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Das Album des Monats

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fipsi
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Das Album des Monats

Beitrag von fipsi » Do 17. Jan 2019, 00:29

Ein neues Jahr bricht an und es gibt immer bestimmte Vorsätze. Ich habe mir vorgenommen ganz genau zu beobachten, welches Album mich einen Monat lang am meisten begleitet und geprägt hat. Dabei spielt es keine Rolle, ob es das neue Album der Lieblingsband ist oder ein Klassiker der Musikgeschichte. Über dieses Album will ich dann einen kleinen Text schreiben, der als Rückblick und Empfehlung dienen soll. Vielleicht habt ihr daran ebenso Interesse oder lasst euch einfach inspirieren.

Den Beginn machen wir am besten mit dem Dezember 2018. Welches Album war für den letzten Monat besonders prägend? Habt ihr durch die Album des Jahres Wahl noch ein Schatz gefunden oder habt ihr ganz besondere Weihnachtsmusik gehört?

down
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Re: Das Album des Monats

Beitrag von down » Do 17. Jan 2019, 08:55

Bei mir glaub Pabst - Chlorine. Spät entdeckt, aber geiler Sound!

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Quadrophobia
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Re: Das Album des Monats

Beitrag von Quadrophobia » Do 17. Jan 2019, 09:08

Bei mir wars das Ex: Re Album, das so richtig an mich herangewachsen ist. Im Dezember hab ich aber generell nicht sooo viel Musik gehört.

Gelöschter Benutzer 408

Re: Das Album des Monats

Beitrag von Gelöschter Benutzer 408 » Do 17. Jan 2019, 12:02

Über dieses Album will ich dann einen kleinen Text schreiben, der als Rückblick und Empfehlung dienen soll.
Es geht hier, denke ich, ein bisschen um eine Minirezension / Empfehlung. Nur sagen, was man viel gehört hat ist zwar ein guter erster Schritt, aber der Anspruch des Threads geht darüber hinaus. :smile:

Vorbild ist da eher so der Konzertberichte-Thread.

fipsi
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Re: Das Album des Monats

Beitrag von fipsi » Do 17. Jan 2019, 13:03

Quadrophobia hat geschrieben:
Do 17. Jan 2019, 09:08
Bei mir wars das Ex: Re Album, das so richtig an mich herangewachsen ist. Im Dezember hab ich aber generell nicht sooo viel Musik gehört.
Im Dezember bin ich auch immer zu sehr damit beschäftigt nochmal alle Alben des Jahres nachzuholen, die für die Liste in Frage kommen.

Dennoch habe ich ziemlich oft Nach uns die Sintflut von den Ärzten gehört. Durch die Veröffentlichungen bei Spotify habe ich mich wieder mehr mit der Band meiner Jugend auseinandergesetzt. Es ist sehr interessant wie das Gesamtwerk mit etwas Distanz wirkt. Die Sintflut stellt sich dabei einfach als perfektes Best Of der Frühphase heraus, die mich wohl auch noch heute am meisten anspricht. Durch die Livemitschnitte auf dem Album wirkt das alles greifbar zu den Erfahrungen, die ich mit der Band schon bei Konzerten gemacht habe. Zudem vergeht die Spielzeit so schnell durch die grandiose Setlist und die auf den Punkt gebrachten Songs. Da gibt es kaum unnötige Abschweife und wenn sind sie von dem typischen Humor der Band geprägt. Als besonderes Highlight stellt sich für mich besonders Buddy Holly's Brille heraus. Der Nostalgiefaktor ist enorm und ich weiß beim Hören sofort wieder, warum ich diese Band vor gut 10 Jahren so sehr liebte.

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Cris
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Re: Das Album des Monats

Beitrag von Cris » Do 17. Jan 2019, 19:16

Bei mir ist es auch Ex:Re, was mich die letzten Wochen am meisten begleitet hat. The Good, The Bad & The Queen dahinter.

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Cris
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Re: Das Album des Monats

Beitrag von Cris » Do 17. Jan 2019, 19:18

fipsi hat geschrieben:
Do 17. Jan 2019, 13:03
Quadrophobia hat geschrieben:
Do 17. Jan 2019, 09:08
Bei mir wars das Ex: Re Album, das so richtig an mich herangewachsen ist. Im Dezember hab ich aber generell nicht sooo viel Musik gehört.
Im Dezember bin ich auch immer zu sehr damit beschäftigt nochmal alle Alben des Jahres nachzuholen, die für die Liste in Frage kommen.

Dennoch habe ich ziemlich oft Nach uns die Sintflut von den Ärzten gehört. Durch die Veröffentlichungen bei Spotify habe ich mich wieder mehr mit der Band meiner Jugend auseinandergesetzt. Es ist sehr interessant wie das Gesamtwerk mit etwas Distanz wirkt. Die Sintflut stellt sich dabei einfach als perfektes Best Of der Frühphase heraus, die mich wohl auch noch heute am meisten anspricht. Durch die Livemitschnitte auf dem Album wirkt das alles greifbar zu den Erfahrungen, die ich mit der Band schon bei Konzerten gemacht habe. Zudem vergeht die Spielzeit so schnell durch die grandiose Setlist und die auf den Punkt gebrachten Songs. Da gibt es kaum unnötige Abschweife und wenn sind sie von dem typischen Humor der Band geprägt. Als besonderes Highlight stellt sich für mich besonders Buddy Holly's Brille heraus. Der Nostalgiefaktor ist enorm und ich weiß beim Hören sofort wieder, warum ich diese Band vor gut 10 Jahren so sehr liebte.
Habe die Sintflut auch auf dem Weg nach Paris vor 3 Wochen mit ganz viel Freude nach vielen Jahren bei Spotify gehört

Gelöschter Benutzer 408

Re: Das Album des Monats

Beitrag von Gelöschter Benutzer 408 » Do 17. Jan 2019, 19:36

Cris hat geschrieben:
Do 17. Jan 2019, 19:16
Bei mir ist es auch Ex:Re, was mich die letzten Wochen am meisten begleitet hat. The Good, The Bad & The Queen dahinter.
(und die neue Twilight Sad)

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Re: Das Album des Monats

Beitrag von glutexo2000 » Fr 18. Jan 2019, 17:58

Bei mir war es Lucy Dacus. Perfekt für die Jahreszeit. Genauso wie We Invented Paris. Die sackte bei mir allerdings im Gegensatz zu Historians schnell ab.

