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Primavera Sound 2019

rogerhealy
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Re: Primavera Sound 2019

Beitrag von rogerhealy » Sa 8. Jun 2019, 15:42

Nach der Bekanntgabe des Line-Ups wollte ich eigentlich gar nicht mehr hinfahren. Und als ich dann in aller Ruhe mal bei Rosalia, J.Balvin, Carly Rae Jepsen etc. reingehört habe, hätte ich vor Schreck fast meinen Flug storniert.
Die zahlreichen guten angekündigten Bands und die Tatsache, dass mir kein besseres Urlaubsziel einfiel, ließen mich dann aber doch wieder nach Barcelona fliegen.

Was generell nicht so gut war:
Der Eingangsbereich war ohne Flatstock, Rough Trade und Co kein Highlight mehr. Stattdessen ein Klamotten-Kaufhaus und viele Selfie-Hotspots.
Die NightPro-Bühne war völlig deplatziert; da spielten teilweise Bands vor einstelliger Zuschauerzahl.
Zu kurze Spielzeiten: Interpol nur 70 Minuten, Stereolab 60, Neneh Cherry gar nur 50! Lieber ein paar Bands weniger buchen und dann nicht bei den Spielzeiten knausern.

Was generell gut war:
Das Becher-System! Endlich sah das Gelände nicht mehr so vermüllt aus. Und die Becher mit allen Line-Ups seit 2001 waren dazu noch sehr hübsch, und man konnte in Erinnerungen schwelgen.
Die Begrünung Mordors!
Die Pavement-Bestätigung für 2020.
Die Zeltbühne: Gutes Line-Up. Bei den frühen Konzerten entspannte Atmosphäre, bei den nächtlichen wurde es zu laut und zu heiß. Und das war gut so!

Und die Muisk?
Am Dienstag war Cate Le Bon im Sala Apolo eine angenehme Überraschung. Kannte ich vorher gar nicht. Die Frau hat Starqualität, einen Hauch von Nico...und gute Songs. Ziemlich abwechslungsreicher Auftritt dank permanenter Instrumentenwechsel Ihrer sehr guten Mitmusiker.

Der Mittwoch war öde. Im letzten Jahr mit Spiritualized und Belle & Sebastian der beste Primavera-Auftakt aller Zeiten, in diesem Jahr die ganz flotten Melenas, die zuckrige Hatchie und dann noch Big Red Machine... Ich wusste vorher, dass ich mit diesem Autotune-Gedudel nichts anfangen können würde. Aber ich war nicht der einzige: Nach 20 Minuten strömten sehr, sehr viele Besucher zu den Ausgägen. Ich auch.
Mittwochsheadliner vergangener Jahre (B&S, OMD, Suede) paasten deutlich besser.

Der Donnerstag beginnt mit einem kurzen Besuch bei Soccer Mommy. Nicht schlecht, aber irgendwie egal. Dann lieber zur "Your Heineken Stage", einer Mischung aus Spiegel- und Bierzelt, wo dieses Jahr recht spezielle Bands auftreten durften. Jetzt spielen Aliment Songs der Television Personalities. Innovation geht anders, aber es macht großen Spaß und geht gut ab.
Nach einer halben Stunden geht es die große Treppe rauf und rüber zu Stephen Malkmus & The Jicks: Guter Auftritt, bei dem ein paar ältere Songs nicht geschadet hätten.
Dann wieder Treppe runter: Shonen Knife! Das Publikum ist anfangs noch nicht übermäßig groß, wird aber während des Auftritts immer größer. Die, die kommen, bleiben auch. 45 Minuten Gute-Laune-Punk-Pop-Hymnen dargeboten von hochsympathischen Japanerinnen. Und alle freuen sich.
Dann mein einziger Hauptbühnenbesuch: Leider bin ich so früh da, dass ich die wirklich fürchterliche Musik von Mac Demarco ertragen muss, während ich in der 2.Reihe der gegenüberliegenden Bühne auf Courtney Barnett warte. Immerhin kann ich dabei auf dem frisch ausgerollten Rasen sitzen! Auffallend hoher Frauenanteil in den vordern Reihen. Prima Konzert. Mit Avant Gardener gleich ein Lieblingslied am Anfang, und was dann folgte waren sehr unterhaltsame 70 Minuten, die natürlich mit Pedestrian At Best und allgemeinem Gehüpfe endeten. Wenn man weit vorne steht, kommen einem die Hauptbühnen gar nicht mehr so unpersönlich vor. Die für mich einzige fiese Überschneidung führt dazu, dass ich auf Interpol verzichten muss, und mich auf den weiten Weg zur Primavera-Bühne mache: Guided By Voices! Auffällig niedriger Frauenanteil im Publikum... Große Vorfreude. Und dann: 30 Songs in 80 Minuten! Vorne ist die Stimmung euphorisch; auch Leute wie ich, die sonst eher selten mitsingen, sind am Ende heiser. Die Hitdichte steigt zum Ende des Sets an, und nach Glad Girls ist dann Schluss, und sofort fallen jedem irgendwelche Songs ein, die leider nicht gespielt wurden.
Was kann jetzt noch kommen? The Comet Is Coming! Im Zelt ist es 25 Minuten vor Konzertbeginn noch nicht übermäßig voll, aber schon ziemlich heiß. Ich gehe sehr weit nach vorne, es kommen immer mehr Leute ins Zelt, es wird immer wärmer, und es wird...laut! Geradezu körperlich spürbar ist das, was auf der Bühne von King Shabaka Hutchings, Danalogue und Betamax (sic!) veranstaltet wird. Ich bin eigentlich kein Freund des Saxofons oder gar des Jazz, aber das hier war...anders. Ein Trip, mitreißend, bisweilen anstrengend, wild. Von keinem Konzert wurde in den nächsten Tagen mehr gesprochen als von diesem. Ich empfehle, mal bei youtube reinzuschauen; da gibt es ein paar gut gefilmte Ausschnitte.
Zurück ins Hotel.

