So, hier dann mal mein Bericht
Top
- Es gibt überhaupt wieder Festivals.
- Allgemeine Atmosphäre und Stimmung
- Amenra
- Genesis Owusu
- 2manydjs
Flop
- das Pfandsystem
- coronabedingte Absage von Automatic (sehr schade, aber unterm Strich vermutlich noch Glück mit Absagen gehabt)
Zum Festival an sich:
Nach 2017 und 2019 mein dritter Besuch. Im Vergleich zu den Vorjahren, wo man durchaus häufiger hier und da mal Deutsch hörte, wirkte es heuer deutlich weniger. Vielleicht doch die Konkurrenz durch das Tempelhof Sounds? Der Altersdurchschnitt ist eher hoch, was sich positiv in einer entspannten Atmosphäre widerspiegelt: Am Freitag brauchte es vom erreichen des Parkplatzes bis das Zelt stand etwa 100 Minuten
Das Festival ist grundsätzlich schon gut organisiert.
Das Gelände direkt neben einem See ist liebevoll gestaltet. Im Vorfeld empfand ich es teilweise etwas anstrengend wie "Schnick-Schnack" wie der second hand Klamottenladen auf dem Gelände oder das kulinarische Sonderangebot, bei dem Köche ihre Menüs auf ihre Lieblingsmusik abgestimmt haben, beworben wurden. Stören tut das aber nicht. Das gastronimische Angebot ist außerordentlich gut, wenn auch sehr teuer, wobei die Preissteigerung zur Vor-Corona-Zeit sogar noch relativ gering ausgefallen sein dürfte.
Es gibt die Hauptbühne sowie eine größere und kleinere Zeltbühne, dazu einen Partyfloor und noch weitere kleinere Bühnen.
Der Eingang wurde dieses Jahr etwas verschoben und durch eine neue Wegführung gelangte man schneller vom Campingplatz zum Festivalgelände
Die Musik im Detail:
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Los ging es am Freitag mit 4B2M. Holländische Truppe, ein bisschen quatschig bis trashig vom Auftreten her, aber taugten für die musikalische Eröffnung. Danach kam Altin Gün. Auf Platte wird mir das schnell zu viel, aber live fand ich es wirklich sehr schön und vor allem tanzbar. Dann Iceage. Just another post-punk band. Nicht schlecht, aber blieb kaum was hängen. Im Anschluss, ebenfalls auf der dritten Bühne, ein erstes Highlight: Genesis Owusu. Genreübergreifend ist sicher ein viel strapazierter Begriff, für den australischen rapper aber einfach treffend. Seine ersten richtigen Auftritte in Europa. Stimmung war gut. Um das Publikum richtig zu animieren, wurde auf Crank That von Soulja Boy zurückgegriffen und danach ging es ab. Das nächste Mal gerne länger (45min slot) und mit Band statt der drei supporting performers. Headliner auf der Hauptbühne waren Alt-j. Bin kein großer Fan, war live aber wieder eine nette Sache mit coolen visuals. Nach kurzer Verschnaufpause sind wir dann noch zu Jamie xx ins große Zelt. Beim Reinhören hatte mich das alles nicht überzeugt. Das gespielte set hingegen fand ich ausgesprochen gut, es mag aber auch an diversen Bieren und meiner Tanzwütigkeit in diesem Moment gelegen haben.
Der Samstag begannt mit Pip Blom. Perfekter Start und schöner Ersatz für Beach Bunny und Porridge Radio die am selbigen Tag Überschneidungen zum Opfer fallen sollten. Es blieb holländisch mit dem Soulsänger Cero Ismael. Intimer Rahmen in der Cashbah, eine kleine Bühne, in einer halboffenen Wellblechröhre. An sich sehr cool, leider soundtechnisch nicht immer perfekt geeignet. Nach einer längerer Pause dann Fontaines D.C. auf der Hauptbühne. Für mich war es der erste Auftritt der Band. Bei der Hälfte des sets habe ich mich dann auch mal Richtung pit bewegt, ging gut ab, hat Spaß gemacht! War insgesamt allerdings nicht so angetan vom Gehabe des Sängers, geht sympatischer. Ursprünglich dachte ich im Anschluss Metronomy mitzunehmen sei nicht möglich, da ich mit großem Andrang bei den Strokes gerechent habe. Aber auch weiter hinten im Zelt war gute Stimmung bei Metronomy, die gewohnt abgeliefert haben und wir kamen auch noch im ersten Berech vor der Hauptbühne für The Strokes unter. Ich hatte mich zwar sehr auf sie gefreut, allerdings auch keine großen Erwartungen, um die Launigkeit von Julian Casablancas wusste ich wohl. Mit 20min Verspätung ging es los (für die Strokes sicher nicht ungewöhnlich, für das BKS tatsächlich eher schon). Musikalisch kann man Julian keinen Vorwurf machen, das saß schon alles, aber abseits davon war es ein Trauerspiel. Mit Arroganz und Gepose hätte ich noch eher umgehen können, das Bild was sich hier bot war aber tatsächlich eher besorgniserregend: Komplette Verwirrtheit, Aussagen wie "meine Familie hat mich verstoßen und jetzt stehe ich hier" (lacht es weg und geht zum nächsten song über); wirkte auf mich alles wie ein Hilferuf. An sich hätte es ein gutes Konzerterlebnis sein können, hätte man sich nicht die ganze Zeit wie der Zeuge eines Unfalls gefühlt. Aber direkt schlecht war es eben auch nicht.