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Re: Das Album des Monats

Beitrag von fipsi » Do 31. Jan 2019, 12:02

Das Album des Januars war für mich wieder ein Livealbum. Zahlreiche User aus dem Forum waren bei den Aufzeichnungen in Leipzig dabei und sorgten dafür, dass es so besonders war. Nachtbrot von Turbostaat bietet alles, was ich an der Band so liebe. Ich bin nicht der größte Fan im Vergleich zu anderen Foristen, aber live ist das immer wieder sehr überzeugend und diese Stimmung wird perfekt auf das Album übertragen. Dabei klingen selbst ältere Songs besser als auf den Originalplatten und bereichern so dieses einmalige Best-Of. Am Ende jedes Durchgangs kommen die Erinnerungen an die wunderbaren Abende im Conne Island auf. Was besseres hätte ich nicht erwarten können.

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Re: Das Album des Monats

Beitrag von LongNose » Mi 27. Feb 2019, 14:04

Das meistgehörte Album im Februar war für mich Tanukichan - Sundays.
Wurde letztes Jahr releaset, am One of a Million Festival live entdeckt und seither läuft es regelmässig. Dream Pop mit Shoegaze Einflüssen und wunderbar passender Stimme der Leadsängerin. Funktioniert sowohl bei grauen kalten Tagen als auch wie heute bei sonnigem, angenehm warmen Wetter. Wäre wohl in meiner Top 10 Liste gelandet hätte ich die Band vorher schon gekannt.

Tanukichan - Natural
Ehemals: IndieDance
http://ooam.ch/

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Re: Das Album des Monats

Beitrag von MairzyDoats » Di 8. Okt 2019, 14:23

Schade, dass dieser Thread hier noch nicht angenommen wurde, aber was nicht ist, kann ja noch kommen wa

Ich mach mal weiter mit "Ich glaub dir alles", dem aktuellen Album von Die Höchste Eisenbahn, das mich seit knapp zwei Monaten begleitet. Fand die Band vorher immer so ganz okay. Bei dem Releasekonzert hat mich eher das familiäre Ambiente mit Rotwein, Käsespätzle und netten Leuten abgeholt als die Musik. Und da das Album in einer Zeit kam, die privat eher scheise war, hat mich dieser meist gut gelaunte, verspielte Stil ja eher genervt. Alles hier ist aufregend und neu ja leck mich doch alles ist eher neu und scheise grad, geht weg mit den Kinderstimmen in Kinder der Angst und ich mach eure scheiß roten Luftballons kapott und hör The National alder.

Na ja, dann war privat wieder geiler und plötzlich war das Album auch geil. Uff, so toll einfach. Alles ist plötzlich doch aufregend und neu. Das wirkt zwar so naiv verspielt, aber die Melancholie ist in so kleinen Nuancen zu spüren und die Texte wachsen total. Der Wechselgesang von Francesco und Moritz kommt richtig gut und man entdeckt jedes Mal was Neues. Da ist kein Song mehr drauf, der mich nervt, "Derjenige", "37,5 Grad" und "Umsonst" haben es mir gerade besonders angetan, aber das rotiert auch. Richtig gutes Ding mit einem sehr interessanten schlechten Start für mich. Das wandert in meine Top 10 meine Freunde. :smile:

So und jetzt lasst uns diesen schönen Thread mal nach vorne boxen hehe
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Re: Das Album des Monats

Beitrag von fipsi » Sa 26. Okt 2019, 11:11

Dann möchte ich auch noch über ein paar Highlights der letzten Wochen schreiben.

Über Norman Fucking Rockwell von Lana del Rey muss ich eigentlich gar nichts mehr großartig schreiben. Endlich kann sie mich zu 100% auf Albumlänge überzeugen und selbst nach einigen Wochen gibt es immer noch was zu entdecken.

Zudem läuft ziemlich häufig das Debüt der Highwomen. Dabei handelt es sich um ein gemeinsames Projekt von Maren Morris, Brandi Carlile, Natalie Hemby und Amanda Shires (mit Hilfe ihres Ehemanns Jason Isbells).
Musikalisch wird ein toller klassischer Countrysound geboten, der allen Künstlerinnen ihren Moment auf dem Album bietet.
Ich hätte mir zwar anfangs etwas mehr erhofft, aber mittlerweile ist es echt gut gewachsen.

Kim Petras hat zudem ein zweites Album dieses Jahr veröffentlicht, welches sich als Fortsetzung der Turn Off the Light EP versteht. So sind auch alle Songs dieser EP enthalten und mit weiteren Songs zu einem Album ausgebaut.
Thematisch wie musikalisch wird Halloween bearbeitet in einem kräftigen Popsound, den sich heute kaum noch jemand traut.
Besonders der Anfang gehört zu den Highlights des Jahres. Der Übergang von Purgatory zu There Will Be Blood ist ganz groß.
Gefällt mir jedenfalls auf Albumlänge besser als ihr Debüt Clarity.