Der Freitag beginnt mit einem sehr frühen (16:45 Uhr, fast noch mittags) Konzert von Lucy Dacus auf der wunderbaren Ray-Ban-Bühne. Sie freut sich über das stetig wachsende Publikum, das Publikum freut sich über viele (gefühlte) Hits, ein La Vie En Rose-Cover und einen neuen Song. Super Auftakt.
Snail Mail auf der Primavera haben danach technische Probleme und sind auch sonst nicht wirklich aufregend. Also zurück zur Ray-Ban-Bühne: Sons Of Kemet XL! 4 (vier!) Schlagzeuger (inkl. Betamax), einer mit Tuba und natürlich Shabaka am Saxofon. Wohl nichts, was ich mir zuhause anhören würde, aber hier funktioniert es. Besonders die Schlagzeuger sind spektakulär. Das Publikum? Begeistert!
Beak, die danach auf der Primavera-Bühne spielen, hätte ich eine kleinere Bühne und/oder einen Slot bei Dunkelheit gewünscht. Die Viertelstunde, die ich mitkriege, ist gut, aber dann geht's wieder die Treppe runter zum Zelt. Piroshka (inkl. Miki Berenyi, ex-Lush) haben auf der Bühne einige technische Probleme aber zum Glück trotzdem Spaß. Old-School-Indie-Rock für das versammelte Old-Schhool-Indie-Publikum. Ich sollte mir wohl das Album besorgen.
Liz Phair beginnt direkt danach auf der Pitchfork-Bühne, und da die genau am Zelt steht, bleibe ich ein bißchen. Ganz okay, aber nichts, was mich länger als 15 minuten verweilen lässt.
Zu Suede finde ich 30 Minuten zu früh an der Ray-Ban ein. Kurz vor Konzertbeginn ruft jemand spaßeshalber "Miiiilleeeyyyyy", was dazu führt, dass eine vor mir (etwas wackelig) stehende Schottin eine kurze Rede hält: Das sei nicht lustig, dass solche Deppen wie Miley von den Deppen vom Primavera hier gebucht werden würden. Diese ganzen Teenie-Deppen bräuchte hier doch keiner. Und nur weil sie eine Frau sei, hieße das ja nicht, dass sie sich solche Deppenmusik anhöre. Sie wolle hier tolle Bands sehen und hätte keinen Bock auf die ganzen Instagram-Deppen etc. (Ich habe mir die Freiheit genommen, "Cunts" mit "Deppen" zu übersetzen.) Als alle Umstehenden denken, das wäre es gewesen, gibt es eine Zugabe: "You know Solange?" Die Umstehenden nicken und fürchten das Schlimmste. Aber: "She's soooo great!" Dann drängelt sie sich robust nach vorne. Die Umstehenden sind baff.
Wo war ich? Ach ja: Suede! Euphorie! Hits! Mitsingen! Brett Anderson auf der Bühne, vor der Bühne und mitten im Publikum. Sein Animateursgehabe nervt manchmal etwas, aber das Konzert ist ganz großartig. Schöne Setlist, viele ganz alte Sachen. Und das auf der schönstmöglichen Bühne vor sehr großem Publikum.
Ein Vorteil der vielen mir nicht zusagenden Hauptbühnen-Acts ist, dass "meine" Bands nun hauptsächlich auf den alten Hauptbühnen (Primavera und Ray Ban) spielen. Schöne Bühnen, kurze Wege.
Harter Schnitt von Suede zu Low: Ich kämpfe mich etwas nach vorne, um den Brabblern aus dem Weg zu gehen. Es funktioniert. Wer weiter vorne brabbelt, wird von mehreren Seiten so aggressiv angesssscchhht, dass schnell Ruhe herrscht. Keine Selbstverständlichkeit. Das Konzert ist toll. Intensiv wie eine Club-Show. Alan bedankt sich beim Publikum und bittet den Finder seines Handys um Rückgabe am Lost&Found-Schalter.
Gleich wieder rüber zu Kate Tempest: Die ersten 20 Minuten mit alten Songs sind großartig, dann kommen neue noch unveröffenliche Songs. Nicht ganz so super, also gehe ich mal wieder ins Zelt. Swervedriver! Zwischen Shoegaze und Noise-Rock. Alte Schule. Schön laut. Zahlreiches Publikum. Gute Stimmung. Begeisterung bei "Rave Down". Um halb drei ist Schluss.
Zurück ins Hotel.

