hörer Opfer dieser Verwechslung geworden sind, aber es macht dennoch besonders viel Spaß, wenn man es live miterlebt. :grin: Immerhin haben sie es mit Humor genommen und immerhin noch brav einen Song der (falschen) Celeste mitgenommen.
Das ist immer noch zu herrlich :lol:
"I don't know."

defpro
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Re: Live-Rückblick Konzerte/Festivals 2022

Beitrag von defpro » Di 10. Jan 2023, 10:18

Taksim hat geschrieben:
So 8. Jan 2023, 10:36
defpro hat geschrieben:
Fr 6. Jan 2023, 17:39

Ansonsten fand ich die Bühnenshows von Low und Fontaines D.C. sehr stimmig umgesetzt. Und Celeste mit ihren roten Stirnlampen boten auch einiges fürs Auge.
Fontaines D.C. machen eine große Bühnenshow? Hätte ich jetzt gar nicht gedacht, von der Musik und Attitüde hätte ich geschätzt, die spielen es eher straight.
Nee, war einfach nur ne normale Lichtshow. Hatten aber auch ne eigene Licht-Installation auf der Bühne. Das war schon ziemlich songdienlich umgesetzt.

rogerhealy
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Re: Live-Rückblick Konzerte/Festivals 2022

Beitrag von rogerhealy » Fr 13. Jan 2023, 16:40

akropeter hat geschrieben:
So 25. Dez 2022, 22:57
Was war euer bestes Konzert in diesem Jahr?
Dinosaur Jr. auf dem Primavera. Schöne Location, tolles Wetter, guter Pegel, hervorragende Setlist und die beste aktive Band der Welt auf der Bühne.

Welcher Auftritt hat euch enttäuscht? Und woran lag es?
Yo La Tengo beim Primavera fand ich sehr lahm
Das war bei mir umgekehrt.
Dass ich den Auftritt von Dinosaur Jr. nicht so gut fand, lag aber nicht an der Band, sondern am Drumherum: Als ich kurz vor dem Konzert von der Primavera-Bühne (so hieß sie zumindest früher) runter zu Dinosaur Jr. wollte, war es da schon so voll, dass ich dachte, ich würde nicht einmal einen Platz finden. Am Anfang stand ich recht weit weg, der Sound war nicht optimal und auch, als ich mich irgendwann vorgekämpft hatte, konnte ich das Konzert nicht so richtig genießen, weil ich befürchtete, es würde bei jedem Konzert so abartig voll werden.
Nachdem ich dann nach 40 Minuten Wartezeit tatsächlich zwei Bier bekommen habe, habe ich mir einen guten Platz für Yo La Tengo gesichert und war von dem Konzert total begeistert. Ich bineigentlich nicht so der Gänsehaut-Typ, aber als sie mit Ohm anfingen und um mich herum Begeisterung ausbrach, war das für mich der Moment, in dem das Festival richtig begann.
Und danach dann zu Pavement. Ob die nun da oder in Bremen besser waren...ich weiß es nicht. Da muss ich den Titel "Konzert des Jahres" wohl doppelt vergeben.

Ach ja:
Nach dem schlechtesten Konzert und dem skurillsten Moment wurde hier ja auch gefragt. Das war für mich jeweils Magdalena Bay (auch beim Primavera). Ich wollte mir einen guten Plarz für Ride sichern und stand weit vorne, ohne zu wissen, wer da eigentlkich vorher noch spielen würde. Was dann kam, war eine Art Fiebertraum, in dem eine Blümchen-Revival-Band beim NDR-2-Open-Air in Uelzen Probleme mit dem Playback hatte. Waren zum Glück nur 40 Minuten. Und der Moment, als die Technik dann tatsächlich wieder funktionierte, sorgte auch bei denen, die unter der Darbietung sehr litten, für einen kleinen Jubelschrei.


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