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MairzyDoats
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Re: Das Album des Monats

Beitrag von MairzyDoats » Mi 11. Dez 2019, 12:02

Ganz vergessen, dass ich letzte Woche als ich krank war im Fieberwahn noch eine Liebeserklärung an ein Album geschrieben habe, die ich euch nicht vorenthalten will hehe. Fast zwei Monate sind jetzt ins Land gestrichen, seit "There Existed An Addiction To Blood" von clipping. rausgekommen ist, - kann man ja vielleicht schonmal sagen - mein Rap-Album des Jahres. Und da kann man ja gerne mal was zu schreiben.

Im Kontext von Halloween erschienen, ist das Horror-Thema hier Programm. Der Opener "Nothing Is Safe" baut mit seinem perkussivem Piano eine bedrohliche Atmosphäre auf, die als eindeutige Hommage an John Carpenter erinnert, während Daveed Diggs in seinem Rap ebenso einen gelungenen Spannungsbogen nur über die Metrik aufbaut. Schön toll. Aber lasst uns doch mal nicht über diese offensichtlichen Horror-Komponenten reden, oder? Denn das haben viele Reviews schon getan.
Es ist vielleicht eines dieser Alben, bei denen ich vor allem enttäuscht von den Reviews bin. Nicht, weil sie das Album nicht gut finden, das ist ja deren Sache. Aber ich finde es weird, dass kaum eine Rezension einen der meiner Meinung nach wichtigsten Aspekte dieses Horror-Konzepts sehen will. Während immer wieder darüber gesprochen wird, welche spooky themes hier aufgegriffen werden, dass hier brutale Geschichten erzählt werden und Werwölfe und Vampire vorkommen, wird ständig versäumt, auf den doppelten Boden in den Texten aufmerksam zu machen. Ebenso wie im Horror-Genre üblich, in dem die fantastischen Gestalten wie Vampire oder Zombies häufig aus realen Ängsten entwachsen sind, fußt auch hier der Horror mitten in der Realität.

Es wird zwar schon mal genannt, dass es in "Nothing Is Safe" um ein Traphouse geht, das von der Polizei belagert wird, aber dabei bleibt es dann auch meistens. Der Horror in "There Existed An Addiction To Blood" ist ein ganz alltäglicher und das macht das Album für mich so stark. In "He Dead", einem Song über einen Menschen auf der Flucht, geht es direkt weiter mit Polizeibrutalität. Textzeilen wie "They don't think you matter", "add you to the number" und "They hunt as a pack and they packin' more firepower than you ever imagined" sprechen eine ziemlich deutliche Sprache von dem Machtverhältnis gegenüber der Polizei, "When they screamin' out murder, they lookin' for you / They always lookin' for you, why the fuck they always lookin' for you?" ruft Racial Profiling auf den Plan.
Der Song "La Mala Ordina" zeichnet ein glorifiziertes 'Gangster'-Narrativ, das von einer brutalen Realität konterkariert wird, fängt schon an mit "The bags on the table ain't for weight [Kokain], they for body parts" und "Talking bout your life's a movie when the party start [...] / But you ain't pick a genre, lil' bitch that wasn't hardly smart" – das hier ist kein Gangster-Streifen, sondern ein Horrorfilm. Ähnlich geht es in "Club Down" weiter, dem wohl musikalisch düstersten Track auf dem Album. Während die Kommentare unter dem YouTube-Video sich in Daughters-, Death Grips- und Dälek-Vergleichen üben, zeichnet Daveed Diggs über verzerrte Beats und Schreie die dunkle Realität eines runtergerockten Ghettos (und zitiert dabei unter anderem aus Winnie Pooh). Den Höhepunkt findet das Album im titelgebenden Track "Blood Of The Fang", in dem es immer wieder um die "Addiction To Blood" geht, um ein Zitat aus dem Horror-Film "Ganja & Hess" gebaut, während der Track zugleich auch die Geschichte und die wichtigen Akteure im Kampf gegen Rassismus rekapituliert. Das ist eine ambitionierte Aufgabe, die überraschend gut aufgeht. Nicht nur ist es einer der stärksten Tracks, inhaltlich bringt es so vieles unter einen Hut. Allein die Blutmetapher fächert in so viele Facetten auf – die Horror-Komponente von Blut-Addiction als Lebenselixir und damit verbundene Vampir-Metapher aus dem Film; die Lust nach dem nie zu enden scheinenden Blutvergießen ("Look back, blood on the ground /[...]/ Look straight, they still shootin'"); und nicht zuletzt ist der Rassismus selbst ja auch eine 'Addiction To Blood', fußt die 'Rassentheorie' doch in großen Teilen auf Blut, eine Denke, die bis heute im Rassismus verankert ist. Dazu kommt eine Geschichtsstunde über Angela Davis, Malcolm X, George Jackson und viele mehr, die in verschiedenen Ansätzen und Zitaten ihren Teil im Kampf gegen Rassismus geleistet haben.

