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von Finn » Di 27. Jun 2017, 15:59
Tinderbox 2017
Tag 1 :
Erstmal: Das wirklich Schöne am Tinderbox war, dass wir gemütlich zu Hause trinken und schlafen konnten, da dänische Festivals es bekanntlich nicht so mit dem Camping haben. 10-15 Minuten mit dem Fahrrad und schon war man auf dem Gelände. Meine Leute waren alle über ein Volunteerprogramm dabei und ich habe als einziger für das Ticket geblecht., was hin und wieder zu kleinen Komplikationen geführt hat, aber auch nicht weiter der Rede wert.
Das Festival ist stark auf Familien ausgelegt, statt der üblichen 18-35 Crowd hat man wirklich alle Altersgruppen gesehen, von Kindern bis ca. 70 jährige.
Das Wetter war ein Traum. Es hat jeden Tag morgens geregnet und war dann, abgesehen von etwas Nieselregen, den ganzen Nachmittag und Abend lang trocken bei 17-19°C. Kann man gar nicht genug wertschätzen.
Am Donnerstag sind wir gegen 15:00 zum Festival. Einlass hat für mich knapp fünf Minuten gedauert, Band gab es direkt am Eingang. Manchmal ist es so einfach.
Das Gelände an sich wirkte sehr luftig. Die beiden Hauptbühnen wurden immer abwechselnd bespielt und die zwei anderen, die kleine Stage 4 und die EDM-Bühne Magicbox waren etwas abseits positioniert, sodass es eigentlich nie zu Soundbrei kam. Apropos Sound: Der war fantastisch, auf jeden Fall am ersten Tag, selten so gut abgemischte Musik gehört und das bei einem Openair. Spätestens am dritten Tag gab es leider ein paar Probleme und die Boxen klangen blechern.
Die Mädels wollten gerne Tove Lo sehen und da die Auswahl nicht grandios war, bin ich da mit. Es war noch recht leer auf dem Gelände und wir konnten uns den Platz quasi aussuchen. Der Auftritt war dann überraschend gut. Vielleicht war ich auch einfach so begeistert vom Sound, aber Tove Lo hat sich durch ihre Hits und weniger bekannten Songs gespielt und eine Menge Freude dabei an den Tag gelegt, auch das mittlerweile angewachsene Publikum war gut dabei. Ihr Ladywood-Outfit war gewagt und obwohl ihr augenscheinlich kalt war, wollte sie doch nochmal gerne ihre Brüste lüften. Nunja.
Danach war das Programm erstmal schwach und wir sind über das Gelände geschlendert und haben dabei auch kurz einen Abstecher zur Magicbox gemacht. Die war sehr schön anzusehen, über den großen Screen hinter dem DJ-Pult waren überall Treppen in den verschiedensten Winkeln und Richtungen angebracht und sie hatte so einen „verwunschenen“ Flair. Musikalisch war das wohl Kant, der gerade spielte, und eine sicher solide Playlist zusammengestellt hat, aber ich war noch nicht so in Stimmung dafür, weil ich Hunger hatte.
Also sind wir zurück und haben uns an einem der zahlreichen und abwechslungsreichen Fressbuden einen ziemlich fair bepreisten Burger geholt. Die Antwoord sollte bald losgehen, also auf die Wiese und warten. Leider ist das weiterhin eine furchtbare Band und das war die letzte Chance für sie von meiner Seite aus. Nach zwei Songs sind wir das erste Mal zu der Stage 4 geflohen, hier spielte dann der sympathische Louis Berry aus Liverpool. War mir komplett unbekannt und sein rauer Bluesrock ist auch eigentlich überhaupt nicht meine Schiene, aber für den Moment war das ein solider Auftritt mit witzigen Ansprachen und sicherlich handwerklich einwandfrei.
Leider war danach wieder etwas Flaute und wir haben uns aufs Trinken beschränkt (leider nicht fair bepreist mit 45 DKK für 0,4l). Der in Dänemark wohl sehr beliebte Kim Larsen hat kurz darauf die Hauptbühne bespielt, war aber furchtbar langweilige Schunkelmusik für die Generation ü60.
Wir sind dann zu MØ, die danach die andere Bühne bespielen sollte. Ist ja quasi der Heimatact hier und dementsprechend war es sehr voll. Der Auftritt war sehr enttäuschend, der Funken ist auf mich jedenfalls so gar nicht übergesprungen, trotz aller Versuche ihrerseits. Leider sind Fickle Friends, die ich eigentlich sehen wollte, nicht aufgetaucht, und so sind wir schon recht früh zurück auf die andere Seite des Geländes, um uns einen guten Platz für The Killers zu sichern.
Und das war es wert.
