Sieht man erstere als Ur-Problem, dann erscheint es auch legitim, dass ein Statement gegen Neo-Nazis (das altbekannte "Nazis raus!") als hinreichender Beleg für die eigene unproblematische Haltung gesehen wird. Dagegen halte ich es eher mit der zweiten Position, nach der Nazis nur ein Exponent viel grundlegenderer Probleme sind - verdeutlichen lässt sich das wunderbar an den schlagenden Korporationen, die der Neo-Nazi-Szene teils in offener Ablehnung gegenübersteht, was auch angesichts ihres elitären Selbstverständnisses nicht sonderlich verwundert (natürlich gibt es hier auch zahlreiche Überschneidungen). Die sehen sich gerne als hochkultivierte Gelehrte, die mit dem stumpfen gegröhle des braunen Mobs, der nicht einmal einen Satz fehlerfrei schreiben kann, nur wenig anfangen können.
Das hindert sie allerdings nicht daran, selber auch rassistische, sexistische, nationalistische oder revanchistische Positionen zu besetzen, weshalb die Frage bleibt: Macht es sie weniger problematisch, nur weil sie nach außen hin ihre Ablehnung gegenüber Nazis kundtun?
Du hast schon Recht, dass es ein Fass ohne Boden sein könnte, weshalb bei der ganzen Debatte natürlich auch maßgehalten werden und nicht in Reaktionismus verfallen werden sollte. Allerdings finde ich Skepsis gegenüber jemandem, dessen engstes Umfeld freundschaftliche Beziehungen ins stramm rechte Milieu pflegt, angebracht. Da spielt es für mich auch keine Rolle, wenn verschiedene Personen mit SS- oder Wehrmachts-Symbolik provozieren wollen, da ich das oftmals für ein vorgeschobenes Argument halte, ebenso wie Pegida oder die AfD sich ja gerne auf das Instrument der Satire beruft, um eigener Rhetorik eine Absicherung zu verleihen. Wenn ohnehin jeder akzeptiert, dass man sowas zum Zwecke der Provokation verwendet, hört es dann nicht irgendwann auf Provokation zu sein und wird zum simplen Gebrauch von Nazi-Symbolik, die somit wieder ihren Platz auf in der Mitte der Gesellschaft findet?Nene, da hab ich keine Lust drauf. Das ist ein Fass ohne Boden. Wie schon gesagt. Wie sollte man das aufziehen? Ich kenn Storys über Shows die abgesagt wurden, weil die Band bei Myspace jemanden in ihren Top Freunden hatte, der wiederum One Life Crew (muss niemandem hier was sagen) in den Top Freunden hatte.
Ein ähnliches Problem habe ich mit Chelsea Wolf, die ein solchen Song covert (auch wenn ich Burzum nur indirekt kenne) und das dann damit begründet, dass sie den Menschen von der Musik trennen kann. Meiner Meinung nach geht das jedoch nicht, da der Song immer mit seiner Person verbunden bleibt und nicht zu trennen ist und eine Äußerung â la "Er ist zwar ein Rassist, aber ein toller Künstler" nur dazu führt, dass einem Rassisten gesellschaftlich Akzeptanz verliehen wird. Mir stellt sich da die Frage: Fällt es den Leuten so schwer, in ihren Worten gegen Rassismus und Chauvinismus dann auch konsequent zu sein?
Dass einige Leute diese Debatten zu müßig sind, das kann ich nachvollziehen - das sind sie in der Tat. Aber es hat ja auch niemand gesagt, dass es einfach sein wird und wenn man es ernst meint, dann sollte man auch bereit sein, den entsprechenden Weg zu gehen. Auch wenn es manchmal erfordert, 10x dasselbe zu schreiben. Ich selber muss gestehen, dass ich mich bei vielen Bands eher auf dem Gebiet des "Halbwissens" bewege, und lerne bei jeder Debatte etwas neues - und solange man auch nur eine Person erreicht und zu einer neuen Erkenntnis gelangt, ist eine Debatte darüber doch nicht müßig?