Nicht jeder Track hat so einen Unterbau, "Story 7" zum Beispiel ist ein weiterer Teil in Clippings Release-übergreifendem Narrativ aus verschiedenen Geschichten, die sich mal mehr, mal weniger subtil aufeinander beziehen und klassischerweise auch Höhepunkte der Releases sind. (Story 3 und 6 sind bis jetzt noch nicht erschienen). Der siebte Teil ist wieder einmal großartig und lässt mich ein bisschen fragen, warum Clipping nicht noch mehr mit Rhythmus- und Tempo-Wechseln arbeitet, weil das wieder einmal verdammt gut aufgeht.
"The Show" ist ebenfalls einer der stärksten Tracks und handelt augenscheinlich von Snuff-Videos im Internet und ist dementsprechend ziemlich grafisch und brutal, während Daveed Diggs die Lines verhältnismäßig emotionslos rüberbringt. Diese innerlich tote und naive Delivery der Zeile "Say bro, why's your skin on the flo'?" muss man auch erstmal hinbekommen. Und der Closing Track erst, ein 18-minütiges Monster namens 'Piano Burning', in dem man einem Piano beim Verbrennen zuhört. (Okay, das ist eher ein Witz, den hab ich selbst erst so drei Mal gehört. :smile: )

Also long Story short: Eins meiner liebsten Alben des Jahres, ein richtiger Grower trotz dem richtig guten ersten Eindruck. Ich kann empfehlen, sich da mal durchzukämpfen, auch wenn es Clipping mit den teils sehr minimalistischen bis ohrenbetäubend mit Störgeräuschen verzerrten Instrumentals den Hörenden da nicht so wirklich leicht macht. Recht zugängliche Anspieltipps für den Anfang: "Nothing Is Safe", "Blood Of The Fang", "The Show", "La Mala Ordina", "He Dead".
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Re: Das Album des Monats

Beitrag von fipsi » Mi 11. Dez 2019, 19:55

Ich habe in letzter Zeit intensiver das zweite Album von Charly Bliss namens Young Enough gehört. Normalerweise ist klassischer Indierock nicht so sehr meins, aber hier bleiben so viele Songs hängen. Besonders zum Ende hin zeigt das Album sehr große Stärken. Chatroom, Hurt Me und Hard to Believe hintereinander gehören zu der stärksten Abfolge auf einem dieses Jahres. Diese Songs unterstreichen die Vielseitigkeit und nötige Kohärenz für ein Album hervorragend. Die Gitarren liefern so schöne eingängige Melodien, die einfach ein toller Kontrast zur Stimme von Sängerin Eva Hendricks sind. An den richtigen Stellen gelingt immer wieder eine gelungene Pause durch ruhigere Songs, die aber nie als Füllmaterial wirken. Wirklich ein tolles Album.

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Taksim
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Re: Das Album des Monats

Beitrag von Taksim » Mo 16. Dez 2019, 00:26

Wie sich jetzt in den vielen Bestenlisten zeigt - von fipsi ja auch schon hervorgehoben - hat sich die Perspektive auf Lana del Rey im Laufe des Jahrzehnts extrem gewandelt, so dass sie jetzt völlig unbestritten zu einer der einflussreichsten Künstlerinnen dieses Jahrzehnts gehört. Wenn ich jetzt zurückblicke, bin ich selber etwas verwundert, dass ich von einigen Künstlerinnen, die ich liebe und deren Erfolg durch ihren Durchbruch erst ermöglicht wurden, wie Lorde und Billie Eilish, sofort begeistert war, ich mich bis zu diesem Jahr mit ihren Output aber nie eindringlich beschäftigt habe. Noch verwunderlicher, da ich doch alle Singles immer super fand. Tatsächlich ist es für mich ein signifikanter Moment als "Video Games" rauskam, dass ich als junger ideologisch verbohrter Musikfan, der natürlich Pop nie gut finden konnte, feststellte, dass da ein Song auf der #1 in den deutschen Singlecharts war, den ich richtig, richtig gut fand.
Das hat die Tür in meiner musikalischen Sozialisation hin zu Pop das erste Mal geöffnet, sodass ich später das Genre als ganzes differenzierter sehen konnte und kann.
Als dann aber im Frühjahr die Vorabsongs zu "Norman Fucking Rockwell" rauskam hatte sie meine Aufmerksamkeit aber gleich. Vor allem "The Greatest" hatte es mir früh angetan. Das Album hat mir dann so die Schuhe ausgezogen, dass ich mich spätestens jetzt dringend mit der Karriere dieser Dame auseinandersetzen musste. Was zu meinem Album dieses Monats führt, das eindeutig Ultraviolence ist.
Dieses Album zementiert für mich ihren Stellenwert nochmal doppelt und dreifach.
Ein nostalgisches Sounddesign prägt diese Platte noch um einiges mehr als das aktuelle Werk. Jeder Song klingt nach einem verwaschenen Polaroid. Auf der Grundlage, die sich konstant durchzieht und doch immer durch verschiedene Details ergänzt wird, wie eine Westerngitarre, die von Produzent Dan Auerbach immer wieder aufblitzt oder der typische G-Funk Synthie-Sound im letzten Chorus von "West Coast", präsentiert Lana del Rey eine Wahnsinnsmelodie nach der nächsten. Stimmlich zeigt sich entgegen ihres Rufs eine schöne Bandbreite, von ihrem typisch unterkühlten Femme Fatale-Sound, zu einem trotzigen Ton bis hin zu den Momenten, wo sich ihre Stimme in Falsetto-Höhen schraubt.
Durch den Retro-Sound, der durch den Groove und den mitreißenden Rhythmus aber immer zeitgemäß klingt, ist es sowieso alles unheimlich cool, was durch ihre ziemlich einzigartige Delivery noch getoppt wird. Bis heute schreibt sie Texte, die einfach entwaffnend nonchalant sind. Es ist genau der Aspekt, das alles so durchgestylt ist, was ihr anfangs so viel Kritik eingebracht hat, der ihr erlaubt verschiedene Rollen einzunehmen und Songs wie "Money Power Glory" oder "Fucked my Way up to the Top" überhaupt erst möglich macht.
Wirklich ein ganz tolles Album, wo ich den kick durch die aktuelle Platte gebraucht habe. Sonst hätte das wohl noch gedauert, bis ich das für mich entdeckt hätte.
Zuletzt geändert von Taksim am Mo 16. Dez 2019, 00:55, insgesamt 3-mal geändert.
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Declan_de_Barra
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Re: Das Album des Monats