Top 10 Auftritt überhaupt für mich. Ich bin nicht einmal der große Fanboy, besitze nur die Hot Fuss und habe sie, seitdem ich Human das erste Mal ertragen musste, eigentlich nicht mehr verfolgt. Aber selbst dieser war live ein Monster. Viel mehr auf Rocksong getrimmt und hätte so auch auf den ersten beiden Alben einen Platz finden können. Generell sind sie live weitaus mehr eine Rockband, als man nach den letzten Platten annehmen könnte. Sie haben sich durch alle Hits gespielt, eine famose Setlist, bei der ich eigentlich nichts vermisst habe. Und ja, auch der neue Song The Man war großartig. Flowers ist eine krasse Bühnensau und hatte von der ersten Sekunde an das Publikum im Griff. In der Zugabe gab es dann noch Mr Brightside und da hat das Publikum auch eigentlich komplett den Gesangspart übernommen. Ich war total überrascht und begeistert und kann weitere Liveauftritte der Band nur empfehlen.
Danach sind wir noch zu Galantis auf der Magicbox. Und puuh. Ich weiß nicht, ob es der direkte Vergleich zu den Killers, die schleichende Müdigkeit oder wirklich nur der Auftritt war, aber: ich fand es kacke. Ich bin ja eh nicht so der EDM-Boy, aber wenn man eigentlich nur einen Hit hat und den vor gefühlt jedem Song anteasert, um ihn dann am Ende doch noch zu spielen, find ich das unnötig. Die geremixten Songs hatte man alle auch schon 10000x gehört und was die Becken, auf denen die ständig rumgeklöppelt haben, sollten, weiß auch keiner. Die Crowd hat es gefeiert, ich nicht und ich war froh, um 3:00 dann endlich ins Bett zu fallen.
Tag 2:
Da wir noch gut geplättet waren, haben wir leider Kaleo und Jimmy Eat World verpasst (wer setzt die auch bitte um 14:00 an??). Auch die sehr geschätzte Veronica Maggio musste ich leider sausen lassen, da wir erst um 15:00 am Gelände waren und in gemütlicher Runde ein paar Bier gezischt haben. Das Schöne: Wir saßen direkt vor dem Eingang und haben unfassbar viel Bier geschenkt bekommen, weil Leute reinwollten. Nehm ich gern.
Auf dem Gelände wollten wir dann auch erstmal etwas essen und sind etwas rumgeschlendert, weil nichts so richtig lief. Erst um 20:00 kamen dann HAIM. Ich mag die Mädels ja sehr gerne und freu mich unheimlich auf das Album. Aber acht Songs bei einem 1h15 Slot sind einfach zu wenig. Die Setlist war zwar großartig, aber es war einfach zu kurz. Schade, die Mädels waren nämlich gut aufgelegt, die Sonne hat sich manchmal rausgewagt und vor der Bühne war es schön voll. Da es doch kühler war, als erwartet, bin ich danach kurz nach Hause, um mir etwas überzuziehen und habe dadurch Nathaniel Rateliff verpasst. Egal.
Ich stand dann relativ früh wieder vor der Bühne für Kings of Leon. Solide. Quer durch die Diskografie, mit fast allen Hits, nur Closer habe ich vermisst. Find Me war live fantastisch und Knocked Up war mein großes Highlight. Ich hatte fast vergessen, wie großartig Because of the Times ist. Die Jungs waren relativ verhalten und haben keine großen Ansagen gemacht, dadurch sprang der Funke nicht so ganz über.
Aber danach kam ein weiteres Highlight des Festivals: Lemaitre. Die spielten zum Abschluss auf der kleinen Bühne und haben die komplett abgerissen. Es waren wieder echt wenige Leute da, was uns aber Platz zum Tanzen und mir quasi eine Privatbar gegeben hat. Endlich mal bei einem Konzert Bier nachholen. Mir war die Band gänzlich unbekannt, obwohl sie ja anscheinend ein paar Hits haben. Auf jeden Fall ein toller Auftritt, ich hatte schön einen sitzen und wenn man Elektromusik live spielt, hat man bei mir eh gewonnen. Die Bläser waren da nur das i-Tüpfelchen. Zusätzlich hatte es angefangen zu nieseln, was wunderbar passte und das Ganze noch verbessert hat. Danach nach Hause, und schlafen.
Tag 3:
Wir sind gegen 14:30 zum Gelände und mussten dann mit Druck tanken, da die Mädels natürlich Sean Paul sehen wollten. Leider hatte ich durch die verschiedenen Einlässe meine Leute verloren und allein hat es nur halb so viel Spaß gemacht. Es war halt so schlecht, dass es wieder witzig war und man konnte gut tanzen. Er hat das volle Programm inklusive Tänzerinnen und einem superkaputten „Rapper“ mitgebracht. Schöner Trash.