Der Samstag fängt erst um 18:30 Uhr an. Die mir völlig unbekannten Evripidis & HisTragedies spielen im Zelt Songs von The Magnetic Fields. Und das machen sie ganz wuderbar. Wechselnde SängerInnen, Einsatz eigenwilliger Instrumnete und große Spielfreude. Zumindest für letzteres ist Stephin Merritt eher nicht bekannt. Bei You And Me And The Moon tanzt Evripidis singend im Publikum. Große Freude bei allen Beteiligten.
Das mit der Spielfreude sieht man Built To Spill kurz darauf nicht an. Solide und regungslos spielen sie ihr wunderbares Album Keep It Like A Secret vor großem Publikum. Musikalisch natürlich gut, aber etwas zu statisch.
Dann Shellac. Die habe ich schon sehr oft beim Primavera gesehen, aber noch nie auf der Ray-Ban-Bühne, wo sie heute spielen. Der Sound ist so trocken, hart und laut wie er sein soll. Und auch sonst ist bei Shellac zum Glück alles wie immer.
Dann ein Spaziergang zur Adidas-Bühne. Drab Majesty klingen wie 1982 und sehen so aus, dass auch Leute, die bei Konzerten eigentlich keine Fotos machen, Fotos machen. Für 20 Minuten ganz spaßig, dann zurück zur Ray-Ban: Jarvis Cocker/Jarv Is... 3.Reihe. Angenehmes Publikum. Und Jarvis spielt mit neuer Band mehr unveröffentlichte als veröffentlichte Songs, zum Glück sind die alle ziemlich gut. Jarvis ist eh unschlagbar: Die großen Gesten, die großartigen Ansagen. Keine Ahnung, wie die Stimmung weiter hinten war, aber vorne herrschte Euphorie. Als Finale gab es Cunts Are Still Running The World. Da hat er leider recht.
Dann schnell rüber zu Primal Scream: Etwas öder Anfang mit Movin On Up und eingespieltem Gospelgesang, aber besonders der krachige Mittelteil bringt das Publikum in Stimmung. Bei Country Girl wird es richtig wild, und als Rocks anfängt, wurschtel ich mich raus aus dem Gewühl, um mir einen guten Platz für Stereolab zu sichern. Vorfreude. Spannung. Zum Glück dann auch ein sehr gutes Konzert. Songs aus allen Schaffensphasen, eine Highspeed-Version von Frenck Disko und mein persönlicher Hit John Cage Bubblegum wurde auch gespielt. Sie haben sogar ein paar Minuten überzogen.
Kurz nach halb drei. Ich bin müde, entscheide mich aber zum Glück, doch noch zu Roisin Murphy zu gehen. Tolle Frau. Leicht irre. Kostümwechsel auf offener Bühne. Wilde Tanzschritte. Und die Musik ist gut! Forever More gibt's auch. Großer Schlussapplaus um kurz nach halb vier.
Zurück ins Hotel.

Am Sonntag schaue ich mir im schönen Museumshof nur die Filthy Friends an. Die Möglichkeit, Corin Tucker und Peter Buck so nahzukommen, hat man ja nicht alle Tage. Schöner Abschluss!
Zuletzt geändert von rogerhealy am So 9. Jun 2019, 14:04, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Primavera Sound 2019

Beitrag von Declan_de_Barra » Sa 8. Jun 2019, 16:48

Das zeigt doch wie wunderbar vielfältig das Line Up war. Haben fast keine Überschneidungen, hätte aber sicher auch bei vielen deiner Acts meinen Spaß gehabt.

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Re: Primavera Sound 2019

Beitrag von Quadrophobia » Do 13. Jun 2019, 16:59

Montag startet der Vorverkauf für 2020. Early Bird Tickets nur für 2019 Ticket Besitzer*innen.

Tickets starten in dieser Phase bei 145€ . Ab 04.07. gibt es dann 48h für alle anderen Tickets für 150€. Ab 06.07. dann 180€

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MairzyDoats
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Re: Primavera Sound 2019

Beitrag von MairzyDoats » Di 2. Jul 2019, 09:45

Man kann nun meinen kleinen Nachbericht zum Primavera 2019 lesen:

Primavera Sound 2019: Rolle vorwärts
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