Beitrag von Declan_de_Barra » Mo 16. Dez 2019, 00:29

Taksim hat geschrieben:
Mo 16. Dez 2019, 00:26
Wie sich jetzt in den vielen Bestenlisten zeigt - von fipsi ja auch schon hervorgehoben - hat sich die Perspektive auf Lana del Rey im Laufe des Jahrzehnts extrem gewandelt, so dass sie jetzt völlig unbestritten zu einer der einflussreichsten Künstlerin dieses Jahrzehnts gehört. Wenn ich jetzt zurückblicke, bin ich selber etwas verwundert, dass ich von einigen Künstlerinnen, die ich liebe und deren Erfolg durch ihren Durchbruch erst ermöglicht wurden, wie Lorde und Billie Eilish, sofort begeistert war, ich mich bis zu diesem Jahr mit ihren Output aber nie eindringlich beschäftigt habe. Noch verwunderlicher, da ich doch alle Singles immer super fand. Tatsächlich ist es für mich ein signifikanter Moment als "Video Games" rauskam, dass ich als junger ideologisch verbohrter Musikfan, der natürlich Pop nie gut finden konnte, feststellte, dass da ein Song auf der #1 in den deutschen Singlecharts war, den ich richtig, richtig gut fand.
Das hat die Tür in meiner musikalischen Sozialisation hin zu Pop das erste Mal geöffnet, sodass ich später das Genre als ganzes differenzierter sehen konnte und kann.
Als dann aber im Frühjahr die Vorabsongs zu "Norman Fucking Rockwell" rauskam hatte sie meine Aufmerksamkeit aber gleich. Vor allem "The Greatest" hatte es mir früh angetan. Das Album hat mir dann so die Schuhe ausgezogen, dass ich spätestens jetzt dringend mich mit der Karriere dieser Dame auseinandersetzen musste. Was zu meinem Album dieses Monats führt, das eindeutig Ultraviolence ist.
Dieses Album zementiert für mich ihren Stellenwert nochmal doppelt und dreifach.
Ein nostalgisches Sounddesign prägt diese Platte noch um einiges mehr als das aktuelle Werk. Jeder Song klingt nach einem verwaschenen Polaroid. Auf der Grundlage, die sich konstant durchzieht und doch immer durch verschiedene Details ergänzt wird, wie eine Westerngitarre, die von Produzent Dan Auerbach immer wieder aufblitzt oder der typische G-Funk Synthie-Sound im letzten Chorus von "West Coast", präsentiert Lana del Rey eine Wahnsinnsmelodie nach der nächsten. Stimmlich zeigt sich entgegen ihres Rufs eine schöne Bandbreite, von ihrem typisch unterkühlten Femme Fatale-Sound, zu einem trotzigen Ton bis hin zu den Momenten, wo sich ihre Stimme in Falsetto-Höhen schraubt.
Durch den Retro-Sound, der durch den Groove und den mitreißenden Rhythmus aber immer zeitgemäß klingt, ist es sowieso alles unheimlich cool, was durch ihre ziemlich einzigartige Delivery noch getoppt wird. Bis heute schreibt sie Texte, die einfach entwaffnend nonchalant sind. Es ist genau der Aspekt, das alles so durchgestylt ist, was ihr anfangs so viel Kritik eingebracht hat, der ihr erlaubt verschieden Rollen einzunehmen und Songs wie "Money Power Glory" oder "Fucked my Way up to the Top" überhaupt erst möglich macht.
Wirklich ein ganz tolles Album, wo ich den kick durch die aktuelle Platte gebraucht habe. Sonst hätte das wohl noch gedauert, bis ich das für mich entdeckt hätte.
Ging mir tatsächlich fast EXAKT genauso.

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Re: Das Album des Monats

Beitrag von fipsi » Mo 16. Dez 2019, 00:45

Den Moment mit Video Games kann ich nur unterstreichen. Das war für mich damals eine Offenbarung und ich konnte nicht nachvollziehen, warum bei ihr so eine oberflächliche Betrachtung vorgenommen wurde.

Ultraviolence als Album unterstreicht ein wenig mein Problem mit ihrer Discographie für mich. Jedes Album hat 2-3 Songs***, die bei mir immer wieder laufen. Allein fünf offizielle Alben seit 2012 sind enorm. Dazu kommen noch unfassbar viele offiziell unveröffentliche Songs, die ihren Weg auf YouTube und Co. gefunden haben. Das wirkt auf mich leicht überfordernd, da es wirklich unfassbar viel zu entdecken gibt. Vielleicht muss ich mich doch nochmal intensiver mit den einzelnen Alben auseinandersetzen.

***
Born to Die (2012): Off to the Races, Video Games, Dark Paradise
Ultraviolence (2014): Cruel World, Fucked My Way Up to the Top
Honeymoon (2015): Music to Watch Boys To, High by the Beach, Freak
Lust for Life (2017): 13 Beaches, White Mustang, Heroin

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Taksim
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Re: Das Album des Monats

Beitrag von Taksim » Mo 16. Dez 2019, 00:52

fipsi hat geschrieben:
Mo 16. Dez 2019, 00:45

Ultraviolence als Album unterstreicht ein wenig mein Problem mit ihrer Discographie für mich. Jedes Album hat 2-3 Songs***, die bei mir immer wieder laufen. Allein fünf offizielle Alben seit 2012 sind enorm. Dazu kommen noch unfassbar viele offiziell unveröffentliche Songs, die ihren Weg auf YouTube und Co. gefunden haben. Das wirkt auf mich leicht überfordernd, da es wirklich unfassbar viel zu entdecken gibt. Vielleicht muss ich mich doch nochmal intensiver mit den einzelnen Alben auseinandersetzen.
Auch deshalb sticht mich für mich "Ultraviolence" von ihrem Frühwerk so raus, da ich es sehr konstant finde. Höchstens "The Other Woman" hält nicht ganz mit, aber das liegt auch eher an der prominenten Platzierung am Ende. Da fällt das noch mal mehr auf. Aber der Mittelteil ab "Brooklyn Baby" bis "Fucked my Way up to the Top" ist Hymne auf Hymne.
"I don't know."