Travis Scott danach habe ich mir nur von der Wiese mit einer leckeren Pizza angehört, aber das Intro (Humble von Kendrick vom Band, äh ja) war bis wir dann gegangen sind das mit Abstand beste. Trap bleibt scheiße, live noch viel mehr. Daher auf die Magicbox und Nonsens für ein paar Minuten. Elektroset, ganz cool, weil nicht so voll, aber wir sind nur kurz geblieben. Ich habe ja echt ein Problem damit, wie sehr sich die Sets ähneln, Galantis‘ Runaway war glaube ich in wirklich jedem drin.
Zurück zu der Stage 4, wo gerade Lightwave Empire angefangen hat. Dänische Band, tat nicht weh, aber so richtig kann ich mich auch nicht mehr dran erinnern. War poppiger Indierock, den man wohl nicht weiter verfolgen muss. Run DMC hab ich dadurch ausgelassen, aber was ich auf dem Weg gehört hatte, fand ich recht anstrengend und akustisch nicht wirklich schön.
Dann kam der einzige wahre Headliner auf einem dänischen Festival: Lukas Graham. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das jeder gesehen hat, der auf dem Gelände war. Es war so RICHTIG voll und alle Altersgruppen waren vertreten. Echt unfassbar, wie dieser unscheinbare Kerl, der eher wie ein Standup-Comedian aussieht, der größte Popstar Dänemarks geworden ist. Aber wenn man den Auftritt gesehen hat, versteht man es etwas besser. Er hat eine faszinierende Bühnenpräsenz, erzählt viele Witze und hatte das Publikum im Griff (abgesehen vom nervigen Anstimmen von Seven Nation Army. Warum??). Waren es Anfang nur der Pianist (aus New Orleans, hat er gerne mal verarscht), drei Bläser und ein Bassist, hat er zum Ende nochmal richtig aufgefahren. Vorhang auf für ein komplettes Sinfonieorchester, dass ihn ab ca. der Hälfte für den Rest begleitet hat. Noch nicht genug? Wie wäre es mit einem Gospelchor für einen Song? Gibt es auch noch. Dieser soulige Funk-Pop macht sich überraschend gut auf der großen Bühne und ich kann mir vorstellen, dass es für ihn noch weit nach oben gehen kann. Würde ich die Musik mehr feiern, wäre es wohl der beste Auftritt des Wochenendes gewesen.
Anschließend sind wir rüber zu den Pet Shop Boys. Bewusst kenne ich nicht viel von denen, aber der Anfang war echt gut. Seltsame Kostüme, minimalistisches Bühnenbild, das sich während des Auftritts veränderte und nach und nach mehr Musiker preisgab. War schon gut durchchoreografiert. Leider nahm die Musik zur Mitte hin immer mehr Bierzeltcharakter an, sodass wir irgendwann zurück auf die Magicbox sind, wo gerade W&W gespielt haben. Der Bass hat hier endlich mal so richtig geföhnt und es war dementsprechend voll. Leider dasselbe Problem wie immer, das Vokabular der Herren war auf „Put your hands up“ und „jump, jump, jump“ beschränkt. Geht irgendwann auf den Senkel. Wohl aber einer der besseren EDM-Auftritte des Festivals.
Den Abschluss des Festivals bildete dann Martin Garrix. Der hat auch auf der großen Bühne statt der Magicbox gespielt. Sein Setup wirkte etwas verloren auf der Bühne, aber das Drumherum war schon ansprechend. Konfetti direkt beim ersten Song und ca. achtmal danach, Pyrospyrospyros und schicke Animationen auf der Leinwand konnten sich sehen lassen. Der Bubi Garrix hat irgendwann noch John Martin & Michel Zitron auf die Bühne gebracht, die dann tatsächlich live gesungen haben. Das Publikum ist völlig eskaliert. Ich denke, besser wird ein EDM-Auftritt nicht mehr. ABER: Es gab für mich zu viele Drops. Klingt komisch, aber der Aufbau war bei einigen Songs zu kurz, sodass es schnell ermüdend wurde. Zudem hat das Publikum bei wirklich jedem zweiten Drop einen Moshpit gemacht, sodass wir immer weiter rausgedrängt wurden. Ist ja 2-3 Mal ganz witzig, aber irgendwann hat es genervt. Und weiterhin gilt bei EDM: Wenn man Zeit hat, gefühlt acht Videos für Instagram oder Snapchat zu drehen, während die Musik weiterläuft, kann ich es einfach nicht so richtig ernst nehmen. Klingt jetzt alles negativ, aber es war ein definitiv würdiger Abschluss des Festivals, nach dem ich mir erstmal eine Menge Schlaf verdient hatte.