Der Sonntag war hart, weil sehr ambitioniert. Um 12:30 Uhr standen Amenra auf der großen Zeltbühne. Höre sie erst seitdem sie beim dunk2020, für das ich Karten hatte, bestätigt waren, aber ich war definitiv hyped. Was für eine Show! Set ging nur etwa 50min und ich bin mir natürlich absolut bewusst, dass so eine Festivalshow in dem Rahmen nur eine abgespeckte Variante darstellt. Es war trotzdem verdammt beeindruckend. Das Publikum war auch viel viel stiller als bei jedem anderen Auftritt. Kommentar meines Kumpels, der damit eigentlich überhaupt nichts anfangen kann, danach: "Danke, dass du mich mitgeschleift hast!". Es folgten black midi. Bin kein Riesenfan, aber gefiel! Danach ein kleiner Stilbruch: Die irische singer-songwriterin Luz (erinnert mich an die junge Birdie) spielte ein kurzes set in der bereits erwähnten Casbah. Nachdem sich einige der Labertaschen im Publikum verzogen hatten, konnte man den Auftritt auch genießen. Danach bei Cassandra Jenkins abseits der Bühne auf der Wiese gedöst und nur Hard Drive zum Abschluss wirklich mitgenommen. Danach Wolf Alice auf der Hauptbühne. Ich mag die Band sehr, aber live kam es auch beim zweiten Mal nicht über einen "guten Auftritt" hinaus. Hatten den Großteil des Konzerts allerdings auch aus dem See (in den die Band nach ihrem Gig ohne Umwege auch gesprungen ist) heraus verfolgt. Es folgte Sky Fereirra. Erst die aktuelle single "Don't forget" hatte mich endgültig dazu bewogen sie noch in den ambitionierten Tagesplan einzubauen. Leider startete die show mit 20min Verspätung, wodurch auf einiges an Spielzeit und auch diesen song verzichtet werden musste. Insgesamt leider einer der schwächeren Auftritte des Wochenendes (Grund für die Verzögerung kenne ich aber nicht), sie wirkte für mich auch zu affektiert. King Gizzard & The Lizard Wizard auf der Hauptbühne wurden dann auch eher gemählich von hinten geschaut. War aber wieder eine sehr energiegeladene show. Der Sänger hat Wolf Alice nochmal überboten und ist während The Dripping Tap (closer) zum Wasser gecrowdsurft, zum backstage Bereich geschwommen, um den song dann noch zu beenden. Danach gab's Mura Masa wieder im Zelt. Begleitet wurde er von einer Rapperin, die definitiv krass abgeliefert hat. Die Range der verschiedenen features von ihm ist lang und sie hat die songs ausgeprochen gut umgesetzt. Gute Party! Danach gab es durch die coronabedingte Absage von Automatic, eine kleine Lücke, wir ließen uns im Hintergrund von Nick Cave beschallen und sammelten Kräfte für den Abschluss des Wochenendes: 2manydjs. Saustarke visuals, große show! Ich weiß nicht, wo ich nach dem Wochenende und Tag noch die Kräfte hergenommen habe, aber es war nochmal über eine Stunde Abriss.
Die Orga war wieder sehr gut, der timetable wird hier eigentlich minutiös eingehalten, kleinere Verzögerungen wie dieses Jahr, kannte ich vom BKS zuvor eigentlich gar nicht. Soundmäßig war das für mein Empfinden auch grundsätzlich gut, mit kleinen Abstrichen hier und da.
Größter Schwachpunkt in Sachen Orga war das Pfandsystem. Bisher gab es Mehrweg-Hartplastikbecher, auf die das line-up gedruckt wurde, was natürlich auch ein super Merch-Objekt war. Warum auch immer (die Becher der Vorjahre müssen eigentlich auch noch irgendwo sein?), aber dieses Jahr gab es Einwegplastikbecher. Das ist an sich schon doof (umweltmäßig ist die Rechnung ja nicht immer ganz sooo eindeutig, mein ich), das Pfandsystem hat es aber zum Fiasko werden lassen. Am Eingang erhielt man einen Token (kleinen, etwas scharfkantigen Plastikchip), der mit dem ersten Getränk eingelöst wurde. Hatte man bei der erneuten Bestellung keinen Becher dabei, zahlte man einen Euro. Soweit so gut, ist ja auch durchaus sinnvoll, damit das Gelände sauber bleibt. Allerdings hat man über das Wochenende immer mehr Becher und Tokens angehäuft, man tauscht ja nicht immer 1:1 leer gegen voll. An manchen Ständen wurden einem zusätzliche Becher direkt mit der Bestellung verrechnet (dann kein Token), manchmal gab es Token, ein Special-Getränkestand war nicht Teil des Systems, hatte aber auch Einwegplastikbecher. Es hieß am Montag könne man überzählige Tokens eintauschen, allerdings haben wir weit und breit keine Stelle gefunden, wo das gegangen wäre und sind mit nem Haufen dieser nervigen Chips zurückgefahren. Ganz schwache Nummer
Fazit: 19 gesehene acts, darunter nur 4 zum jeweils zweiten Mal live gesehen - gute Ausbeute
Im Vorfeld hatte mich das line-up in den oberen Reihen nicht so wahnsinnig überzeugt. Die Stärke ist auf jeden Fall die Vielseitigkeit und Breite, gerade in den mittleren und unteren Reihen, wo ich schon viel entdecken durfte. Die Location und die Atmosphäre tun das übrige für ein tolles Festivalerlebnis. Dennoch muss bei dem Ticketpreis auch in Zukunft ein Headliner für mich dabei sein. Ansonsten immer wieder gerne.