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Re: Das Album des Monats

Beitrag von fipsi » Mo 16. Dez 2019, 00:59

Taksim hat geschrieben:
Mo 16. Dez 2019, 00:52
fipsi hat geschrieben:
Mo 16. Dez 2019, 00:45

Ultraviolence als Album unterstreicht ein wenig mein Problem mit ihrer Discographie für mich. Jedes Album hat 2-3 Songs***, die bei mir immer wieder laufen. Allein fünf offizielle Alben seit 2012 sind enorm. Dazu kommen noch unfassbar viele offiziell unveröffentliche Songs, die ihren Weg auf YouTube und Co. gefunden haben. Das wirkt auf mich leicht überfordernd, da es wirklich unfassbar viel zu entdecken gibt. Vielleicht muss ich mich doch nochmal intensiver mit den einzelnen Alben auseinandersetzen.
Auch deshalb sticht mich für mich "Ultraviolence" von ihrem Frühwerk so raus, da ich es sehr konstant finde. Höchstens "The Other Woman" hält für mich nicht ganz mit, aber das liegt auch eher an der prominenten Platzierung am Ende. Da fällt das noch mal mehr auf. Aber der Mittelteil ab "Brooklyn Baby" bis "Fucked my Way up to the Top" ist Hymne auf Hymne.
Ich werde mich nochmal ranwagen.

Bei ihr ist es aber echt faszinierend, wie sehr eine musikalische und künstlischere Entwicklung zu sehen ist. Ihr Songwriting ist mittlerweile so on point und schafft es die edgy-Momente gut runterzuspielen. Inhaltlich sind es eigentlich immer noch die gleichen Themen, weshalb ihr Gesamtwerk sehr kohärent wirkt. Gerade am Anfang hat wohl niemand damit gerechnet, dass eine Frau in der Lage ist so konsequent in eine künstlerische Rolle zu schlüpfen und diese so langfristig mit einem Narrativ zu erfüllen. Mal sehen, ob sie sich irgendwann davon lossagt und wieder mehr zu Lizzy Grant oder einer anderen Persönlichkeit wird und ihre musikalische Bandbreite erweitert. Zutrauen würde ich es ihr.

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Re: Das Album des Monats

Beitrag von defpro » Mo 16. Dez 2019, 13:46

MairzyDoats hat geschrieben:
Mi 11. Dez 2019, 12:02
Ganz vergessen, dass ich letzte Woche als ich krank war im Fieberwahn noch eine Liebeserklärung an ein Album geschrieben habe, die ich euch nicht vorenthalten will hehe. Fast zwei Monate sind jetzt ins Land gestrichen, seit "There Existed An Addiction To Blood" von clipping. rausgekommen ist, - kann man ja vielleicht schonmal sagen - mein Rap-Album des Jahres. Und da kann man ja gerne mal was zu schreiben.

[...]
Sehr schöne Review! Bei mir beginnt es auch so langsam Klick zu machen. Dennoch eine Platte, die man sich erst mal erarbeiten muss.

Gehen die anderen clipping.-Alben musikalisch in eine ähnliche Richtung?

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Re: Das Album des Monats

Beitrag von MairzyDoats » Di 17. Dez 2019, 00:32

defpro hat geschrieben:
Mo 16. Dez 2019, 13:46
MairzyDoats hat geschrieben:
Mi 11. Dez 2019, 12:02
Ganz vergessen, dass ich letzte Woche als ich krank war im Fieberwahn noch eine Liebeserklärung an ein Album geschrieben habe, die ich euch nicht vorenthalten will hehe. Fast zwei Monate sind jetzt ins Land gestrichen, seit "There Existed An Addiction To Blood" von clipping. rausgekommen ist, - kann man ja vielleicht schonmal sagen - mein Rap-Album des Jahres. Und da kann man ja gerne mal was zu schreiben.

[...]
Sehr schöne Review! Bei mir beginnt es auch so langsam Klick zu machen. Dennoch eine Platte, die man sich erst mal erarbeiten muss.

Gehen die anderen clipping.-Alben musikalisch in eine ähnliche Richtung?
Dankeschön! Ja, die anderen Alben sind musikalisch schon so ähnlich. Der Vorgänger "Splendor & Misery" ist das Lieblingsalbum von vielen, was ich auch verstehen kann, das hat bei mir aber schon ne Ecke später Klick! gemacht. Als nächsten Schritt würde ich wohl "CLPPNG" empfehlen, da ist die Dichte an eingängigen Songs am höchsten, würde ich sagen. Ebenfalls interessant ist die "Wriggle EP", überhaupt gibt es auf den Releases zwischen den Alben immer mal sehr coole Songs, zwischendurch hat die Band mit "The Deep" noch eine kleine EP nachgeschoben, der titelgebende Song hat die Autorin Rivers Solomon Novelle zu einer gleichnamigen Novelle inspiriert. :grin:
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Re: Das Album des Monats

Beitrag von Taksim » Mo 25. Mai 2020, 13:21

Ich habe mich diesen Monat insgesamt intensiver mit der frühen Phase von Blur beschäftigt, da die mich nie so vollumfänglich gepackt hatte, mich das aber immer gewundert hatte, da ich die zweite Hälte der Diskographie fantastisch finde und sowieso alles bewundere, was Damon Albarn macht. Jetzt schätze ich auch die "Life"-Trilogie mehr und habe da einige Songs, die ich sehr, sehr mag, aber ein Eindruck, den ich auch vorher hatte, hat sich nun noch mehr zementiert. Nämlich dass 13 mit Abstand das größte Meisterwerk der Band ist.

In gewisser Weise hat es ein Jahr vor Kid A gezeigt, wie eine Band von ihrem Trademark-Sound für wilde Experimente abweichen und sich dabei musikalisch weiterentwickeln kann. Ähnlich wie ich Radiohead mit Kid A entdeckte, was vlt. nicht der einfachste Einstieg ist, für meinen eigenen musikalischen Horizont aber unfassbar wichtig war, war auch 13 das erste Album was ich von Blur hörte. Gerade durch den Trip Hop-Einfluss auf Songs wie "Caramel" und "Battle" merke ich nun wie es schon früh bei mir die Ohren für neue Stile geöffnet hat (ähnlich wie Kid A mit abstrakterer elektronischer Musik). 13 ist dabei viel erratischer und chaotischer als das Radiohead-Album, wo ich bei erneutem Hören aufs neue beeindruckt bin, wie gut die ganzen verschiedenen Ideen und Stile zu einem Gesamtwerk zusammenfinden. Allein die ersten drei Tracks gehen von einem Gospel zu noisy Fuzz-Rock zu dem klassischsten Britpop-Song auf dem Album mit "Coffee and TV". Auch wenn sich die Platte deutlich abhebt, finden sich bekannte Blur-isms, die hier aber so gut funktionieren wie nie, wie z.B. die "La La La"-Parts in "Bugman" oder Graham's Backup Vocals in "Swamp Song".
Zwischen den Songs finden sich dazu kleine Einspieler mit abermals verschiedenen Soundideen. Produzent William Orbit macht seinem Namen alle Ehre und schickt die Band ein ums andere Mal klanglich in den Weltall, mit vielen Bieps und Blupps, dazu hat die Produktion viel mehr Tiefe, Fülle und eben Raum als die Werke vorher. Die eben genannten "Battle" und "Caramel" werden dadurch nochmal auf ein ganz neues Level gehoben. Im zweiten packt Damon Albarn dazu noch seinen Bowie aus im "Love love love"-Part.
Textlich wird Albarn hier auch viel persönlicher als auf den meisten anderen Blur-Platten. So fungiert das Album als Breakup-Platte, da das Ende einer Beziehung in mal prägnanten, mal abstrakten Zeilen erfasst wird, aber besonders klar im (quasi) abschließenden "No Distance Left to Run": I hope you're with someone who makes you feel that this life is a life.

Wer sich bisher nicht eingängiger mit Blur beschäftigt hat, sollte hier definitiv reinhören. Für unsere 90er-Liste sollte die Band ja eh jeder auf dem Zettel haben und da ist dieses Ding ebenso eigentlich Pflicht :smile:
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Re: Das Album des Monats

Beitrag von Taksim » Mi 23. Sep 2020, 11:51

Im Vorfeld der Veröffentlichung der aktuellen Platte und einfach aus Spaß an der Freude habe ich mich mal wieder eindringlicher mit dem Bright Eyes Backcatalogue auseinandergesetzt. So in Gänze war das bei mir schon ne Weile her und für mich war immer nur klar, dass ich fast alle irgendwie mag, aber dass I'm Wide Awake, It's Morning das Überalbum der Band ist (daran hat sich auch nichts geändert).
Jetzt sehe ich das differenzierter und für mich fast etwas überraschend hat sich Cassadaga zu einem weiteren Favoriten von mir gemausert. Der starke Country-Einfluss im Sound mit vielen Fideln und Westerngitarren (die es zwar regelmäßig gibt, auch auf Wide Awake) hatte mich immer etwas abgeschreckt, aber die Songs sind so stark, dass sich der Sound da eigentlich gut einfügt. Seine relative Straightness machte mich auch erst etwas skeptisch, aber ich muss sagen, so sehr die Ausbrüche, Abzweigungen und langen Streams of Consciousness zu der Band gehören, gewinnt dieses Album für mich als Gesamtwerk dadurch gegenüber Lifted oder Fevers and Mirrors(die natürlich auch beide super sind, aber beide präsentieren mehr Ideen als ihnen gut tun).

Angefangen mit dem Intro, was der Tradition der obskuren Einstiege in ein Bright Eyes-Album treu bleibt und im weiteren Verlauf gut die Stimmung vorgibt. Dann folgen auch gleich schon zwei sehr zugängliche Highlights mit "Four Winds" und "If the Brakeman turns my Way". Beide überzeugen vor allem durch Conors intensiven Vortrag in den Refrains, zudem liebe ich den Switch der Stimmen im Call-and-Response im letzten Refrain von "Brakeman". Die Intensität hebt auch den Chorus in "Classic Cars" zwei, drei Level drüber, der könnte sonst schon etwas ins Country-schunkelige abrutschen. Der hat aber mit Gillian Welch ja auch eine sehr prägnante Figur des Genres als Gastsängerin dabei.
Sowieso ist die Mehrstimmigkeit auf der Platte ein ganz, ganz tolles Merkmal! Ein weiters Beispiel dafür ist "Make a Plan to Love Me" wo die engelsgleichen Backgroundstimmen immer mehr empor steigen und den tollen Chorus veredeln. Viel unterkühlter, aber ebenso wirkungsvoll, ist das Doppel in der Strophe von "Coat Check Dream Song".
Dazwischen muss auf jeden Fall noch "Middleman" hervorgehoben werden, wo ein astreines Desertrock-Riff Conor in den Sonnenuntergang reiten lässt.
"No One Would Riot for Less" setzt einen sehr düsteren Punkt, dessen textliche Abhandlung der drohenden Apokalypse dementsprechend dunkel in Szene gesetzt wird, bevor auf "I Must Belong Somewhere" Conor mit der ihm eigenen Mixtur aus tiefer Melancholie und spitzfindigen Humor aufwartet. Mit seinem Aufzählcharakter und den pointierten Bildern erinnert es dabei an "At the Bottom of Everything".

Von vorne bis hinten wirklich ein sehr starkes Album, was bei mir von Durchgang zu Durchgang wächst und momentan ziemlich klar auf #2 hinter I'm Wide Awake, It's Morning rangiert.
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Re: Das Album des Monats

Beitrag von Taksim » Mi 16. Dez 2020, 10:18

Für mich weniger ein Album des Monats sondern eher ein Album des Jahres ist definitiv Elliott Smiths XO.

Der legendäre Songwriter (hier ist das Attribut mal wirklich angebracht) ging aus welchen Gründen auch immer bis zu diesem Jahr immer an mir vorbei. Abgesehen davon, dass ich mir per se seiner Bedeutung natürlich schon bewusst war, häuften sich im Vorfeld die Momente wo er mir auf die eine oder andere Art und Weise wieder unter kam. Ganz stark zum einen durch Phoebe Bridgers, die immer wieder auf ihn als größte Inspiration verweist (und was sich auch in Referenzen in ihren Songs niederschlägt), aber auch Interviews anderer Künstler (gibt auch einen schönen Clip wie Jack Black berichtet, für einen Song bei einem Tribute-Konzert extrem viele Anläufe gebraucht zu haben) bis zu Anspielungen in anderen Medien, wie der Gag in der "Tiny Rick"-Folge von Rick and Morty.

Also machte ich mich Anfang des Jahres auf, mir seine Diskographie langsam zu erschließen. Als erstes richtig gecatcht hatte mich Either/Or, was ich auch immer noch für einen guten Einstieg halte. Die bekanntesten und ebenso viele seiner besten Songs sind darauf zu finden ("Between the Bars", "Angeles"). War von dem gleich so beeindruckt, dass es in meine Top Platten der 90s-Liste kam. Doch jetzt mit mehr Perspektive über all seine Alben muss ich das schon wieder leicht korrigieren und sagen, dass ich XO als noch stärker empfinde.

Das liegt zum einen an seiner Kernstärke der herzzerreißenden, tief tief betrübten Balladen, die all seine Platten prägen. Doch auf dieser sind seine intensivsten vertreten. "Pitseleh" und "Oh Well Okay" vertonen die Unfähigkeit zu verstehen, dass eine Beziehung geendet ist, auf eindringlichste Weise. Dabei gibt es ein ganz tolles Wechselspiel zwischen den traurigen Lyrics und instrumentalen Wendepunkten. Die dramatische Pause nach "Give up what you love...", was in "...no one deserves it" endet, führt zu einer irren Klavierpassage in "Pitseleh" :cry: Und wenn in "Oh Well Okay" die Streicher einsetzen komme ich gar nicht mehr klar :cry: :cry:

Das führt mich zum zweiten Punkt, warum ich diese Platte für seine stärkste halte. Die angesprochene zurückgenommene Instrumentierung, die sein gesamtes Werk prägt, wird hier sehr prägnant und wohldosiert ergänzt. Die Beatle-esquen Streicher in "Oh Well Okay" sind ein Highlight (ebenso toll eingesetzt in "Bottle Up and Explode!"), aber am Ende des Spektrums zeugt "A Question Mark" von der Inspiration der zackigeren Beatles-Nummern. Konkret erinnert es mich mit seinen Bläsern an "Savoy Truffle" vom White Album, aber auch "Got to get you into my life" kann da als Referenz dienen. So einer ist auf den Platten zuvor nicht zu finden.
Üppiger instrumentierte Nummern gibt es auch auf "Either/Or" (die ersten beiden Alben bleiben so ziemlich komplett im Singer/Songwriter-Ambiente). Aber hier sind sie für meine Begriffe noch ausgefeilter und zudem satter produziert. Songs wie "2:45" oder "Cupid's Trick" auf Either/Or leben da mehr von einem rohen Charme, der auch was für sich hat, aber hier liebe ich es wie sich der Refrain im fantastischen Opener "Sweet Adeline" mit Wucht Bahn bricht.
Auf der Deluxe Version gibt es zudem das ganz tolle "Miss Misery", was auch sehr bekannt ist, nicht zuletzt durch seinen Gebrauch in "Good Will Hunting", was ihm damals die ganz große Bühne bei den Oscars bereitete.

Lyrisch geht Elliott Smith auf dieser Platte ebenso neue Wege und öffnet sich neuen Themen, wie zum Beispiel einem ziemlich bösen Kommentar über Amerika oder wie er es nennt "Baby Britain": "For someone half as smart, you'd be a work of art."
Diese lyrischen neuen Weg sowie die Erweiterung der Instrumentierung sollten sich auf den folgenden Platten fortsetzen, zum Beispiel durch vermehrten Orgel-Einsatz auf der ebenfalls ganz tollen Figure 8 oder textlich mit einem Thema wie Serienkiller in "Son of Sam".

So kann ich abschließend nur festhalten, dass sich wirklich jedes Album von ihm lohnt. Überall habe ich eine Menge Lieblingssongs dazugewonnen und bin ich echt froh, dass ich mir seine Diskographie endlich erschlossen habe.
"I don't know."


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